Wachs-Leichen.

[346] Bei dem Leichenbegängnisse Karl's VI., Königs in Frankreich, ward die Erfindung gemacht, daß man den Leichnam in einen Sarg verschloß, und dagegen die Gestalt desselben in Wachs poussirte, und mit den königlichen Kleidern und Zierrathen anschmückte. Das Leichenbegängniß der Könige von Frankreich erfolgte gewöhnlichermaßen erst 40 Tage nach ihrem Tode. Diese 40 Tage hindurch ward ihr in Wachs poussirtes Bildniß auf einem Paradebette mit allem Pompe der Majestät dem Volke zur Schau gestellt; und hierbei fuhr man fort, der Leiche zu den gewöhnlichen Stunden die Tafel zu bereiten und ihr aufzuwarten, als ob sie noch am Leben wäre. Bei dieser Todtentafel ward nicht unterlassen, vor und nach Tische zu beten, und dieses Gebet mußte ein Kardinal oder andrer Prälat verrichten.

Quelle:
[Anonym]: Sitten, Gebräuche und Narrheiten alter und neuer Zeit. Berlin 1806, S. 346.
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