Bärte in Frankreich.

[4] Ein langer Bart unterschied vor Alters einen Franzosen von andern, unter das Joch gebrachten Völkern, und man trug ihn als ein Ehrenzeichen. Die jungen Leute trugen große Sorge [4] für ihre Knebelbärte. Allein gegen das Ende des 11ten Jahrhunderts, erklärte der Erzbischof Wilhelm zu Rouen den langen Haaren und Bärten den Krieg, und trieb es so weit, daß im Jahre 1096 in einem Concilium ausgemacht wurde, es sollten die, welche lange Haare trügen, Zeitlebens von der christlichen Kirche ausgeschlossen seyn, und man sollte nach ihrem Tode nicht für sie bitten. Diese wichtige Sache lief nicht so ganz ruhig ab. Die Bärte fanden mächtige Vertheidiger gegen ihre furchtbaren Feinde, und die Hitze stieg so hoch, daß man sich von beiden Seiten rühmen konnte, einige Märtyrer für die gerechte Sache gehabt zu haben. Das allertraurigste war aber, daß sich Ludwig VII. selbst den Bart scheeren ließ, und daß ihn hierüber seine Gemahlinn, Eleonora von Aquitanien, verachtete, und sich deshalb so sehr mit ihm veruneinigte, daß sie sich von einander scheiden ließen. Sechs Wochen nach dieser Ehescheidung vermählte sich die Königinn mit dem Herzoge von der Normandie, Heinrich, welcher nachher König von England wurde, und zur Mitgabe brachte sie ihm Poitou [5] und Guyenne zu. Hieraus entstanden diejenigen Kriege, welche Frankreich 300 Jahr lang verheeret haben. Es mußten über drei Millionen Franzosen sterben, weil sich ein Erzbischof wider die Bärte entrüstet, weil sich ein König hatte barbieren lassen, und weil er seiner Gemahlinn mit einem glatten Kinne lächerlich vorgekommen war.

Nach und nach kamen die Bärte aus der Mode, und man sahe keinen mehr, bis sie endlich Franciscus I. wieder herstellte. Jedermann ließ sie wieder wachsen, und niemand ward mehr barbieret, als die Parlamentsglieder und Domherren. Unter Heinrich IV. trug man drei Finger lange Bärte, die breit geschnitten wurden wie Fächer, zugleich aber ein Paar lange und steife Knebelbärte, wie die Katzen haben. Nachher begnügte man sich mit einem kleinen Spitzbarte mitten auf dem Kinne, und endlich blieb unter Ludwig XIV. nur noch der kleine Stutzbart unter der Nase.

Quelle:
[Anonym]: Sitten, Gebräuche und Narrheiten alter und neuer Zeit. Berlin 1806, S. 4-6.
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