Ackerbau-Fest in China.

Das Fest des Ackerbaues wird zu Pecking, und in allen Provinzen des chinesischen Reichs, mit großer Feierlichkeit begangen. Sobald die Sonne die Hälfte des Wassermannes durchlaufen hat, wird der oberste Mandarin, mit Blumen geschmückt, vom Volke und einer großen Menge Musikanten, mit Fackeln auf das Feld begleitet. Die ganze Volksmasse ist mit Blumenkränzen geschmückt und schwingt seidene Fahnen. Andre tragen hölzerne Bildsäulen und Gemälde, die auf den Ackerbau. Bezug haben und ihn versinnlichen. Mit diesem Gefolge zieht der Mandarin in Procession aus demjenigen Thore der Stadt, welches gegen Morgen liegt. Alle Straßen sind mit reichen Tapeten [1] behangen, und mit prächtigen Triumphbogen geschmückt. Mitten in diesem Gefolge tragen 40 Männer eine aus Thon gemachte, in Feuer gebrannte ungeheuere Kuh auf welcher ein Jüngling sitzt, und sie zuweilen schlägt, der mit einem Beine bloß ist, und über das andre einen Halbstiefel gezogen hat. Dieser junge Mensch ist das Sinnbild des Ackergeistes. Endlich schließt eine Menge Bauern, mit allen Werkzeugen des Feldbaues, den langen Zug. Dem Ganzen liegt ein allegorischer Sinn zu Grunde. Die Schläge, welche der junge Mensch der Kuh giebt, bedeuten die ermüdende Arbeit der Bauern in ihrem Ackerwesen, seine Beine, deren eins bloß, das andre aber mit einem Halbstiefel bedeckt ist, die wenige Zeit welche sie zum Ankleiden nehmen, und die Geschwindigkeit, mit welcher sie ins Feld gehen, um dasselbe zu bearbeiten. Der Mandarin will mit seinem Zuge gegen Sonnenaufgang gleichsam die angehende Jahreszeit in Empfang nehmen. etc. etc. etc. Vor dem Thore der kaiserlichen Burg steht er still. Man nimmt dann der Kuh diejenigen Blumen ab, womit sie geschmückt war, öffnet ihr [2] den Bauch, und nimmt aus demselben eine große Menge kleiner Kühe heraus, die ebenfalls von Thon verfertigt und gebrannt sind. Diese vertheilt der Kaiser unter die vornehmen Hof- und Staatsbeamte und Lieblinge, um sie dadurch zu ermuntern, den Ackerbau immer mehr empor zu bringen, und mit ihrem Beispiele die Unterthanen zu bewegen, daß sie keine Gegend des Reichs unbenutzt liegen lassen, noch sich dem Müßiggange ergeben.

Ehedem zog der Kaiser in eigner Person an diesem Tage, mit einem Pfluge in der Hand, öffentlich auf, und backte von demjenigen Korne, welches er mit seinen Händen gebauet hatte, ein Brod, das den Göttern geopfert wurde: gegenwärtig aber feiert er dieses Fest innerhalb seines Pallastes.

Der Kaiser bereitete sich zu dieser Arbeit durch dreitägiges Fasten und ein Opfer, der Gottheit dargebracht, um eine gesegnete Erndte zu erhalten. Drei Prinzen und neun Präsidenten aus [3] den vornehmsten Gerichten mußten ihm nacharbeiten. Den 24sten Tag des zweiten Monats begab sich der Kaiser in seinem Feierkleide an denjenigen Ort, welchen er mit 5 Kornarten besäen mußte. Er nahm den Pflug, pflügte mit demselben einige Furchen hin und her, und sein Gefolge that eben dasselbe. Nachdem er darauf den Saamen eingestreuet hatte, waren 40 Bauern bei der Hand, welche das Werk vollenden mußten. Alles dieses geschah unter dem Schalle der musikalischen Instrumente und der Kaiser beschloß dieses Fest damit, daß er Kattun unter diejenigen Bauern austheilte, welche ihm bei seiner Arbeit behülflich gewesen waren.

Quelle:
[Anonym]: Sitten, Gebräuche und Narrheiten alter und neuer Zeit. Berlin 1806, S. 1-4.
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