Anno 1712
§ 117 [d.i. 116]

[278] Da ich nun jetzt beschreiben soll, wie es mir im Predigt-Amte ergangen, und was ich in demselben vor Fata gehabt, so kommt mir der Prediger-Stand vor beinahe wie der Ehestand, von welchem einer ausgerufen: Ach wie wohl, und wehe wird manchem in der Ehe! Mir ist es auch wohl, und übel im Predigt-Amte ergangen; ich habe viel Angenehmes, und auch viel Unangenehmes erfahren müssen. Ich werde also erst das Wohl, und das Angenehme, darnach aber auch das viele Bittere und Unangenehme, so ich in solchem dulden und schmecken müssen, beschreiben[278] und erzählen. Unter das Wohl und Angenehme gehöret der Beifall und die Liebe, so ich bei meinen Zuhörern Anfangs gleich gefunden, und denn auch die Erbauung, welche durch mein Predigen verursachet worden, und davon ich zulängliche Merkmale gesehen. Zu dem Unangenehmen gehöret einmal alles dasjenige, wodurch sowohl die Liebe, und das Vertrauen der Zuhörer gegen mich, als auch die Erbauung derselben gehindert und geschwächt worden, woran teils andere Menschen, und meine eigene Zuhörer, teils auch auf gewisse Maßen ich selbst wegen Mangel nötiger Klugheit und Vorsichtigkeit Schuld gehabt. Das Unangenehmste und Bitterste, was ich in meinem Amte schmecken müssen, sind endlich sowohl meine Leibes- als auch gar sonders meine große Gemüts-Krankheiten, und schwere Anfechtungen, die mir zwar auch manche Hindernisse bei Verwaltung meines Amtes verursachet, die aber auch wohl manchmal mögen zufälliger Weise gemacht haben, daß meine Predigten diesem, und jenem vielmehr zu Herzen gegangen, und viel Gutes gewürket. Denn auch Paulus der Apostel erkannte bei seinen, und der andern Aposteln Trübsalen Gottes Wege, und daß, wenn sie bei solchen Gottes Macht, und Güte kennen lernten, und kräftig dabei getröstet und aufgerichtet würden, sie auch hernach im Stande wären, andere zu trösten, die in allerlei Trübsal sind, mit dem Trost, damit sie von Gott wären getröstet worden.

Quelle:
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. München 1973, S. 278-279.
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