Tragebetten zu Rom.

[284] Da es nach den strengen Sittengesetzen der Römer, außer bei Triumphaufzügen und gottesdienstlichen[284] Prozessionen, innerhalb der Mauern Roms nicht gestattet war, in Wagen zu fahren: so wurde, besonders von der Zeit des Julius Cäsar's an, die Sitte, sich in Sänften oder Tragebetten in der Stadt herum tragen zu lassen, immer allgemeiner. Man denke sich einen tragbaren Sopha oder ein Kanapee, an dessen Füßen auf beiden Seiten lange Queerstangen hinliefen, und man hat ungefähr die Vorstellung von den Hauptbestandtheilen dieses tragbaren Ruhebettes, wobei nur der Umstand nicht übersehen werden darf, daß sehr oft eine Art von Baldachin oder Himmel darüber aufgespannt war, durch dessen Vorhänge man sich gegen Staub und Sonnenschein schützte, und die Blicke der Neugierigen von sich abhielt. Indeß gewannen die vornehmen Römerinnen unter den ersten römischen Kaisern immer mehr Geschmack an den ganz offenen Tragebetten. Sie stellten ja ihre natürlichen und erborgten Reize nur allzu gern der anstaunenden Menge auf den Straßen und öffentlichen Plätzen bloß. – Sehr willkommen mußte ihnen daher eine Mode seyn, wobei sie sich immer in der vortheilhaftesten [285] Stellung, in der einladendsten Attitüde, in schmachtenden Liebreiz hingegossen, zeigen konnten. Nach der Zahl der Sänftenträger, die ausdrücklich dazu unterhalten wurden, und eine noch jetzt an den Orientalern bewunderte Fertigkeit besaßen, jene vermittelst der Queerstangen auf ihren Schultern ruhende Last in sanfter Schwebung taktmäßig fortzutragen, bekamen auch diese Sänften selbst verschiedene Benennungen. Gewöhnlich hatte man sechs, oder, wenn es noch vornehmer zuging, acht Sclaven zu Sänftenträgern, und die Sänften hießen daher Sechsträger oder Achtträger. In den Häusern der Reichen hatten der Hausherr und die Hausfrau beide ihre eigenen Träger, wozu man am liebsten Sclaven von solchen asiatischen Völkerschaften nahm, wo diese Palakins schon seit alten Zeiten zu Hause gewesen, und von da auch nach Rom gekommen waren.

Quelle:
[Anonym]: Sitten, Gebräuche und Narrheiten alter und neuer Zeit. Berlin 1806, S. 284-286.
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