Das Spiel im geselligen Kreis.

[100] Auf unseren Tanz- und Ballfestlichkeiten sind gewöhnlich für die, die sich am Tanzen nicht beteiligen, zunächst also für die älteren Herren, in einem Nebenraum einige Spieltische zurecht gemacht.

Was bei solchen Gelegenheiten gespielt zu werden pflegt, braucht hier nicht erörtert zu werden. Einzige Bedingung ist, daß jeder Teilnehmer am Spiel, seien es nun Karten- oder Brettspiele, sich bemüht, möglichst wenig Fehler zu machen, zumal wenn mehrere Spieler als Parteien einander gegenüberstehen. Im Spiel hört jede Rücksicht auf; da gilt als erster Grundsatz: der Gegner muß mit allen erlaubten Mitteln geschlagen, die Partie muß gewonnen werden. Ein jeder sei also vorsichtig und lasse sich nicht verleiten, an Spielen teilzunehmen, die er nicht beherrscht.

Aber auch als Zuschauer darf man sich den Spielern nur nahen, wenn man sie genauer kennt, denn nicht jedermann ist es lieb, sich beobachtet zu wissen. Ganz und gar unstatthaft ist es aber, als Zuschauer sich ins Spiel zu mischen, seinen Rat zu erteilen; denn wenn letzteres auch vielleicht dem recht wäre, dem wir raten, so verletzen wir den anderen[100] Mitspieler und der ungebetene Ratgeber müßte da eine Zurückweisung seiner Einmischung ruhig hinnehmen.

»Vom Rathaus kommt man immer klüger!« sagt ein altes Sprichwort. Wenn also die Spieler nach Beendigung des Spiels einander Fehler vorwerfen oder sich untereinander klar machen wollen, weshalb das beendete Spiel sich so entwickelte, wie es eben der Fall war, so hüte sich ein jeder vor allzugroßer Leidenschaftlichkeit, weil aus solchen ›leeren‹ Streitereien gar oft schon unangenehme Szenen, selbst tiefergehende Zwistigkeiten entstanden sind. Man nehme deshalb um des Friedens willen lieber einen ungerechten Vorwurf hin, als daß man seinen reizbaren, streitsüchtigen Gegner zu belehren versucht; das gelingt in den allerseltensten Fällen!

Überdies hinterläßt ein an einem Spieltisch losbrechendes Wortgefecht bei den übrigen Anwesenden nie einen guten Eindruck.

Quelle:
Berger, Otto: Der gute Ton. Reutlingen [1895], S. 100-101.
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