15. Das Osterfest.

[109] Das Osterfest der Christen ist aus dem Passafeste der Juden entstanden. Die ersten Christen behielten anfänglich viele jüdische Gebräuche und Feste bei, die sie in der Folge theils abschafften, theils sie auf eine merkwürdige Begebenheit der christlichen Religion deuteten. So feierten sie [109] auch anfänglich das Passafest der Juden mit allen dabei üblichen Gebräuchen; und es fiel ihnen gar nicht ein, daß es das Auferstehungsfest Jesu seyn sollte. Die Juden feierten gewöhnlich dieses Passa den 14ten Tag des Monats Nisan. Die orientalischen Christen feierten es mit den Juden an dem nehmlichen Tage. Nur die abendländischen Christen gingen in Ansehung der Zeit der Passafeier von den Juden ab. Sie feierten dieses Fest jedesmal an demjenigen Sonntage, der zunächst auf den Vollmond des Frühlingsäquinoktiums folgt, indem sie dabei auf eine Tradition der Apostel Petri und Pauli sich beriefen. Beide Kirchen, die orientalische und occidentalische, feierten also das Passa zu verschiedenen Zeiten, und keine Kirche suchte die andre deswegen zu verfolgen; bis der römische Bischof Pius – denn Päpste gab es damals noch nicht, – sich's einfallen ließ, zu verordnen, daß das Passa von der ganzen Christenheit an Einem Sonntage gefeiert werden sollte. Sein Nachfolger Anicetus drang gleichfalls darauf. Der Bischof Victor hielt endlich eine Synode zu Rom, wo [110] beschlossen wurde: daß das Passa niemals mit den Juden zugleich, sondern allemal an einem Sonntage gefeiert werden sollte. Die Bischöfe der morgenländischen Kirchen, weigerten sich, den Schluß der Synode anzunehmen, und der römische Bischof Victor that sie deswegen alle in den Bann, welcher aber in der Folge wieder aufgehoben wurde; und das Passa wurde nach wie vor von den Morgenländern zugleich mit den Juden gefeiert. Endlich wurde auf der allgemeinen nicänischen Kirchenversammlung im Jahre 325 verordnet, daß das Passa den ersten Sonntag nach dem Vollmonde der Frühlings-Nachtgleiche von der ganzen Christenheit gefeiert werden sollte. Nun bekam das Fest einen andern Zweck. Aus dem ehemaligen Passa der Juden, welches zum Andenken des Ausganges des israelitischen Volks aus Aegypten gefeiert wurde, wurde nun das Auferstehungsfest Jesu, welches man an einem Sonntage feiern mußte, da es bekannt war, daß der Heiland an einem Sonntage auferstanden war; welches man auch im Frühlinge feiern mußte, weil ebenfalls um diese Zeit sich die große Begebenheit der Auferstehung [111] Jesu ereignet hatte, obgleich der eigentliche Tag unbekannt war. Man kann daraus schließen, wie wenig die ersten Christen bei der Feier des Passa an die Auferstehung Jesu dachten, weil sonst unstreitig der Tag wol bekannt gewesen seyn würde.

Die Schlüsse des Conciliums wurden allgemein als gültig von der Christenheit angenommen. Nur wenige blieben bei ihrer vorigen Gewohnheit, dieses Fest mit den Juden zu feiern. Man nannte sie die Vierzehner, (Quartodecimani). Und damit nun fernerhin keine Irrung in der Osterfeier entstehen möchte, so wurde das Frühlings-Aequinoktium jedesmal auf den 21sten März festgesetzt, ob es gleich, astronomisch gerechnet, nicht immer auf diesen Tag fällt.

Was den Ursprung des Worts Ostern betrifft, so sind darüber verschiedene Meinungen.

Einige wollen es von einer Göttinn der deutschen Astarde ableiten, welches die Venus der [112] mitternächtigen Völker war. Die Römer feierten am 9ten Mai, der Venus zu Ehren, ein Fest, welches die alten Deutschen ihrer Venus, der Astarde zu Ehren, auch feierten. Von dieser Göttinn soll auch die Stadt Osterode ihren Namen haben, weil sie daselbst einen Tempel hatte, wo sie vorzüglich verehrt wurde. Man zeigt auch noch jetzt bei dieser Stadt Rudera von einem alten, der Astarde geweihten, Tempel. Da die Deutschen das Christenthum annahmen, so sollen sie dieses Fest der Astarde in ein christliches verwandelt, und dem Andenken der Auferstehung Jesu gewidmet haben. Diese Meinung bekommt dadurch mehr Wahrscheinlichkeit, weil im östreichischen Dialekt Ostern Astertag geschrieben und gesprochen wird.

Andre wollen Ostern von dem lateinischen Worte hostia, ein Opferthier, ableiten, weil Christus für unsre Sünden geopfert worden sey. Diese Ableitung ist viel zu künstlich, als daß sie einige Wahrscheinlichkeit haben sollte. Noch andre [113] leiten es von dem veralteten Worte Urstand d.i. Auferstand ab.

Es scheint die Meinung derjenigen am wahrscheinlichsten zu seyn, die es von dem, jetzt im Deutschen veralteten, Worte Ost, ableiten, welches sonst häufiger gebraucht wurde, und jetzt nur noch von der Morgengegend gebraucht wird. Nach dieser Ableitung hieße Ostern so viel, als das Auferstehungsfest, das Morgenfest, welches sehr passend ist, da die Schrift sagt, daß der Heiland des Morgens früh, ehe die Sonne aufgegangen sey, das Grab verlassen habe. Von dem Worte Ost hat auch Oestreich den Namen. Es heißt so viel, als das Land gegen Morgen.

Quelle:
[Anonym]: Sitten, Gebräuche und Narrheiten alter und neuer Zeit. Berlin 1806, S. 109-114.
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