Die Kleidung eines Landmädchens.

[10] Bei der Arbeit auf dem Lande ist eine besonders zweckmäßige Kleidung nötig. Es ist eine große Torheit, wenn Mädchen glauben, sich [10] aus Gründen der Mode so kleiden zu können, wie ein Mädchen, das in der Stadt lebt. Wie töricht auch dort oft die, Kleidung übertrieben wird, soll hier nicht weiter erwähnt werden. Aber in der frischen, gesunden Landarbeit, wv man sich rasch bewegen muß, die oft auch staubt, sind lange Röcke, Schuhe mit hohen Hacken, Hüte mit bunten Blumen und weiße Blusen ganz unangebracht. Bis jetzt haben sich Mädchen auch nur lächerlich gemacht, die in solchem Anzuge in den Stall, zur Erntearbeit oder gar zum Kartoffelbuddeln gehen wollten. Auf dem Lande, wv fast jeder den andern kennt, fehlt es solchen putzsüchtigen Mädchen gegenüber auch nicht an Spott und Schimpf. Ein kurzer Waschrock, derbe Schuhe oder Pantoffeln, ein helles Tuch um den Kopf, das vor der grellen Sonne schützt, sind nicht nur ein praktischer, sondern die Mädchen auch außerordentlich gut kleidender Anzug.

Sehr zu bedauern ist es, daß Mädchen in Gegenden, wo bis setzt noch Tracht getragen wurde, anfangen, sich dieser zu schämen. Die dörfliche Tracht mit ihren soliden, haltbaren Stoffen, in ihrer praktischen Machart und ihren hübschen Farben ist zu aller Landarbeit am besten geeignet. Das haben unsere Vorfahren, die treu zu ihrer Tracht hielten, am besten erkannt. Keine städtische Tracht ist so dauerhaft, keine ist auch so kleidsam wie die Tracht des Landmanns. Wüßte manches junge Mädchen, welchen Wert die dörfliche Tracht hat, die Stadtmädchen ihr vielleicht verspotten wollen, so wurde sie sie nicht so leichten Herzens aufgeben.

Wohnst du, meine liebe Leserin, die dieses Büchlein gerade in der Hand hat, vielleicht auch in einer der Gegenden unseres deutschen Vaterlandes, wo man in den Dörfern erfreulicherweise nach Tracht trägt, und begegnet es dir, daß törichte Menschen dir raten wollen, dich modern wie die Stadtleute zu kleiden, so zeige ihnen einmal, was rechter Bauernstolz ist. Sage ihnen das Sprüchlein unserer Vorfahren:


Selbst gewebt und selbst gemacht,

Rein dabei, ist Bauerntracht.


Du hast ein Recht, stolz aus deine Tracht zu sein, die sich seit Jahrhunderten in deiner Familie und deinem Dorfe fortgeerbt hat. Sie ist etwas ganz Besonderes. Es ist ein Kleid, das nicht hunderttausend andere Menschen ebenso tragen. Ehrenfeste Leute haben sie getragen, die auf dem eigenen Grund und Boden aufwuchsen, die mit Mühe und Schweiß diese Heimatscholle bebauten und sie in Treue vererbten auf Kinder und Kindeskinder. Sage den oberflächlichen Ratgebern, daß Fürsten, Künstler und hochgelehrte Leute sich mühen, diese deutsche dörfliche Tracht zu erhalten. Glaube mir, daß manches vornehme Fräulein, mancher weitgereiste Mann, es sich etwas kosten lassen, solche echte Tracht zu erwerben, um sie auch bei Festen tragen zu können. Lasse dich nicht überreden, das dauerhafte Leinen, das gute, selbstgewebte Tuch, den Schmuck und Zierrat deiner Tracht, einzutauschen gegen den leichten Flitterkram eines städtischen Anzuges. Wer wie du viel in Wind und Sonne draußen arbeitet, wird bald erfahren, wie vergänglich die leichten Zeuge aus der Stadt sind und wie ärmlich und abgetragen du bald darin aussehen wirst.

Damit soll nicht gesagt sein, daß an deiner dörflichen Tracht nicht auch noch das eine oder andere zu verbessern wäre. Manche Kleiderröcke der Frauen sind zum Beispiel sehr schwer. Sie ließen sich wohl leichter und zum Tragen bequemer verändern. Neuerungen zum Praktischen brauchen aber die ganze Tracht nicht aufzuheben.

[11] Auch in Gegenden des Landes, wo jetzt keine Tracht mehr getragen wird, haben in neuerer Zeit die jungen Landmädchen viele Freude daran gehabt, wenigstens zu dörflichen Festen, wie zum Beispiel dem Erntefeste, wieder die hübsche bäuerliche Tracht sich anzufertigen und zu tragen, wie sie früher in der Gegend üblich war. Das ist besonders in solchen Gegenden der Fall, wo die Landleute mit ihrer Gutsherrschaft, dem Pfarrherrn und Lehrer auch sonst ihre Liebe zur Heimat zeigen, indem sie allerlei Begebenheiten, die sich in Kriegs- und Friedenszeiten in der Gegend zugetragen haben, im dörflichen Theaterspiel wieder aufleben ließen. Dazu konnten dann die jungen Mädchen auch diese Tracht gut verwenden.

Hier soll aber besonders von der Arbeitstracht die Rede sein. Sie sollte immer aus waschbarem Zeuge bestehen, aus Nessel) Blaudruck), der sehr haltbar ist, aus Kattun, dunklem Gingan oder Parchend. Alle diese Stoffe lassen sich, wenn auch in der Draußenarbeit sehr beschmutzt, durch Waschen gründlich säubern. Parchend ist zudem ein warmer Stoff, der auch im Winter getragen werden kann. Bei Kälte soll ein Mädchen lieber wärmeres Unterzeug tragen, das Oberzeug aber nicht aus Wollenstoff bei der Arbeit wählen, weil es dem Beschmutzen zu sehr ausgesetzt ist und sich selten waschen läßt.

Die wollenen Sonntagskleider, die aufgetragen werden sollen, werden am Nachmittag angezogen, wenn Wirtschaft und Ställe beschickt sind. Es ist immer gut, dann den Rock etwas kürzer zu machen, Ausputz, der vielleicht schon schadhaft wird, zu entfernen, sobald das Kleid für den Werktag dienen soll. Allerlei Hantierungen bleiben auch für ein Mädchen am Nachmittag und Abend nicht aus. Ein fußfreier Rock ist da praktisch, kann leicht umgeschlagen werden oder durch eine große Schürze geschützt. An überflüssigem, losem Besatz aber – der eigentlich auch am Sonntagskleide sich nicht für ein ehrbares Mädchen schickt – bleibt man leicht bei der Arbeit hängen. Sowohl das Mädchen selbst, als auch Geräte, die es trägt, können dann leicht Schaden nehmen.

Quelle:
Bartz (Friedenau), Marie Luise: Willst genau du wissen, was sich schickt? Potsdam 1912, S. 10-12.
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