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[111] Mein Bruder würde vielleicht auf keiner andern Universität gewonnen haben, was ihm durch Heinrich Zschokke's Umgang und Liebe in Frankfurt a.d.O. zutheil wurde. Beide Jünglinge waren poetisch, geistvoll, feurig und beseelt. Ihre Treue hat sich bis in das Greisenalter glänzend bewährt. Nur ihre Laufbahn war verschieden, nicht ihr Gefühl, noch ihre Gesinnung. Mein Bruder hätte seinem Talent zur Poesie vertrauen sollen; er hielt sich nicht ausschließlich genug an Zschokke: er gerieth auf abirrende Bahnen, weil er sein Ziel aus den Augen verloren hatte.
Wie Hercules kommt jeder Jüngling zu dem Punkte hin, wo der Scheideweg vor ihm liegt; doch wenige haben die Kraft, die rechte Bahn zu ergreifen, nur allzu viele geben sich selbst auf. Vielleicht auch hätte den Strebenden keine andere Wahl als diejenige beglückt, zu der seine Neigung ihn hinrief.
Eines Nachmittags, wo wir am Fenster saßen, kamen zwei zierliche Reiter auf unser Haus zu, sie trugen Jäckchen[111] von Nanking mit blitzenden Silbertressen und himmelblauen Aufschlägen. Es war mein Bruder Heinrich, der mit einem seiner Freunde kam, um uns zu überraschen. Bier Wochen durfte er weilen. Karl August Girat, Heinrich's Freund, war sanft und wohlgesittet. Seine Gegenwart verursachte viel Freude. Heinrich gefiel sich in seinem Umgang, wie manche jungen Leute sich mit denen behaglich fühlen, von welchen sie wissen, daß sie unter ihnen stehen. Es ging meinem jüngsten Sohn auch so. Es ist gemächlich, doch es bringt keinen von beiden weiter.
Karl August Girat war schlank und wohl gebaut, sein Gesicht hatte stark von den Blattern gelitten; er blickte wohlwollend aus seinen zwei vielsagenden Augen; vor allem gefiel mir seine himmelblaue Reitjacke mit dem Schmuck der silbernen Tressen. Sein zierlicher Anstand und die Freundlichkeit, womit er sich mit mir beschäftigte, waren mir neu und entzückten mich. Er war das von seinen Schwestern zu Hause so gewöhnt. Meine Begeisterung für Girat stieg, als er uns von Frankfurt aus zwei Körbe Kirschen schickte, dabei einen Brief und hübsche Verse. Ich war stolz auf die Sendung, und fragte Mienchen Kühl: »Möchtest du nicht auch solche Briefe bekommen?« Sie antwortete ganz kalt darauf. Dies betrübte mich, doch zum Glück verletzte es mich nicht und ich verfiel auf ein gutes Zerstreuungsmittel. Der Geburtstag von Mienchen war nicht fern, er sollte gefeiert werden. Ich faßte den Gedanken zu einer theatralischen Aufführung. Meine Schauspielergesellschaft mußte ich mir nicht allein zusammensuchen, sondern sie auch einstudiren. Sie bestanden aus Mienchen Kühl und zwei Malerburschen ihres Vaters; zufällig waren es Norddeutsche, die erträglich deutsch sprachen. Eines von[112] Gellert's Schäferspielen wurde einstudirt und memorirt. Wir zwei Mädchen trugen weiße Reifröcke mit Rosenguirlanden, und grüne Kränze in den Haaren, die in ungepuderten Locken um unsere Schultern flatterten. Unsere zwei Schäfer hatten uns schöne Stäbe geschnitzt. Wir sagten unsere Verse mit Grazie her, unser Publikum war überaus mit uns zufrieden. Es bestand aus Herrn und Frau Kühl, einer pommerschen Cousine, einem sehr geschickten Schuhmachergesellen aus Kühl's Verwandtschaft, der alten wackern brandenburgischen Magd in der Landestracht mit großem Schwarzen Hute. Die Bühne war mit Büschen decorirt, und alles ging vortrefflich von statten. Wir hatten auch Schäferhunde mit rothen Halsbändern. Noch lange wurde von diesem Abend gesprochen; die Vorstellung mußte wiederholt werden, aber die Sache hatte ihre Neuheit verloren. Das Theaterpersonal gab sich mehr Mühe, und die Zuschauer waren lauer. Ich fing noch manches mit meinem Mienchen Kühl an, sie liebte mich und war gut geartet; hatte zwar wenig oder gar keine Ideen, aber viel natürlichen Verstand. Ich verlangte, sie möchte mit mir über verschiedene Gegenstände disputiren; es geschah im Garten. Wir vertheidigten jede unsere Meinung wegen der Trauer um geliebte Verwandte. Mienchen wollte die Trauer, ich verwarf sie. Niemand von uns beiden siegte. Mienchen behielt zwar Recht, weil Trauerkleidung eingeführt ist; aber den Kranz errang keine von uns beiden, obgleich wir Richter in der eigenen Sache waren. Ich erinnere mich noch, daß ich einmal wegen öffentlichen Hinrichtungen auftrat, zuweilen auch im Ernst eine Predigt hielt. Mienchen predigte gegen meinen Satz. Wie viel unsere Suada bei diesen Controversen gewonnen, weiß ich nicht.[113]
Verödet war das Haus seit der Großmutter Tode. In der schönen Jahreszeit erheiterten uns einige Landstreifereien. Wir wandelten, meine Mutter und ich, durch trostlosen Sand und halb nacktes Gestrüpp nach einem ärmlichen Dörfchen, Hennersdorf geheißen, zu unserer guten Milchfrau, die viele Kinder, ein kleines reinliches Haus und einen großen Gartenplatz hatte. Ein Bach schloß ihn ein, der an beiden Seiten mit Ulmen begrenzt war. Wir lagerten uns an seinem Ufer; meine Mutter las, oder flocht Kränze von der spärlichen Blumeneinfassung.
Der Cherub, der das Paradies verschlossen, hat den Kindern den Schlüssel gegeben. Mein Paradies war überall wo Bäume wuchsen, Feldblumen blühten und Schmetterlinge herumflogen. Die blaue Wassernymphe, der goldbraune Schillebolt, das getigerte Marienwürmchen gemahnten mich wie verzauberte Wesen, und erweckten in mir tausend phantastische Bilder, deren eigentlicher Sinn mir nie klar wurde; ich forschte auch nicht danach. Der unbewußte zarte, halbdurchsichtige Schleier, der über jeden geistigen Genuß des Kindes liegt, ist eben der Zauber des Kindheitsglücks.
Auch aus den Büchern, die ich gelesen habe, wogten und webten die Bilder um mich her. Die Odyssee und vor allem die Bibel gaben mir den meisten Stoff zu neuen Gestaltungen der Phantasie. Meine Mutter bezeichnete mir die Abschnitte in der Bibel, in welcher ich täglich einige Kapitel lesen durfte. Nur Sonntags nach der Kirche verstattete sie mir die übrige Zeit zum Lesen. Sie Pflegte zu sagen: »Lesen ist ein feiner Müßiggang!« und zürnte, wenn ich Werktags lesen wollte. Auch gestattete sie uns nicht oft, einen Tag in der Woche im Freien zuzubringen. Ich mußte Handarbeiten vornehmen: ich[114] that es als gutwilliges Kind, aber nicht gern. Auch unterließ sie auf zierliche und saubere Arbeiten für mich zu sinnen, sodaß ich an viele derselben mit Widerwillen ging. Ein Oberhemd für meinen Bruder nähte ich jedoch mit Lust und Geschicklichkeit. Bei allem, was ich vornahm, schwirrten die Bilder aus den Büchern, die ich gelesen, um mich herum, und ich lebte durchaus nicht in der wirklichen Welt. Das gewöhnliche Leben war mir nackt und dürr; ich ersehnte Menschen und Dinge, wie sie in meinen Büchern standen. Die Mutter hatte mir Goldschmidt's Geschichte der Römer gegeben; diese bot Nahrung für Geist und Phantasie. Raff's Naturgeschichte beseligte mich. Meine gute liebe Muhme Karoline von Wedelstedt brachte mir Farben und Malergeräth, die ihr Bruder Karl bei seiner Abreise zurückgelassen. Meine Mutter war froh über meine Freude, sie ließ mich gern mit den Farben schalten, ich ging damit um wie Könige mit ihren Unterthanen. Musterbilder besaß ich nicht, ich nahm Blumen vor, ich malte Medaillons, damit die Mutter ihre Gedichte hineinschriebe; glaubte auch, man könne sie verkaufen. Als etwa zwölf beisammen waren, ging meine Mutter zu Chodowiecki und nahm sie mit. Ich glaubte, der große Mann würde in Bewunderung darüber ausbrechen, allein sie kam beschämt und verdrießlich nach Hause, legte die Medaillons auf den Tisch und erzählte: Chodowiecki habe ein jedes vor sich hingelegt und gesagt: »und das ist das, und das ist das!« sonstiges sei aus ihm nicht herauszubringen gewesen. Ach, da lagen die Luftschlösser wie Scherben am Boden. Wir trösteten uns damit, daß Chodowiecki gesagt hatte, die Mutter solle ihm die Kleine bringen.
Er empfing mich freundlich, väterlich; sein Arbeitszimmer[115] entzückte mich auf den ersten Blick, es war mit Kunstwerken angefüllt, viele darunter von des Meisters Hand. Es war dabei ein Rahmen mit Emaillegemälde von sehr lebhafter Farbengebung: die Passionsgeschichte Jesu, die Ausführung im Rococostil. Schade, daß Chodowiecki sich nicht mehr dem Colorit zugewandt. Ich konnte mich schwer von diesen Bildern trennen, so herrlich war die Farbe. Mich fesselten sehr seine Oelgemälde im verjüngten Maßstabe, vor allem zwei, vorstellend die Witwe von Jean Calas, seine drei Töchter, seinen jüngsten Sohn, und die junge Magistratsperson, die diesen Unglücklichen das Schreiben der Freisprechung und Unschuldserklärung des Hingemordeten überreicht. Zwei schöne Pastellgemälde der Rosalba fesselten mich gleichfalls durch ihren Farbenzauber und ihre eigenthümliche Lieblichkeit. Chodowiecki gab mir Nasen und Ohren zu zeichnen, ich aber hätte gleich gern mit schönen Sachen angefangen. Die kamen so schlimm weg, daß der Meister Mitleid mit mir fühlte und mir auf mein Flehen Köpfchen gab, die auch nicht besser geriethen. An zwei regelmäßigen, aber kalten griechischen Profilen arbeitete ich mich fruchtlos halbtodt. Chodowiecki sah endlich wohl ein, daß keine Zeichnerin aus mir werden würde, und er ließ es sich gefallen, daß ich mehr an seine Bücherbreter als an das Reißbret ging. Er war auch überhaupt viel zu beschäftigt, um eine Schülerin anzunehmen; nur aus Liebe, zum Andenken meiner Großmutter, hatte er gestattet zu ihm kommen zu dürfen, und später Gefallen an meinem phantastischen Treiben gefunden. Ich traf bei ihm alle Bücher an, zu welchen er Kupfer gestochen hatte, dies gab ihm Anlaß mich zu belehren; denn von allem, was ich sah, verlangte ich Erklärung, die er mir gern gab. Nun war mir eine neue Welt aufgegangen.[116] Manche der Bücher Chodowiecki's, die nun vergessen sind, wirkten auf mein Gemüth, vorzüglich »Karl von Karlsberg«, im Schiller'schen Almanach unverdientermaßen heruntergemacht. Wer jetzt einen »Karl von Karlsberg« schriebe, würde in drei Bänden nicht Raum finden; leider haben die in diesem Werke enthaltenen Rügen noch nicht gefruchtet, die damaligen Uebelstände sind noch alle da. Mit unbeschreiblicher Freude las ich Hippel's »Lebensläufe in aufsteigender Linie«, dieses Buch hat mächtig in mir gewirkt. Ein Roman »Karl Ferdiner« machte so tiefen Eindruck auf mich, daß ich kein Schnürleib anlegen wollte; es war überhaupt ein sanitätisches Buch in Gestalt eines Romans. Von der Menge der Büchersammlung des Chodowiecki sind mir nur diese im Gedächtniß geblieben. Außerdem nenne ich nur noch Jean Paul's »Unsichtbare Loge«. Als ich sie gelesen, und wieder gelesen hatte, wollte ich mit einem mal schreiben, natürlich ganz so wie Jean Paul, dies dünkte mir ein Leichtes. Ich habe das alles verbrannt; doch der Funke hatte gezündet.
Meine Mutter glaubte, sie müsse mich meinen eigenen Gang ungehindert gehen lassen; sie freute sich, daß ich schrieb, und erzählte mir viel Geschehenes, um mich dahin zu bringen, mir einen Stoff auszuwählen; da gefiel mir nun nichts so gut als eine Geschichte, die ich sogleich bearbeiten wollte; sie sollte heißen: »Der Türke aus Liebe.« Ein Jüngling, dessen Geliebte eine böse Stiefmutter hatte, welche seine Heirath hinderte, gelangte endlich an das Ziel seiner Mühen, er wurde im Staatsdienst angestellt, und eilte nun in das Landschloß, das seine Braut bewohnte. Er fand sie im Sarge – eilte fort, und erst nach vielen Jahren erfuhr man, daß er nach der Türkei gegangen und sich zu einem hohen Posten dort emporgeschwungen habe. Ich sah in der ganzen[117] Geschichte nur den Turban und den Kaftan, und arbeitete frisch darauf los; ich hätte vielleicht dies Werk nicht verbrennen sollen.
Ich hatte das vierzehnte Jahr erlangt; in den Augen meiner Mutter war ich ein Meisterwerk der Schöpfung; sie schien nur zu leben, um mich zu bewundern, zuweilen aber tadelte sie mich auch unverdient. Prediger Troschel, der mein religiöses Gefühl zu wecken gewußt hatte, sprach so belehrend und überzeugend mit mir, daß ich aus seinen Lehrstunden glühend nach Hause kam, und nun sogleich den Strom meiner Begeisterung in das Mutterherz ergießen wollte; doch sie blieb kalt dabei, sie war rationalistisch. Einmal, weil sie in ihrer Pensionsanstalt in den Handlungen der Vorgesetzten und Lehrer eine große Verschiedenheit mit ihren Worten gefunden; sodann, weil ihr Freund B.B. Rationalist war, und endlich, weil die Richtung der Gemüther in jener Zeit zum Unglauben neigte.
O wenn die, welche auf ein kindliches Gemüth wie Hagelschlag auf eine Blumenflur wirken, an die Folgen dächten, sie würden nicht fähig sein, diesen moralischen Mord zu begehen!
Trotz den verschiedenen schädlichen Eindrücken, die ich empfing, wollte ich bei meiner Einsegnung und ersten Communion in Thränen zerfließen; allein daneben spielte auch die Eitelkeit ihr gefährlich Spiel. Mein einfaches Kleid dünkte mich ein Staat, die Glasperlen um Hals und Nacken waren mir königlicher Schmuck. Mein von Thränen überschwemmtes Angesicht schien mir im himmlischen Glanze zu leuchten.
»O«, dachte ich, »wenn mich die ganze Welt so sehen könnte, wie würde mich alles bewundern!« und ich erstaunte, daß ich von den Sitzen der anwesenden Zuhörer[118] keinen besondern Eindruck wahrnahm. Doch ich ließ diese Bemerkung auf sich beruhen, und verließ die Kirche nicht minder entzückt von meiner Person, als ich sie betreten hatte.
Prediger Troschel hatte uns allen empfohlen, weder nach der Einsegnung noch nach der Communion spazieren zu fahren. Wir gehorchten ihm, und mancher gute Eindruck erhob sich in der Einsamkeit wieder in unsern Gemüthern.
Meine Mutter hatte nicht nach geistreichem Umgang gestrebt, sodaß, ich weiß nicht wie, die Einbildung in mir rege geworden war, die geistvollen Menschen wären alle todt. Ich hatte »Karl Pilger, Roman meines Lebens« gelesen. Der Verfasser befand sich in einer Gesellschaft, die unten im Hause gegeben wurde. Die Dame vom Hause stellte meiner Mutter einen jungen Mann von lebhaftem Wesen und angenehmen Aeußern vor; sie nannte ihn Karl Spazier, Verfasser des Werks »Karl Pilger, Roman meines Lebens«. Ich hatte dies Werk mit großem Vergnügen gelesen, wendete mich zu ihm hin, und rief aus: »Wie, Sie haben den Karl Pilger geschrieben? Wie sind sie denn noch am Leben?« Er stutzte, und fragte um Erläuterung dieses Wortes. Ich erwiderte: »Ach, die Leute, die schöne Werke geschrieben haben, sind ja schon lange todt!« Er lächelte, und unterhielt sich lange mit meiner Mutter und mir. Sie wich seinen Aeußerungen aus, welche seine Besuche einleiten sollten. Sie hatte nach dem Tode der Karschin allen männlichen Bekannten den Abschied gegeben.
Etwa einige Wochen später bat uns das Rüffling'sche Ehepaar, unser Hauswirth und seine Gattin, zu sich. Ich ging mit meinem gewöhnlichen Widerwillen vor Gesellschaften hinunter. Einige Augenblicke nach unserer Ankunft wurde Fräulein Adelheid von Gerlach angemeldet,[119] und es trat eine junge Schönheit herein, deren Glanz alles um sich her überstrahlte. Ich konnte vor Ueberraschung nicht sprechen. Außer der Königin Luise hatte ich nie solche Schönheit gesehen. Blick, Stimme und Wesen dieser entzückenden Erscheinung war im Einklang mit der Herrlichkeit ihrer Gestalt. Jeder ihrer Ausdrücke, den sie sprach, war sinnvoll und beseelt. Ich fühlte, aber ohne Neid, wie hoch sie über mir stehe. Ohne es nur zu wissen, war ich an jenem Abend unbedeutender als gewöhnlich; ich merkte es nicht, ich gehörte ganz der Freude an der engelgleichen Erscheinung. Es verging lange Zeit, ehe ich sie wieder antraf, doch blieb mein Gemüth von ihr erfüllt. Adelheid war vierzehn Monate jünger als ich, und einen halben Kopf größer. Wenn wir nicht beisammen waren, glaubte man eine Aehnlichkeit zwischen uns zu entdecken; wenn wir nebeneinander standen, verschwand diese Aehnlichkeit. Die innere Verschiedenheit zwischen uns war so groß wie die äußere, ich sah sie damals nicht ein. Adelheid's liebreiche Güte stellte mich ihr gleich. Ihre Nachsicht täuschte mich. Vielleicht glaubte ich mich wegen meiner schon aufkeimenden Dichtergabe ausgezeichneter als sie selbst.
Ich bemühte mich zu der Zeit, Blumen zu malen; dies war eine bunte Arbeit, die mir leichter zu werden schien als die bei Chodowiecki. Völker, ein damals renommirter Meister, den meine Zuversicht gerührt und zugleich belustigt haben mag, brachte mir gemalte Feldblumensträuße von seiner Hand, sie waren nach der Natur anspruchslos componirt, einfach gefärbt; sie gefielen mir außerordentlich, und ich bestrebte mich nicht ohne Glück sie nachzumalen. Adelheid bat sich eins davon aus, um es der Frau von Genlis zu zeigen, die bekanntlich selbst sehr artig malte. Am andern Vormittag trat Adelheid[120] in mein Zimmer, wangeglühend wie die schönste Rose, mit freudeblitzenden Augen und hochklopfendem Herzen. Sie legte das Blumenstück nieder, indem sie ein Blatt Papier noch in der Hand behielt; mir klang es wie Engeltöne von ihren Lippen: »Ich bringe Ihnen Verse von der Frau von Genlis!« Sie zeigte und las mir diese Verse, sie hießen auf Deutsch:
Die Natur, die große
Blumenmalerin,
Hatte dich auf ihrem Schose.
»Kindchen«, sagte sie, »nimm hin!«
Und sie gab dir mit dem Sagen
Farb' und Pinsel in die Hand.
»Male!« sprach sie, und du maltest
Blumen fast so schön wie sie.
Sie hatte die Natur zur Meisterin, und als sie diese Blumen schuf, trotz des Winters und seiner Härte, war es der Frühling, der sie entsprießen ließ. Dies Blatt war aus der Büchse der Pandora, konnte ich es ahnen? Konnte es das himmlische Wesen ahnen, welche die Schöpferin meiner Freude war? Sie hatte es so schön gemeint. Die Blüte ihrer Liebe trug dürftige Früchte für meine ganze Zukunft. –
Andern Tags schon führte sie mich, um mich für die Verse zu bedanken, zu Frau von Genlis, an der jene damals sehr innig hing; was braucht es mehr für ein junges reines Herz, als Talent und Misgeschick, um es zu besiegen?
Frau von Genlis war zu jener Zeit des Argwohns, wo alle Nasen Demagogen witterten, über die Grenze gebracht worden. Sie zählte damals 52 Jahre, und war nicht in revolutionären Absichten nach Berlin gekommen.[121]
Der bekannte Leuchsenring, geistvoll, kenntnißreich, in früherer Zeit vor Ausbruch der Revolution Freund aller geistbegabten Männer jener Tage, vom Sturm der Schreckenszeit nach Deutschland verschlagen, war nach Berlin gekommen, in die geistvollsten Kreise eingeführt, und mehr darauf bedacht, sich einen neuen Rock zu kaufen, als Preußen aufzuwiegeln; er suchte eine Hofmeisterstelle. Auch dieser wurde aus dem Königreiche verwiesen. Er trug die glühendste Leidenschaft für Rahel, die wegen ihrer Kleinheit die kleine Levi hieß, im Herzen. Rahel er fuhr es nie. Ein anderes Wesen lebte in den Kreisen, wo Leuchsenring aufgenommen war. Sechzehnjährig, engelschön, geistreich, von unbeflecktem Ruf, in einer hohen Stellung, geschätzt und geliebt von allen, die sie kannten, ihrer Gebieterin unaussprechlich theuer. Diese schwärmte für Leuchsenring, indeß dieser, dessen Haupt schon der Schnee des Alters bekränzte, sich in hoffnungsloser Leidenschaft für Rahel verzehrte.
Der zermalmende Beschluß der Verbannung war schon über Leuchsenring verhängt, ohne daß er es wußte. Elise von Bielefeld, die junge Schönheit, der wir eben erwähnten, erfuhr davon. Urplötzlich wähnte sie ihn zu lieben, glaubte sich ihm aufopfern zu müssen. Sie fuhr nach seiner Wohnung, trat in ein ärmliches Dachzimmer, und redete den Ueberraschten mit folgenden Worten an:
»Leuchsenring, Sie müssen sich auf der Stelle reisefertig machen. Der Grund: morgen werden Sie mit Gensdarmenbegleitung weggeführt.« – »Warum?« – »Sie sind verbannt! Man hält sie für ein Werkzeug der Jakobiner.« – »Ich bin unschuldig!« – »Leuchsenring, ich weiß es! Ein Geist wie Sie, ein so erhabenes Gemüth! Sie Ränke? Umtriebe? Sie den Frieden eines Landes stören,[122] welches Sie gastlich aufgenommen? Nimmermehr!« Leuchsenring ergriff Elisens dargebotene Hand, und küßte sie. »Ja, Liebenswürdige! Sie beurtheilen mich richtig; ich danke Ihnen für meine Rettung, doch Ihr edler Versuch ist ein vergeblicher, ich kann nicht fort. Im Gefängnisse ist Brot! Ich habe keins. Ueberlassen Sie mich meinem Schicksal.« – »Ihr Schicksal ist das meinige, Leuchsenring! Welch eine Bestimmung, Ihre Sorgen zu stillen, Ihren Weg zur Größe zu bahnen! Welch eine Bestimmung, die Erleuchtung, die Beglückung der Welt durch Ihre Weisheit, durch Ihr Herz, das für die Menschheit glüht, zu befördern, indem ich Sie aller irdischen Sorgen enthebe, und in Stand setze, sich ganz Ihren großen Lebenszwecken zu widmen!« Leuchsenring fing in diesem Augenblick Feuer. Rahel's Glanz erblich vor dem Glanz Elisens. Mit bebender Stimme sprach er: »Elise, noch habe ich die Kraft Ihnen zu sagen: Eilen Sie fort! In wenigen Augenblicken wird auch diese entschwinden. Vergessen Sie mich! Auch ohne Ihr Opfer werde ich den Zweck meines Lebens erreichen, mein großes Werk vollenden. Nie wurde ein ähnliches entworfen. Es wird die Zukunft der Menschheit gestalten, das Glück Europas feststellen.« Elise rief aus: »Wie, Sie verwerfen mein Opfer, mich selbst?« – »Meine Pflicht gebietet es. Vor allem bedarf ein Weltbesserer der Tugend!« – »O!« rief Elise, »Sie verstehen nicht mein Herz! Nicht Ihre Gattin, nicht Ihre Geliebte will ich sein: Ihre Schwester, Ihr guter Genius!« Ein flüchtiges Lächeln glitt über Leuchsenring's Lippen. »Vergessen Sie nicht«, sagte er mit bedeutungsvollem Ton, »daß Sie zu mir gekommen sind und mir einen Himmel erschlossen haben! Ich habe zu Ihnen hingeblickt wie zu einem schönen Stern. Jetzt blüht eine Rose vor mir; ich[123] werde die verwegene Hand nicht nach ihr ausstrecken, aber der Taumel meiner Gefühle wird mich unwillkürlich hinreißen sie zu pflücken!«
Elise hatte mit Besonnenheit alles zur Flucht vorbereitet. Leuchsenring stand in der Nähe der bestimmten Postchaise auf der Stechbahn, die im damals so stillen Berlin menschenleer war. Vor Elisen stand der schwere Augenblick des Scheidens von ihrer Gebieterin, deren sanfte Augen mit Liebe an ihrem Antlitz hingen. Sie sah eine Thräne auf Elisens Wange funkeln: »Meine Elise, warum heute so traurig, so still und so betrübt, haben Sie schlimme Nachricht von Konstantinopel? Fühlt sich Ihr Bruder dort unglücklich?« Elise unterdrückte einen mühsamen Schrei; noch bisjetzt hatte sie an ihren vortrefflichen Bruder nicht gedacht, und an den Schmerz, den ihre Flucht in ihm erregen würde. Sie antwortete der Prinzessin ausweichend: Mein Bruder hat mir eine sehr traurige Geschichte mitgetheilt; es ist folgende:
»Ein Landsmann hatte eine schöne Sklavin gesehen, deren Reiz ihn gerührt; er begegnete ihr einigemal auf seinem gewöhnlichen Spaziergang, von andern Sklavinnen begleitet. Er redete sie auf Türkisch an; bebend und glühend gab sie ihm Antwort. In süßer Selbstvergessenheit wandelten beide unter den Palmen am Ufer, trennten sich aber, sobald sie den Aufseher mit den übrigen Sklavinnen herannahen sahen. Andern Tags, als unser Landsmann den gewöhnlichen Weg nach seinem Spaziergang wieder einschlug, war das Ufer ungewöhnlich menschenleer, und er sah schon von fern eine schlanke weiße Frauengestalt unter den Palmen liegen. Eine seidene Schnur um den Hals und ihr bleiches Antlitz verkündeten, daß sie erdrosselt sei. Es war das Mädchen seiner Gedanken, das unglückliche Opfer der[124] Tyrannei. –« Auguste seufzte: »Ach, wenn doch die von der Welt verschwände!« – »Sie wird's!« rief Elise mit flammendem Blick. Sie gedachte Leuchsenring's und der bessern Zukunft, die er der Welt bereiten wollte. Die tiefe Wehmuth des Scheidens ging bei diesen Vorstellungen unter. Sie enteilte – und in wenigen Minuten entführten sie und Leuchsenring vier muthige Postpferde auf dem Weg nach Frankreich. Gold und Juwelen, die sie besaß, hatte sie mitgenommen.
Berlin war von dieser Begebenheit ganz erfüllt. Man glaubte zu träumen, als man sie hörte. Elise wurde allgemein bedauert. Keine Silbe des Tadels oder des Hohns ward laut über ihre That.
Die Verbannung der Frau von Genlis fand Beurtheilungen verschiedener Art. Sie hatte Werke ergötzlicher und nützlicher Art geschrieben, war alt und kränklich und stand, vom vormaligen Glanz des Daseins entblößt, ganz allein in der Welt. Das Mitleid der Berliner wurde rege. Von mehreren Seiten wurde der gutherzige Friedrich Wilhelm II. bestürmt, die Genlis zurückzurufen. Er that es, und diese Handlung fand allgemeinen Beifall.
Nicht lange nach ihrer Zurückberufung lernte ich Frau von Genlis kennen. Ihre Erscheinung hatten die Jahre noch nicht ganz von ihrer ehemaligen Lieblichkeit und Anmuth entkleidet. Ihre Züge waren scharf, aber fein und regelmäßig, ihre schwarzen Augen feurig und ausdrucksvoll; ihr abgewelkter Mund hatte nicht ganz sein geistvolles Lächeln verloren, ihrer geschmeidigen Gestalt fehlte nicht die zierliche Haltung, welche sie stets behauptet, noch ihrem Gange seine leichte Beweglichkeit. Auch ihr Organ war noch jugendlich. Sie trug ihr Haar mit etwas Puder, vielleicht um die einzelnen weißen Haare darin zu verbergen, stufenweis um die Stirn[125] verschnitten, um den Nacken herliegend. Damals waren für Damen die weißen Halsbinden Mode; sie standen ihr sehr gut. Ich finde diese Tracht überhaupt vortheilhaft für das Alter. Ihr Anzug war einfach und bescheiden; die feine weiße blaugeäderte Hand und ihr zarter zierlicher Fuß boten dem Alter Trotz. Sie besaß eine Kunst sich angenehm zu machen, wie man selten findet; sie sah aus wie Natur, und sie täuschte die meisten Menschen damit; aber sie scheute diese auch, weil sie selbst fühlen mochte, wie sehr ihre Maske ihr auf dem Gesicht brannte. Junge Personen sah sie am liebsten. Sie empfing mich mit aller Lieblichkeit, die sie ihrem Wesen zu geben vermochte, und erhob mich in meinen Augen auf eine schwindelnde Höhe. Was meine Mutter durch Treuherzigkeit an mir verdorben hatte, war nichts dagegen. Das Gift der Schmeichelei der Frau von Genlis war viel feiner, viel wirksamer. Nicht um sie herabzuwürdigen sage ich dies alles; sie hatte alle die schönen und großen Eigenschaften, welche ich wol sonst in meinen Schriften gepriesen habe. Der Himmel hatte sie reichlich beschenkt, aber die Hölle hatte sie nicht vergessen. Ich weiß nicht, wodurch Adelheid sie verletzt hatte, sie suchte unaufhörlich dieselbe zu verkleinern. Auch dies herrliche Geschöpf wurde kalt gegen sie; die Ursache hat sie mir nie gesagt, es konnte aber keine unerhebliche sein, denn Adelheid war treu!
Frau von Genlis lebte in der verdienstvollen Pensionsanstalt der Demoiselle Boquet, deren Schwägerin ihr unaussprechlich ergeben war. Dieser Seele voll Liebe erging es wie allen, die hier auf Erden nie heimisch werden, weil sie an die Menschen im allgemeinen Anforderungen machen, die nur die Edelsten und Besten erfüllen können, und überall den Maßstab anlegen, der für ihr Inneres paßt. Madame Boquet besaß einen[126] vortrefflichen Gatten und eine liebliche Tochter, ihr einziges Kind. Ihre Zartheit und die Ueberspannung ihrer Begriffe von Liebe und Freundschaft waren nicht in Uebereinstimmung mit dem Wesen ihres Mannes, der nach nackter Wahrheit strebte und die Tiefe der Empfindung seiner Gattin für Empfindelei hielt, von der er sie heilen wollte. Seine Schwester, ein edles Geschöpf, durch und durch rechtlich und wahr, gerieth vermöge der Verschiedenheit ihres Wesens von dem der Frau von Genlis in Uneinigkeit mit ihr. Sie trennten sich, nicht ohne vorhergehende Scenen voll Bitterkeit. Frau von Genlis bezog einige Zimmer in der Wohnung eines geschickten Schneidermeisters, Namens Bäcker. Hier besuchten sie mehrere Damen und Herren, welche sich im Französischen ausbilden wollten; unter diesen befand sich L. Lombard, der sich für seine diplomatische Carrière besser auszubilden gedachte, wenn er zu einer solchen Lehrmeisterin seine Zuflucht nähme. Eine der Zuhörerinnen der Genlis, Madame Cohen, kann ich nicht ganz mit Schweigen übergehen, weil sie eine der gütevollsten und gebildetsten Berlinerinnen war. Sie wußte die Menschenscheu der Genlis zu überwinden, zog sie in ihre Kreise und zuletzt in ihr Haus. Die Abende verflogen bei Musik und Schauspiel. Frau von Genlis war die geschickteste Schauspielerin, die man sehen konnte, und so jugendlich in Gestalt und Bewegungen, daß man hätte meinen sollen, sie habe dreißig Jahre ihres Lebens einstweilen hinter den Coulissen niedergelegt, wenn sie auftrat. Ihre Augen trugen mächtig zu dieser Verjüngung bei, sie überstrahlten die ganze Scene. Die Stücke, welche man aufführte, bestanden nur aus wenigen Personen. Einige waren von ihr selbst zu einer andern Zeit geschrieben, im Orleans'schen Palaste aufgeführt. Es möge hierbei daran erinnert sein, daß die Orleans'sche[127] Partei, die geistreiche und bedeutende Männer unter sich zählte, bei jenen Vorstellungen im Palaste Orleans zugegen war. Dort wurde die Revolution eingeleitet. Im Parterre wurde nicht minder wie auf den Bühnenbretern ein Schauspiel aufgeführt. Die thätigsten und wichtigsten Schauspieler suchten unbemerkt zu bleiben, ihre Plane glückten, und bald sollte ein blutiges Trauerspiel, das noch heute fortspielt, den heitern sinnigen Scenen auf jener Bühne nachfolgen. Entsetzlicher Tausch! verderbend für die Mitspielenden selbst und für die übrige Welt!
Vor einem andern Publikum spielte Frau von Genlis 1801, bei Madame Cohen. Friede schien die Welt zu beseligen, Gewitterstille galt für heitere Witterung, die bunten Wölkchen am Horizont schienen keinen Sturm zu verkünden. Frankreich hatte mehrere seiner gewandten geistvollen Söhne nach Berlin entsendet, man fand sie in allen glänzenden Cirkeln, sie hatten in allen gebildeten Kreisen Zutritt, während die jungen Spanier von der Gesandtschaft mit ihnen in Liebenswürdigkeit wetteiferten und sowie die Franzosen auch jene Kreise besuchten, die nicht probehaltig waren und wo sie sich vielleicht am besten gefielen. Von Politik war nirgends die Rede, sie schien zu schlummern und kaum zu träumen – doch sie wachte. Ihr Blumenteppich barg giftige Schlangen, ihr Lächeln Tücke.
Ich bin in meiner Erzählung den Begebenheiten vorausgeeilt, die mich selbst betreffen. Ich lebte schon seit 1799 in den Fesseln einer höchst unglücklichen Ehe. Meine Mutter hatte es gern gesehen, daß ich einen Gatten gewählt hatte, dessen Stand und Alter mir in ihm eine väterliche Leitung zu versprechen schien. Er war zwölf Jahre älter als ich, besaß ein kleines Vermögen,[128] welches er als ein großes vorspiegelte, und wußte meine gute Mutter zu bewegen, die fehlende Summe zu den jährlichen 600 Thalern Einnahme, welche eine neue Verfügung Friedrich Wilhelm's III. zur Verbindung mit einem Subalternoffizier erheischte, durch eine Verschreibung von 150 Thalern jährlich zu decken. Auch unser Haus ließ sich Baron Hastfer verschreiben. Mein guter Bruder sendete auf meiner Mutter Bitte eine Quittung für die 4000 Thaler ein, die er noch auf dem Hause stehen hatte. Die ganze Verhandlung über diesen Gegenstand hatte meine Mutter übernommen. Nicht eine Zeile von Baron Hastfer's Hand bezeugte, daß dies Kapital unbezahlt war, da Hingegen die gerichtliche Quittung in guter Form Baron Hastfer vor jeder Forderung meines Bruders schützte. Meine Mutter und ich waren ruhig darüber. Hastfer hatte versprochen, nach unserer Verheirathung meines Bruders Kapital sogleich wieder als Hypothek auf das Haus einschreiben zu lassen. Bei der Verzögerung, zu welcher Hastfer Vorwände genug zu erdichten wußte, war meinem Bruder nicht ganz wohl zu Muthe. Eine geraume Zeit nach meiner Heirath hatte er noch keine Zeile von seinem Schwager über diesen Gegenstand aufzuweisen.
Hastfer verschwendete unsinnig, Schulden wurden gemacht und blieben unbezahlt. In meiner Unwissenheit von Lebensverhältnissen war ich unfähig, solchem unseligen Treiben Einhalt zu thun. Ich sah davon nicht die Gefahr ein. Die Bälle und Pickenicks, zu welchen mich Hastfer führte, gefielen mir. Ich kam mir in meinem weißen Ballkleide, mit dem Kranz in meinen braunen Locken wie eine blendende Schönheit vor. Meine Gedichte, die voller Fehler waren, und über die ich Schmeicheleien genug in mich sog, schienen mir vortrefflich. Ich[129] hatte noch mein siebzehntes Jahr nicht erreicht, überall kamen mir Wohlwollen und Nachsicht entgegen. Auf alle Dinge des Lebens warf das Prisma, das der böse Geist der Jugend vor Augen hält, sein buntes Licht.
Als ich vermählt wurde, war ich noch kindisch. Als ich in die Kreise kam, denen Hastfer vermöge seiner Stellung angehörte, hielt ich mich für reif und vollendet. Unsere frühern Bekannten, unter denen einige der ausgezeichnetsten Frauen und Mädchen Berlins sich befanden, hatten sich nach meiner Verheirathung fast unbemerkbar zurückgezogen und mich meinen neuen gesellschaftlich Verbindungen überlassen. Bei diesen war mir's unbehaglich. Es mochten sehr ehrenwerthe und feine Frauen darunter sein; aber mein Gatte hatte mir versichert, daß sie alle unbedeutend und gemein wären, und daß er wünsche, ich hielt mich von ihnen zurück. Ich war als gewissermaßen auf mich selbst beschränkt, erfüllt von Dünkel, Eigenliebe und brennender Sehnsucht nach Erfolgen und Huldigungen. Im Innern der Haushaltung blühte mir gleichfalls kein Glück. Baron Hastfer ging nur darauf aus, meine gute Mutter aus dem Hause zu entfernen, und sie, die er völlig ausgeraubt hatte, nun dem Mangel zu überlassen. Natürlich sträubte sich hiergegen mein besseres Gefühl. Schon am Tage vor meiner Hochzeit hatte ich die Entdeckung gemacht, daß ich ihn nicht liebte und daß er nicht liebenswürdig sei, denn er war betrunken nach Hause gekommen. Am Hochzeitstage, wo sich noch der ganze Kreis meiner Jugendzeit bei uns versammelt fand, flüchtete ich bei dem Ausruf: »Da kommt der Prediger!« in ein Nebenzimmer, schloß mich dort ein, und erklärte durch die Thür hindurch: »Ich werde nicht heirathen!« Der Lieutenant von Kalenberg unternahm es, »mich zur Vernunft zu bringen«, wie er[130] sagte. Er eilte an die zweite Eingangsthür des Zimmers, wo ihn die Gesellschaft nicht belauschen konnte, und lud mich herzlich ein, in den Salon zu kommen und mich trauen zu lassen; mein Benehmen sei kindisch! Ich wendete ein: »diese Heirath würde mich unglücklich machen«, und weinte heftig. »Kann sein!« sagte Kalenberg, »aber Sie können nicht mehr zurück, Sie müssen nun getraut werden. Sie spiegeln sich die Dinge anders vor, als sie sind. Und wenn man einmal in die Welt tritt, muß man sich der Convenienz aufopfern, und die Ueberzeugung, die uns davon abhält, hat ihr Recht verloren. Ich will Ihnen ganz im Vertrauen sagen, daß ich unglücklich bin, aber ich lasse es mir nicht merken!« Bei diesen Worten zog ich den Riegel von meiner Thür zurück. »Unglücklich! Guter Kalenberg, Sie? Mit dem schönen lieblichen Weibe mit dem großen Vermögen? Sie haben sie ja aus Liebe geheirathet!« – »Sie aber vergilt mir keine Liebe!« sagte er, »sie ist keiner Liebe fähig, nur selbstsüchtig und gefallsüchtig. Aber um alles in der Welt, kommen Sie! Man erwartet uns!« Er sprach noch vieles. Ich, ein schwankendes Rohr, gab nach. Es hätte mir auffallen sollen, daß weder mein Bräutigam, noch meine geliebte Mutter gekommen waren, mich zu überreden. Baron Hastfer hielt sein böses Gewissen ab, meine Mutter hingegen war vernichtet. Sie fühlte, daß eine Vermählung, die so begann, nicht glücklich ausfallen konnte.
Die Gesellschaft empfing mich, deren Blässe und verweinte Augen rühren mochten, mit wahrer Theilnahme. Vermöge der Schnellkraft meiner Natur wurde ich während der Trauung ruhig, sprach das unselige Jawort und mischte mich nachher unter die beglückwünschenden Anwesenden Noch mehr, ich tanzte! Mein[131] Los war geworfen, mein Lebensschiff wogte von nun an unter umwölktem Himmel, auf umstürmter Flut, wo Klippen meiner harrten und tückische Strudel lauschten.
Am 20. August 1799, am Tage nach der Hochzeit, führte mich Hastfer in das Theater, wo Schiller's »Piccolomini« aufgeführt wurden. Der große Fleck, sein entzückendes junges Weib, die ich 1816 als Elvire in der »Schuld« mit allen ihren Reizen wiedersah; Iffland, der vollendete Künstler, dessen unübertreffliches Talent vergessen machte, wie viel er der Kunst dankte; Madame Eunicke, damals noch in der Knospe ihrer Herrlichkeit, hatten die Hauptpartien; Mattausch, Beschort und andere verdienstvolle Schauspieler besetzten die übrigen Rollen. Sie standen nicht im Einklang mit den obengenannten großen Künstlern, allein sie verdarben nichts. Jene hinreißenden Leistungen erhoben die Mittelmäßigkeit über sich selbst. Ich habe keinen Moment jenes Abends vergessen. Meine Mutter war nicht mit uns; ich sehnte mich zwar nach ihr, aber ich war bereits so abgestumpft und bethört, daß ich nicht empfand, wie unschicklich es von Hastfer war, sie nicht mitgenommen zu haben. »Wallenstein«, der am folgenden Abend gegeben wurde, entzückte mich noch mehr als die »Piccolomini«. Diese beiden Stücke sind vereinigt worden, soviel ich mich erinnere, durch Raupach. Jedenfalls war es unrecht. Doch dies ist ja nicht der einzige Fall, wo die ursprüngliche Nichtachtung der Dichter grell hervortritt. Mußte doch in Wien lange Zeit hindurch der Vater Ferdinand's in »Kabale und Liebe« der Oheim desselben sein, und Ferdinand ausrufen: »Es gibt eine Stelle in meinem Herzen, wo das Wort Oheim nie ertönt ist.« Und so wurde in »Don Carlos«, versteht sich auch in Wien, Alba und Domingo in eine Person gezogen.[132]
Frau von Genlis war nicht zu meiner Hochzeit erschienen. Ich besuchte sie wenige Tage darauf. Sie stellte mir absonderliche Fragen, die ich nicht verstand, mithin verkehrt beantwortete. Sie besuchte uns, und wie sie denn jede Gelegenheit ergriff, etwas Angenehmes zu sagen, pries sie die Lage unserer Wohnung und äußerte, in keiner großen Stadt Europas habe sie eine ähnliche gefunden. Dies Lob war gerecht. Diese Aussicht war der Brennpunkt aller Pracht Berlins, und muß jetzt noch bedeutend verschönert sein.
Meine gute Mutter, die von jeher inniges Mitleid mit der königlichen Familie von Frankreich empfunden, glaubte der Frau von Genlis ihre Sympathie für diese bezeugen zu müssen; denn wir wußten nichts von allen Verhältnissen dieser Frau in Frankreich, noch von ihrem Antheil an der Revolution. Sie hatte geäußert, daß sie bei uns essen wollte, und einen Tag dazu angesetzt. Diese große Angelegenheit führte mich zum ersten Koch in Berlin; denn wie konnte man die berühmte Französin von hohem Stand anders als mit französischer Kost empfangen. In meiner Unwissenheit bestellte ich einige Compots zum Braten. »O!« rief der Koch aus, »wo denken Sie hin? Einer Französin wollen Sie süße Speise zum Braten vorsetzen?« Er verfaßte einen Küchenzettel, der Preis war abschreckend. Die Verhandlung zerschlug sich, und es wurde nichts aus dem ganzen Diner. Frau von Genlis ließ mich diese Unart nicht entgelten, sie bezeigte mir Zärtlichkeit und Theilnahme, und hatte ein aufmerksames Ohr für meine Klagen, über das Unglück meiner Ehe. Als ich ihr vertraute, ich wolle diese trennen, suchte sie mich auf alle Weise von diesem Entschluß abzubringen. Doch da ich ihr eröffnete, daß Baron Hastfer sichtlich darauf ausginge, meinen Bruder[133] um sein Kapital zu bringen, rief sie aus: »Jede üble Behandlung ist eine Gattin schuldig zu ertragen, und durch Sanftmuth und Nachgiebigkeit ihren Mann zu rühren und zu gewinnen; aber Unredlichkeit bricht alle Bande. Sie haben das Recht ihre Ehe zu trennen.« Zögernd sagte ich ihr nun: »Ich und meine Mutter sind ganz ausgeraubt, es ist uns nichts geblieben.« Sie fiel ein: »Sie haben Muth, Talent und Jugend!« Ich sah sie bedenklich an. Sie fuhr fort: »Mein Haus steht Ihnen offen! Meine Freunde werden meine Zurückberufung nach Frankreich erlangen, dann gehe ich nach Beziers, das ist ein Paradies; man lebt wohlfeil dort; das Klima ist mild. Wenn Sie mit mir dorthin wollen, nehme ich Sie mit, Sie werden meine Tochter sein!« O, ich war so entartet, daß der Gedanke, Mutter und Heimat zu verlassen, ganz in den Hintergrund wich. Ich dankte mit Thränen in den Augen und willigte ein.
Ich beauftragte Herrn Advocat Derling mit der Einleitung meiner Scheidungsverhandlungen. Er stieß auf große Schwierigkeiten, weil Baron Hastfer durchaus eine Scheidung verweigerte und mich von meiner Mutter zurückverlangte, zu der ich mich geflüchtet hatte. Der Ausspruch des Gerichts zwang mich, eine Probezeit bei ihm auszuhalten. Seinerseits wurde ihm eingeschärft, mich sanft zu behandeln.
Als ich zu ihm zurückgekehrt war, versicherte er mir, er habe Gift bereitet, und würde sterben, wenn ich nicht versprechen wollte, alle gethanen Unbilden zu vergessen und die seinige zu bleiben. Ich wußte, was ich von seinen Betheuerungen zu halten hatte. Er trank das Glas Gift vor meinen Augen aus – ich lächelte dazu. Er gab vor, nun die Annäherung des Todes zu fühlen, und entsandte den Bedienten nach dem Kriegsrath und[134] Auditor Wilkens und einem Offizier, dessen Namen ich vergessen habe. Er hatte sich zu Bette gelegt und sagte den beiden Herren, er habe Gift genommen! Diese wollten nach Aerzten schicken, er betheuerte jedoch, er wolle sterben, das Gift werde schon seine Wirkung thun! Ich schwieg, und strickte. »Minchen!« sagte er, »du bist meine Universalerbin! Dies Haus ist dein, mit Ausnahme der Hypothek deines Onkels Christian.« Ich versetzte trocken: »Vergiß nicht die 4000 Thaler, die du meinem Bruder schuldig bist, und von welchen er im edelsten Vertrauen die Hypothek hat löschen lassen!«
Er erschrak und zog mich an sich. »Minchen«, flüsterte er mir zu, »dies Geld muß dir erhalten sein, dieser Schuld kann ich nicht erwähnen, ohne dich arm zu machen!« – »Also stehlen willst du sie für mich?« rief ich laut. »Hören Sie mich an, meine Herren! Baron Hastfer hat ohne Bezahlung 4000 Thaler von meinem Bruder bezahlt bekommen, dieser muß im Testamente gedacht werden. Auch die Interessen ist Baron Hastfer noch schuldig! Sie wissen, daß ich die Scheidungsklage gegen ihn eingereicht habe: dies ist hauptsächlich wegen dieser Schlechtigkeit geschehen.« Die beiden Herren waren sehr entrüstet. »Hastfer«, rief Kriegsrath Wilkens, »du mußt hier im Testament deine Schulden deinem Schwager anerkennen!« – »Wie, mein geliebtes Weib soll ich in Armuth stürzen?« Ich versetzte: ich wolle doch lieber mein Brot vor den Thüren betteln, als einem solchen Schurkenstreich 4000 Thaler danken. »Weißt du wohl, Hastfer«, rief Kriegsrath Wilkens, »daß du um die heutige Geschichte kassirt werden könntest, wenn deine Frau sie anzeigen wollte?« Er wurde blaß und schwieg. »Meine Herren!« sagte ich feierlich, »Sie wissen nun, welch einen Bösewicht Sie vor sich haben. Thun Sie jetzt[135] Ihre Pflicht!« – »Ja, bei Gott, das geschieht!« rief der Offizier. Ich entfernte mich aus dem Zimmer und sagte noch halb lachend: »Ich gehe nicht Trauerkleidung zu bestellen, denn ich werde keine brauchen.« Ich glaubte nun meinem Bruder seine 4000 Thaler gerettet zu haben. Viele Jahre nach diesem Vorfall sagte mir ein Freund, mein Bruder sei um dies Geld gekommen. Doch ich hoffe, dieser Freund hat sich geirrt. Nie hat mein Bruder über diesen Gegenstand mit mir gesprochen.
Als die mir auferlegte Probezeit zu Ende war, ging ich zu meiner Mutter. Sie bewohnte seit einem Jahre ein geräumiges Zimmer mit Gartenaussicht in der Gipsgasse, die damals mehr Gärten als Häuser hatte. Wie wohl war es mir dort an ihrer Seite, ich war mir selbst zurückgegeben. Der drangvolle Zeitraum zwischen dem 19. August 1799 und dem der Wiedervereinigung mit meiner Mutter schien mir ein böser Traum, aus welchem ich mich kräftig emporgerissen. Der einfache Garten vor dem Hause war mir eine Welt. Links vom Hause grünte und blühte eine große Laube, im Sommer war sie unser Gastzimmer.
Hier weilte gern die unvergleichliche Freundin meiner Mutter, Karoline von Berg, geborene Gräfin Häseler; eine Frau, die einzeln auf ihrer eigenen Höhe stand. Innig befreundet mit der Königin Luise und deren Schwester Friederike, nachmaliger Königin von Hannover, war sie für beide ein guter Genius, und von beiden in ihrer Aufopferung und Treue verstanden. Verhältnisse dieser Art sind seit längerer Zeit nicht mehr so selten wie damals, wo um den Thron her eine Scheidewand zwischen ihm und der Menschheit gezogen war, welche alle innige Gemeinschaft zwischen seinen Bewohnern und den Edeln, deren Freundschaft sie ersehnten, hemmte. Nicht der Französischen[136] Revolution, sondern dem Fortschreiten der Geistes- und Gemüthsbildung im allgemeinen ist die Welt die Zerbröckelung dieser Scheidewand schuldig. Nicht ganz ist die Etikette von den Höfen verbannt, doch ist vieles Belästigende, was sie ehemals hatte, hinweggeräumt. In frühern Jahrhunderten war sie strenger und kleinlicher als späterhin. Gleichwol besaßen damals die höchsten Frauen ein Glück des Lebens, welches ihnen späterhin entrissen wurde und ihnen heute noch nicht wiedererstattet worden ist. Sie durften ihren Kindern die, Brust geben. Die Königin Blanca von Frankreich säugte ihren geliebten Sohn. Eines Morgens wollte der Kleine die Brust nicht nehmen, da es doch die gewöhnliche Stunde war, wo er Appetit zu haben pflegte; und als die Königin hierüber Bekümmerniß äußerte, trat eine lieblich blühende Dame des Hofes ein und gestand, der Kleine habe so stark geschrien, daß sie ihm die Brust gereicht. Königin Blanca warf einen wüthenden Blick auf sie, steckte dem Kinde den Finger in den Hals, und gab ihm dann, als die fremde Nahrung beseitigt war, die Brust. War dies mütterliche Eifersucht, war es Stolz? Ich weiß es nicht, aber mir hat es gefallen, und ich habe stets alle königlichen und fürstlichen Mütter bedauert, denen eine Glückseligkeit geraubt wird, die ich für die höchste halte, welche Gottheit und Natur den Frauen gewähren. Auch unglückliche Ehen werden durch Ausübung dieser süßesten aller Pflichten erheitert. Die armen Reichen in der großen Welt pflegen dies holde Glück zu verschmähen. J.J. Rousseau hat sehr schön über diesen Gegenstand geschrieben; möchten alle Mütter seine Worte beherzigen!
Hier ein Lied, welches ich dichtete, als mein Kind mir an der Brust lag:
[137]
Schlafe süß, Kindchen, Mutter ist wach,
Kannst ja noch schlummern mild und gemach.
Lieb' ist dein Odem! Himmel dein Traum!
Ruhst mir am Busen weicher als Flaum!
Blühest wie Rosen mir an der Brust,
Bringest mir wieder Jugend und Lust!
Weiß nicht von Leide, kann ich dich sehn,
Möcht' um uns beide die Welt vergehn.
Sieh auf den Hügeln lächelt der Mond,
Wie es auf Erden lieblich sich wohnt!
Schlummre nur, schlummre, selig ist Ruh!
Lieben und leiden mußt auch einst du!
Ich gebe mich gern der Vorstellung hin, daß viel tausend Mütter aller Stände dies Lied mit mir empfunden haben, denn ich fand es in Sammlungen von Liedern für das Volk nachgedruckt. Kein Name stand dabei, doch ich war so stolz darauf, wie nur mancher Dichter über die wiederholte und vermehrte Ausgabe seiner Gedichte mit der zierlichsten und prächtigsten Ausstattung sein kann. Jetzt, wo die Massen immer unpoetischer werden und das Auge immer begehrlicher, müssen wol die Verleger Gedichtsammlungen möglichst zum Luxusartikel machen, damit sie Käufer finden.
Zu jener Zeit noch ohne Leitung, ohne Auswahl beim Lesen, ohne Kenntniß von der Geschichte, ohne Umgang mit Denkern und Gelehrten, war ich, wie ich später bemerkt habe, ein ganz gewöhnliches Ding von einer Großstädterin. Meine gute Mutter hatte indeß noch nichts von ihrer hohen Meinung von mir eingebüßt, sie hielt mich für bestimmt, in der Welt ein große Rolle zu spielen, wie sie sich ausdrückte und mir sagte. Ich hatte keinen Begriff davon, was sie meinte, noch von der Art, wie Gott diese Weissagung erfüllen könnte. Treuherzigerweise glaubte ich, es sei an dem[138] genug, was ich war, um ihre Weissagung zu erfüllen. Meine Mutter hatte sich das zum Grundsatz gemacht, an meinen Liedern nichts zu verändern, und mich nicht einmal auf die Fehler aufmerksam zu machen, ich sollte von selbst auf diese kommen. Meine Lieder schossen auf wie die Nesseln, aber nicht ganz so correct in der Form, wie alles zu sein pflegt, was Mutter Natur gebildet. Der kleine Kreis von geistbegabten Freunden und Freundinnen um mich her übte liebreiche Nachsicht gegen meine ersten Versuche, sie hofften nur im Stillen auf kunstgerechte Entwickelung meiner Anlage. Durch ihre Liebe zu mir sahen sie schon Blume und Frucht, wo nur noch Keim und Knospe standen. Wie betroffen war ich daher, als ein lieber vernünftiger Mann sich erbot, er wolle mich Deutsch lehren. Zum Glück war ich gefügig, und lernte fleißig in den Unterrichtsstunden, die er mir gab. Der Regierungssecretär Walter war gebildet, gemüthlich und verständig, ohne eigene und poetische Anlagen hatte er Gefühl für Poesie, und Beurtheilungskraft ohne eigentliches Urtheil. Als glücklicher Gatte und Vater und fähiger Staatsdiener stand er in angenehmen Lebensverhältnissen, war heiter, und so wohlwollend als er wohlgelitten war.
Wäre ich beim Lesen von Meisterwerken wahrhaft aufmerksam gewesen, so hätte ich keiner Belehrung über die Sprache bedurft; aber ich war einmal eine lyrische Natur, will auf gut deutsch sagen träge, leicht, verwöhnt, im unbewußten aber festen Glauben, daß mir die Früchte mundrecht in den Mund fallen sollten, und die so wenig von Sorge wußte wie das Kind an der Mutter Brust. Frau von Genlis hatte mir versichert, ich würde ihre Tochter sein; da hielt ich mich für geborgen. Sie hatte es wol auch ebenso gemeint, denn[139] ihr Wesen war eine wunderbare Mischung von Grausamkeit und Milde, je nachdem ihre Leidenschaften aufgeregt waren. Sie selbst sagte mir von sich: »Ich habe große Fehler, diese werden aufgewogen durch große Eigenschaften; um mich zu lieben, muß man streben mich zu verstehen. Dies ist nicht leicht – aber es lohnt sich!« Sie machte mir diese Eröffnung nicht früher, als bis ich schon bei ihr in Frankreich war. Sie mochte geahnt haben, daß sie mich dadurch zurückschrecken würde, weil ich sie in Deutschland noch weniger verstanden haben würde wie einige Jahre später in Frankreich.
Noch war ich nicht sechzehn Jahre alt, als ich Jean Paul's »Hesperus« bekam. Er fiel wie brennende Sonnenstrahlen auf Früchte, die nicht von schützendem Laub umgeben sind; einzelne Stellen werden rasch gezeitigt, aber nicht gedeihlich, und nicht durchgängig ist diese Reife. Soviel nur mag hier berührt werden, daß ich nun meinte, ich müsse an Jean Paul schreiben und mit seinen Worten anfangen: »O du guter, guter Geist, ich kann dich nun nicht mehr verlassen, du mußt, du wirst mein schwaches Herz annehmen!« In Du wurde der Brief fortgesetzt wie ein Gebet, aber die Anbetung wollte auch strahlen. Es war mir so was von denken und schließen beigebracht worden, ich glaubte schon die Welt zu kennen, ich hatte die Karschin zur Großmutter. Dies alles und mehr mußte in den Brief. Baron Ahlefeld munterte mich dazu auf.
Ich schrieb wie alle jungen Wesen, die zu einem großen Mann hinaufblicken und sich einbilden, sie müßten ihn recht belehren, und alles, was sie ihm sagen könnten, wäre ihm neu. Als mein Brief fertig war und ich ihn der Mutter vorlas, merkten wir beide, daß viel zu viel darin stand. Ich kürzte ihn, er war uns[140] wieder nicht recht; er wurde noch ein paar mal geschrieben und immer kürzer; aber der Anfang war vortrefflich, denn er stand wörtlich in Jean Paul's »Hesperus«.
Ahlefeld nahm den Brief mit. Ich äußerte ihm Bedenklichkeiten darüber. Er tröstete mich: »Jean Paul kommt nächstes Jahr nach Berlin, da wird sich alles finden.« Jean Paul antwortete nicht; doch er schrieb seinem Freund Ahlefeld, er solle ihn zu mir führen, wenn er nach Berlin käme. Wie beseligt war ich, hatte ich doch noch keinen wahrhaft großen Mann gesehen. Die Hoffnung, Jean Paul in Person kennen zu lernen, lächelte mir zu wie ein Stern am Himmel, drang wie ein Ton aus höhern Sphären durch alle Mislaute des Lebens. Mir war zu Muthe als könne mich kein Unglück mehr treffen, als breite mein Schutzgeist seine lichten Schwingen über mein ganzes Dasein hinaus. Land! jubelte meine Seele; denn ob vieles mir gebrach, war mir doch auch viel gegeben worden, und Ueberreichthum der Phantasie und Empfindung glänzte und quoll neben fast trostloser Dürftigkeit der Kenntnisse und fühlbarem Mangel an harmonischer Ausbildung. Vieles des Wesentlichsten, besonders für die Erscheinung, war übersehen, vieles des geistig und gemüthlich Knospenden gestört worden. Der Anlage zur Poesie allein und der angeborenen Herzensgüte waren Strahlen mütterlicher Sorgfalt und Liebe, wenngleich nicht anhaltend, doch im fortschreitenden Ebenmaß zugewendet worden, sodaß sich einseitiges Aufblühen zwar in voller Freiheit, allein in verkehrter Richtung entwickelte. So wächst ein Baum mitten in einem Garten, vereinsamt auf einem Hügel, keine Stütze zur Seite, keine Gartenschere hemmt üppiges Gedeihen, und Sonne, Luft, Stürme und Regenschauer geben ihm in ungehinderter Wirkung Wachsthum, Blüte, Richtung und[141] Gestalt. Um und um stehen die wohlgeordneten Reihen der Blumenstauden und Bäume, ein Schmuck wohlgefälliger Gestaltung, Auge und Sinn erfreuend und jeden Blütenbüschel aus pyramidalischem Wipfel wie einen Strauß zur Zierde tragend. Nachtigall und Amsel suchen den einsamen Baum auf luftiger Höhe und lieben seine Schatten, doch er wird ausgehoben, in die Reihen der Gartenbäume eingepflanzt, und dort kann er nicht gefallen, nicht gedeihen. Warum sieht er nicht aus wie die andern? Die Welt ist einmal so – wer kann ihr's verdenken?
Der Tag erschien, wo ich Jean Paul sehen sollte. Er kam unbegleitet. Unsere Berg kam auch. Der Garten stand voll Rosen, der Morgen war heiter. Wir alle waren beseligt. Jean Paul's Erscheinung hatte nichts Auffallendes; seine einfache Kleidung paßte zu seinem Gesicht und Wesen. Auf seiner Stirn thronte Licht, auf seinen Lippen Anmuth und Milde. Seine hellblauen Angen leuchteten in sanfter Glut. Seine Bewegungen waren im Einklang mit seiner Einfachheit und seinem natürlichen Anstand. Vielleicht würde seine Erscheinung einem Unkundigen nichts von seinem Genius verrathen haben. Ernst, Anstand, viel natürliche Anmuth blickten daraus hervor; durch ihre Anspruchslosigkeit selbst war sie gewinnend. Ich kann mich keiner Einzelheit jenes Morgens erinnern, ich war zu freudeberauscht, um irgendein Wort in das Gedächtniß zu fassen. Jean Paul verhieß bald wiederzukommen. Ich schickte ihm in einigen Tagen das Heft meiner Gedichte. Er schrieb mir darauf folgende Worte:
»Rose, Lilie, Nelke, Vergißmeinnicht! Ich komme zwar, aber um eine Fünfviertelstunde später, da ich die Freude habe, bei Ihnen eine Stunde länger zu sein, weil[142] ich nicht ins Schauspiel gehe. Man muß die Freude verkürzen, um sie zu verdoppeln. Ich bin eigentlich schon bei Ihnen, aber auf dem Parnaß – unter Ihren Versen.
Richter.«
Eines Abends trat Jean Paul unvermuthet bei uns mit freudestrahlendem Gesicht ein. »Ich komme von der Königin!« rief er aus, »wir sind lange im Garten umhergegangen.« Ich sah ihn an, gleichsam um seine Beseligung einzusaugen. Himmel! dachte ich mir, wie glücklich ist ein großer Dichter, er kann mit Königinnen lustwandeln. O, dahin wird es mit mir niemals kommen! Man sieht, meine Eitelkeit war zusammengeschrumpft.
Jean Paul war in dem Augenblicke, wo er seine Bewunderung der Königin äußerte, sehr liebenswürdig, und seine Empfindungen hatten etwas Erhebendes für uns. Ich hatte die Königin Luise an ihrem Geburtstage mit einem Blumenstrauß und einigen französischen Zeilen begrüßt, die ich für Verse hielt. Mit der zarten Huld, die ihr eigen war, empfing sie mich, hauchte mir einen Kuß auf die Stirn und sagte mir einige Worte, die auf den Wellen meines Entzückens dahinrauschten. Wie Mendelssohn Lieder ohne Worte dichtete, so sang diese himmlische Stimme Worte ohne Lied. Wehmüthig beklemmt es, zu denken, daß die Mehrzahl der Menschheit sein könnte, was eine Luise, ein Gerhard von R–N und einige andere Erkorene, hier der Welt und dem Throne dort, ihrem stillen Kreise sind. Doch sagt uns die Hoffnung, es werde noch der Morgen tagen, wo eine bessere Nachkommenschaft sich der Tugend und dem Guten widmen wird, und daß Ideale eine Wahrheit seien. Noch aber regieren Wahn und Irrthum die Welt, und dem[143] Golde allein wird gehuldigt. Recht wie zum Hohn des Elends erschließt allerorten die Hölle die Schätze des Erdenschoses, nach welchen die Begier schmachtend langt, wie Tantalus am Quell, nach welchen die Armuth stöhnend seufzt und hungernd ringt. Bald wird man nur Millionen auf der einen Seite, Verschmachtende auf der andern und nichts mehr in der Mitte liegen sehen. Damals flößten weder Zeit noch Menschen so trübe Vorhersagungen ein, die Welt war genügsam, Genuß und Freude waren noch wohlfeil und leicht zu erlangen; jetzt werden sie erjagt, und nichts als sie hat Werth für die Massen. Das Ueberbieten und Steigern aller Genüsse steigert auch die Forderungen der Gemüther. Ein großer Theil der männlichen Jugend gleicht wandelnden Leichen, vor der Zeit der Reife tritt die Erschöpfung ein. Derselbe Dünkel, der Gott vom Throne stoßen möchte und sich selbst für göttlich hält, weil er das Göttliche leugnet, schämt sich tugendhaft zu sein, verspottet jede edle Regung in andern und drückt die eigene nieder. Wie selten wird dem Beobachter die Freude, rein menschliche Menschen zu sehen. O, es war einst anders, und unter den Bessern war Jean Paul einer der Besten. That und Lehre waren bei ihm unzertrennlich. Sein innerer Mensch war von vollendeter Schönheit; diese hatte er erstrebt, indem er nach Wahrheit rang.
Meine Mutter konnte mich für das Leben nicht ausbilden, für die Welt nicht erziehen; sie lebte in der Sphäre ihrer Träume, die Trümmer ihres Lebensglückes ragten daraus hervor: hier mit Moos bedeckt, dort mit Epheu und holden Blüten umwunden, dort verunstaltet durch Wust ängstlicher häuslicher Mühen. Maria und Martha waren noch in keiner weiblichen Natur so eng und unauflöslich verbunden, so herbe zugleich geschieden.[144] Ein siamesisches Zwillingspaar, ein Sein in zwei Wesen, deren jedes ein eigenthümliches Ganzes. Vielleicht war es ein dunkles Gefühl des Nichtverstehens und Vernachlässigens ihrer eigensten höhern Bestimmung, was meine Mutter anregte, mich, eine entschiedene weiblich-häusliche Natur, bei Wahrnehmung meiner geistigen Anlagen zum Schreiben anzuspornen, statt mit weiser Berechnung mich dem angeborenen Triebe zum Praktischen folgen zu lassen und gründlich für das Häuslich-Weibliche zu erziehen, da sich hierbei jene geistigen Anlagen unfehlbar im stillen gedeihlichen Fortschreiten entwickelt hätten. Sie brachte mir Kenntnisse bei, allein sie versäumte alles, was dem häuslichen Treiben Schmuck und Zierde gibt und den weiblichen Fleiß durch anmuthige Zwecke spornt und erheitert. Auch vereinsamte sie sich und mich so sehr, daß ich nie Gelegenheit fand, glückliches, geordnetes, an lieblicher Thätigkeit und sinnigen Genüssen reichhaltiges Familienleben gründlich zu beschauen und verständig zu würdigen. Da ich nicht ahnte, wo es fehlte, und jeglicher Freiheit genoß, oft ins Feld und in die Tannenheide kam, und nach und nach alle Bücher, die ich sah, an mich reißen durfte, dabei meine Mutter inniglich liebte, hatte ich viel glückliche Stunden, und alles wurde für meine Seele Poesie. Daraus hätte trotz allen Misgriffen das Schönste werden können, wäre ich nicht verheirathet und mit den verkehrtesten Ansichten und Begriffen in Kreise geschleudert worden, die mir nichts verleihen konnten, wo ich viel einbüßen mußte, und aus deren Leerheit und Dürre sich das lechzende Herz in eine Traumwelt flüchtete, die auch durch schlimme Truggestalten bevölkert war.
Das einfache Wesen und den Umgang Jean Paul's mochte ich dem ununterbrochenen milden Rauschen hoher[145] Waldeswipfel, das in sich selbst Musik ist, vergleichen, indeß je und je ein schmetternder Nachtigallenwirbel durch die grünen Wölbungen wogt, und mit einem mal alle Symphonien, die je die Waldung durchtönten, im Widerhall ringsum erwachen und die Seele in ihren Wirbeln mit sich fortreißen. Er war nur im holden Selbstvergessen seiner Wunderpracht für das Wesen da, von dem er sich verstanden fühlte, und wie der Kolibri suchte er, wo er auf Blüten verweilte, nur den himmlischen Thau, den ihr Kelch bewahrt.
Die Königin Luise und Friederikens, ihrer Schwester, große Seelenvertraute, Karoline von Berg, machten auf Jean Paul den Eindruck, den eine solche Erscheinung – von der Petrarca gesungen hätte:
Chi vuol veder quantunque puo' natura
E 'l ciel tra noi vanga et mirar Costei –
auf ihn, dem himmlischer Seelenduft das Innere durchströmte, machen mußte. Meine Mutter nannte sie nur die Himmlische, und um so wärmer, als sie von ihr verstanden wurde. Karoline von Berg mochte damals etliche dreißig Jahre alt sein; sie war mir in zartester Kindheit wie ein Feengebilde erschienen, ich hatte die kleine schlanke, rosig- und weißblühende Gestalt im zierlichen Amazonenkleide, den Federhut auf den goldenen Ringellocken über den blitzenden Azuraugen, wie Gewölk über klarem Sonnenhimmel, immer nur im Fluge auf lichtbraunem schöngeschirrten Pferde vorüberschweben sehen, mit durchdringendem Blickesstrahl, schön, ernst, gebietend und mild. Zur Großmutter kam sie wenig, ich war dann nicht zu Hause; dafür mußte die Karschin oft bei ihr sein, denn sie liebte ihr Geistesfeuer, ihre Kunstlosigkeit, ihr Gemüth und ihre Lieder. Meiner Mutter[146] wurde sie innig gewogen und besuchte sie oft. Ihr liebstes Gespräch war die Königin Luise, die mit ihrer eigenen Luise, mit dem Erbprinzen Georg und mit Friederike die heiligsten Liebesgefühle in ihr wach und flammend erhielt.
Sie war die sinnreiche Spenderin der meisten königlichen Wohlthaten. Keine Hütte war ihr zu entlegen, kein Sterbelager zu schaurig, kein Elend zu abschreckend – sie suchte es auf, sie brachte Trost und Erquickung. Ihr war bei dem wärmsten, reichsten Herzen kein anderes Glück in das Leben übergegangen, als das der Mutterzärtlichkeit und Freundschaftstreue und der Linderung fremder Leiden. Ihren Geist hatte sie mit gründlichen Kenntnissen, Phantasie und Gemüth mit den süßesten Blüten geschmückt. Sie las die Dichter aller Lande, sie Kannte das Schöne in allen seinen Reichen. Auf jeder heiligen Stätte, wo der Genius thronte, loderten ihrer Andacht heitere Opferflammen. Frühe Leiden hatten sie zum Manne gestählt. Von der Weiblichkeit behielt sie nur den Anstand, die Milde und die Tugend, männlicher Ernst und Gleichmuth war der Grundton ihres Wesens. Mit solchem Seelenadel mußte Ahnenstolz unvereinbar sein und bleiben. Darum ist alles Echte vornehm, und selbst auf Thronen das Gemeine gering.
Jean Paul und sein Freund verlebten die herrlichsten Morgen mit ihr, mit Auguste von Haake, Minna von Knebel, deren bescheidene Anmuth und gehaltvolle Sinnigkeit wie ein Frühlingshauch labte und erfreute, und auch mit uns, mit meiner freudefunkelnden Mütter, die ihren Ursprung aus gallischem Blut (mein Großvater war ein Abkömmling der Hugenotten, die in Preußen Zuflucht gefunden) nicht verleugnen konnte.[147]
Wie groß und mild Jean Paul war, wo er Liebe fand, dies wissen alle, die ihn kannten; uns aber wurde es auf eigene Weise kund. Es gab in seinem Kreise ein weibliches Wesen, zu zart und glühend für ihr lastendes Misgeschick, und schon an der Neige ihrer freudenlosen Tage. Sie hatte einmal nur im Leben geliebt. Durch den Anschein einer Treulosigkeit getäuscht, hatte sich der Erwählte schweigend von der Unglücklichen abgewendet. Er blieb unvermählt. Sie konnte Herz und Gedanken von ihm nicht trennen, konnte sich nicht trösten, daß sie seine Liebe verscherzt.
Wilhelm B. war von seltenem gediegenen Gehalt, von umfassender Bildung. Seine verlassene Geliebte fand ihren einzigen Trost darin, in einsamen Stunden sein Andenken zu feiern, sie gab ihm ihre Thränen. Sterne, einzelne Laute, ja die Blumen der Wiese, darin Thautropfen bebten, und das Rauschen der Waldung, Sonnenlichter, die auf grünem Rasen spielten oder im Flutenspiegel hüpften, waren ihr Grüße von Wilhelm, Boten seines sehnenden Angedenkens, und jeder unerklärbare Klang, den ein Zufall erweckt, war für sie eine geistige Annäherung. Bei dem Gedanken einer wahrhaften Trennung wäre das Herz ihr gebrochen. Die Gewalt ihrer Empfindung schuf um sie her eine Welt, in der sie das Dasein ertrug.
Wie wenige werden den Sinn dieses Wahnsinns fassen! Jean Paul faßte ihn, als jene Leidende ihm sagte (es war in meiner Gegenwart): »Sie sind es nicht, der diese Werke geschrieben hat, es ist mein Freund! Ich habe mehrere unserer Gespräche im ›Hesperus‹ in den ›Palingenesien‹ wiedergefunden, ich habe in den ›Blumen-, Frucht- und Dornenstücken‹ die geheimen Beziehungen erkannt. O seien Sie so gut, gestehen Sie es mir, Sie sind [148] sein Bote! Sie sollen mir Trost bringen, mich vorbereiten auf seine Wiederkehr. Sie sind Leibgeber! es ist sonnenklar. Aber sagen Sie mir es auch nun, denn ich weiß es ja!«
Mit feuchten Augen und einer Milde, die wie Frühlingslüfte-Lispeln auf Blütenzweigen weich und innig klang, sagte Jean Paul, der, während sie sprach, seinen Sternenblick auf der Leidenden ruhen ließ und ein schmerzliches Lächeln, das um seine Lippen spielte, in ein freundliches liebendes umschuf: »Nein, Liebe, ich bin Richter, und habe meine Werke selbst geschrieben; wenn Sie dort ihren Freund wiedergefunden, so halten Sie ihn dort fest! Er lebt Ihnen dort!« Und so oft sie auf ihre Einbildung, die ihr bis in den Tod blieb, zurückkam, blieb der Herrliche mild, und suchte im Hort seines Innern Trost für die Freundin.
Gern feierte Jean Paul im Kreise seiner Lieben das Andenken der Entfernten. Oft sprach er von ihr, diesem ersten Sternbild, mit dem sein Jugendhimmel ihn angestrahlt, von der Freundin, deren Erinnerungen diesen Blättern vorausgehen. Er liebte sie mit frommer Brudertreue. Eine solche Erscheinung, deren Licht zuerst ein Jünglingsherz zu zarter Huldigung erschließt, rettet ihr ganzes Geschlecht in seiner Phantasie, in seinem Glauben an weibliche Würde und Tugend, und veredelt sein schöneres Selbst für alle Zukunft.
Er sprach zuweilen von der Verfasserin der »Caladonia«, Emilie von Berlepsch, nachherige Harmes, die auch zu den frühesten schönen Erscheinungen seines Lebens gehört. »Agnes von Lilien« empfahl er mir zu lesen als den »meisterhaftesten Roman, den je eine Frau geschrieben«. Es war im Jahre 1800. Von der Verfasserin sagte er nichts; vielleicht, weil er überhaupt ungern von Weimar[149] sprach. Damals hatte ihn die öffentliche Meinung noch nicht den Grundpfeilern und Kolossen deutschen Ruhmes beigesellt: Goethe, Schiller, Herder, Jean Paul verschmolzen im deutschen Gemüth noch nicht in Einen Gedanken. In den »Xenien« standen zwei Zeilen, »Jean Paul« überschrieben, und gerichtet: An ....
Meinst du, er werde größer, weil du die Schultern ihm leihest?
Er bleibt klein wie zuvor, du trägst den Höcker davon.
Nun, es steht noch mehr im »Musenalmanach«, herausgegeben von Schiller (1799), z.B.: »Die Spree«.
Sprache gab mir mein Ramler, und Stoff mein Friedrich, da nahm ich
Meinen Mund etwas voll, aber ich schweige seitdem!
Die Spree schwieg nicht lange mehr. Selbst in seinen Leiden fand Preußen neue Größe, und bald überflügelte es sich selbst und jeden frühern Ruhm. Wer aber hätte Jean Paul »klein« genannt? O still! Erde deckt sie nun alle. Steine tragen die Bildung der sterblichen Hülle unserer Riesengeister, und droben schweben sie liebend vereint und lächeln auf die kleine kleinliche Erde herab. Ich sprach eines Tags mit Entzücken von »Don Carlos« und von den »Idealen«. Jean Paul überraschte mich durch den Ausspruch: »Schiller ist kalt! Sie fühlen das jetzt nicht, Sie werden es noch fühlen! Schiller ist Eis, er ist ein Gletscher, nie Sonnenstrahl mit göttlichem Farbenspiel, warmen Purpurtönen; eilen Sie hin, Sie finden weder Glut noch Leben, Todesodem schleudert sie weg.«
War dies eine Wirkung der »Xenien«?[150]
Von Goethe sprach Jean Paul nie, damals auch nicht von Herder, den er späterhin so liebevoll würdigte. Die anmuthig liebreiche Wendung im Hinblick auf mich, die er nahm, um von Amalie von Imhof zu sprechen, bleibe hier unerwähnt, ich weiß auch nicht recht seine eigenen Worte mehr. Er fuhr dann fort: »Sie werden bald eine schöne Dichtung lesen: ›Die Schwestern von Lesbos‹, im antiken Silbenmaß und im antiken Geist, doch kalt vor lauter Vollendung.« Aber sie ließ uns nicht kalt, als sie die Dichterin las. Alles was Weimar von geistigen Größen in sich faßt, war um sie her versammelt; Amalie von Imhof war noch sehr jung, wol noch nicht zwanzig. Sie trat in den Dichterkreis im weißen griechischen Kleide, mit goldenen Spangen, ihr braunes wunderreiches Haar geflochten, gescheitelt, griechisch gewunden, ihre großen blauen Angen strahlend vor innerer Bewegung, die Wangen glühend, der Busen flog und wallte; welch ein Marmor war lebendig geworden? Sie hatte ein Gesicht so classisch wie ihre Dichtung. Man sah die schöne Hofdame sonst ruhig abgemessen; heute erschien uns die Sängerin wie die griechische Muse selbst, mit süßen Klängen die Dichtung vortragend, jedes Wort Musik. Es war uns allen eine Erscheinung, ein Wundertraum, der Olymp war offen, und seine anmuthstrahlendste Göttin lebte!
Von den Erinnerungen, die Jean Paul im Kreise der Freundschaft wie flatternde Bilder zu begrüßen kamen und sich hineinwoben, damit seinem Glücke nichts fehle, war Frau von Krüdener diejenige, von der er am liebsten sprach. Er sehnte sich tief und innig sie wiederzufinden, und ersehnte für mich das Glück ihr zu begegnen. Frau von Krüdener war die erste sichtliche Offenbarung dessen, was Rafael Santi vorschwebte. Jean Paul hatte sie in ihrem[151] Frühling gekannt. Manche irdische Hülle scheint verdichtetes Licht; so diese! Sie war keine Schönheit, aber schön! Ihre ätherisch schlanke wunderliebliche Gestalt voll Musik der Bewegungen, symmetrisch wie ein Kunstwerk von griechischen Meisters Hand, ihr lockiges Haar, jede Locke eine Seele, des Hauptes feines Oval, die blühenden Farben des Angesichts, die freundliche Bildung jedes Zuges, der Geist auf der lichten Stirn, die liebestrahlenden himmelblauen Augen, der süße Mund, der Purpurthron zarter inniger Güte, dem kein unschönes Wort je entflogen, der nur Trost und Liebe gab, und der volle Einklang der ganzen Erscheinung machten sie schön. Ihr Tanz war nur die freudige Entfaltung des innern Aufblühens, das im gewöhnlichen Leben ruhig in der Knospe blieb. Er war nur der Strahl der Offenbarung innerer Begeisterungsfülle, und so war die Krüdener Madonna, Mater dolorosa, oder was immer sonst Holdseliges, Großes, Inniges in Schmerz und Liebe verklärt hienieden geblüht, jedes Bild ein neues vollendetes Meisterwerk. Als Jean Paul sie gekannt, war sie noch nicht in Paris gewesen und viel natürlicher und herziger als seitdem. Ihre Poesie war noch nicht auf Papier gekommen, sie trug sie noch, wie die Muschel die Perle, im Innern.
Es ist bei Frauen ganz etwas Eigenes um den geheimnißvollen Reiz dessen, was sie blos ahnen lassen, was unbewußt wie der Duft der Blume aus ihrem Innern hervorströmt, absichtslos sich enthüllt.
Der liebste Aufenthaltsort Jean Paul's war stets im Freien, er dichtete gern im belebenden Strom der frischen Luft unter wehenden Wipfeln. Wir fuhren oft hinaus. Der Thiergarten hat doch durch Gras und Bäume so etwas von einem Wald, und der Spiegel der stillen Spree strahlt freundlich aus dem Wiesengrün. Jean Paul[152] sagte einmal: »Ja, Berlin ist eine Sandwüste; aber wo sonst findet man Oasen?« Er liebte Berlin, vielleicht besonders dadurch, weil er dort Liebe fand. Auf eine unserer Einladungen schrieb er mir: »Ich werde kommen, aber erst um acht, da ich vorher noch mit Ahlefeld zu Madame Bethmann gehe; eine kurze Freude ist oft eine große. Noch immer mache ich keine andern Reiseanstalten, als von einem Haus in das andere; Adio cara!« Nur einen dieser Zettel habe ich freiwillig verschenkt; es gab viele, die meisten sind mir abgeschmeichelt worden, einige verloren gegangen. Auf einem stand: »Warum müssen selbst unsere Himmelsträume Lichter und Farben bei der Erde borgen? Warum müssen die Engel eine Leiter haben, um zu Jakob herniederzusteigen?«
Ich könnte sie nicht mehr aufzählen, die Reihe der schönen Tage, die Jean Paul's Freundlichkeit uns gewährte. Mir blieb seine Gegenwart das Beseligendste, was ich je empfunden. Für meine Mutter und mich, die damals unsaglich litten, lag schon Trost in seinem theilnahmvollen Blick, in seinem Bezeigen. Worte standen, wenn er tief erschüttert war, seiner Empfindung zu fern. Aber seine bloße Nähe war Labung. In gesellschaftlichen Kreisen war er still, fast wie eine Aeolsharfe, die schweigend ruht, bis der Lufthauch sie berührt; dann wogen die Melodien aus ihrem Busen hervor, und enthüllen nie geahnte Wunder. Ein Wort, Ein Blick konnte den innern Reichthum weckend hervorrufen; doch immer blieb er mild, selbst in der höchsten Kraft. Am anmuthigsten und heitersten war er morgens im Freien.
Am 28. October 1800, wo endlich meine Trennung vom Gericht bestätigt wurde, nachdem ich sie sechs Monate vorher vergebens nachgesucht, schrieb mir Jean Paul: »Liebe Freundin! Gerade jetzt um 4 Uhr[153] wo das Räderwerk Ihres Schicksals auseinander gelegt« u.s.w.
Der trübe Ernst dieses Briefchens lagerte sich wie eine Wolke vor meinem Blick in die Zukunft – doch die Jugend richtet sich bald wieder aus der Muthlosigkeit empor. Und es lagen nur etliche leere Tage zwischen dem versprochenen Sonnabend bei Knebels. Der Abend war schön! Jean Paul sprach von seinen weiblichen Schöpfungsbildern. Zuerst von Klotilden. Er sagte unter anderm: »Die Frauen, die ich geschildert, sind alle treu nach der Natur. Ich habe sie nicht als Ideale aufstellen wollen, sie erschienen mir in den Beziehungen, in welchen ich sie aufgefaßt, so wie ich sie darstellte; die übrigen Seiten ihrer Gestalt sind unberührt geblieben. Meine Klotilde ist das treue Abbild meiner ersten edeln Jugendfreundin, ich war noch nichts für die Außenwelt, als sie mir erschien; sie rief mein Innerstes zur Gestaltung hervor. Klotildens Mängel sind mir gar nicht sichtbar geworden, ich denke sie mir ganz vollendet, in allem klar, gediegen, tief, fest und großartig wie sie im ›Hesperus‹ steht. Wir alle sehen von den Welten dort oben die Strahlen und nicht den Kern.
In der Lenette wollte ich Realist sein, um zu zeigen, daß ich die Frauen nicht durch ein Prisma sehe, und daß das Weibische in meinen Augen keine Weiblichkeit ist!« –
»In Ihnen erkenne ich meine Liane wieder«, sagte er mir, »es ist als hätte ich Sie errathen, ich habe mir diese blos gedacht, wenn ich auch einzelne Züge zu ihrem Bilde besaß. Lesen Sie meinen ›Titan‹, Sie werden sich darin wiederfinden!«
Das war Trost für die wehmuthsvolle Farbe des Briefs vom 28. October! Meine Mutter sprach an jenem[154] Abend wieder von ihrem schönsten Schmerz, von Maria Antoinette, und von Madame Elisabeth, dem Dauphin und Charlotte Theresia, die vor seit kaum zwei Jahren ihrer Familie zurückgegeben worden. Sie hatte schon 1794 an Zschokke geschrieben, weil sie ihm für sein »Pantheon« eine Schilderung der schönen unglücklichen Königin senden wollte. Im »Pantheon« standen Scenen aus Zschokke's Trauerspiel: »Charlotte Corday«, eine Apotheose der damaligen Helden der Tage, die der Dichter im höchsten Glanz republikanischer Tugend verklärt sich gedacht. War er doch jung, und erscheint doch edler Jugend mancher Wahn als ein Engel des Lichts.
Zschokke's Antwort auf meiner Mutter begeisterten Brief fiel wie Hagelschlag auf dies schöne Aufblühen, und die Schilderung unterblieb. Die erste Lebendigkeit jener Eindrücke, die Kraft der Darstellung war nun erloschen.
»Sollten Sie noch Stimmung für solche Schilderung finden«, sagte Jean Paul, »so müssen Sie sie mir schicken. Ich sende Ihnen einige Bruchstücke, die ich mir aus Blättern jener Tage ausschreiben ließ, vergiftete Pfeile aus dem Köcher der Hölle!« Hier ist eins dieser Blätter: »Auf die nichtssagende Anrede der Deputation von der Municipalität, als Ludwig XVI. nach Paris hingezwungen worden (Anfang October 1789)« antwortete die Königin:
»Mit Vergnügen nehme ich die Huldigungen der Stadt Paris entgegen, dem Könige werde ich stets freudig hinfolgen, wohin er geht, und vor allem hierher.« Wenn nun (so fährt derjenige fort, der diesen Bericht in einem französischen Blatte abstattet) irgendein Bürger, glühend von Vaterlandsliebe und fähig sich zum Standpunkt der Dinge in jener Stunde zu erheben, berufen gewesen[155] wäre, die Königin anzureden, so hätte er Folgendes gesagt:
»Indem Sie unsern König in diese Stadt begleitet, die nur eben mit Brand und Hungersnoth kämpfte, haben Sie, Madame, begonnen, die Gerüchte zu widerlegen, die alle guten Franzosen betrübten und ein Echo durch ganz Europa gefunden. Feindlich Gesinnte, die Ihnen Ergebenheit heucheln, stellen Sie als die Stütze der Faction dar, die den Staat zertrümmert. Ihnen, Madame, verhehlen, daß diese Gerüchte auf das Volk schrecklich gewirkt, hieße Verrath gegen Sie begehen! Sie müssen erfahren, daß nur die Furcht, Ihren Gemahl zu betrüben, Ihren Namen mitruft in den Segenswünschen, in den Freudentönen, die dem König gelten.
Wir wissen, wie Verleumdung jeden Rang, jede Tugend begeifert. Wir wissen nicht minder, was Schmeichelei und unbegrenzte Herrschsucht über Könige vermögen. Wir sehen ein, was im Herzen einer Gemahlin, einer Mutter vorgeht, die dem Gatten und dem Sohne Rechte erhalten sehen möchte, die sie für ihre wahrhaften Rechte hält. Wir wissen, wie fester Wille des Gelingens in einem menschlichen Gemüth wirkt, wenn es seines Strebens Ziel im Auge behält; aber es kommt uns nicht zu, Madame, Ihre Gesinnungen, Ihre Handlungen zu erforschen; Sie haben für diesen Moment keinen andern Richter als Gott und Ihren Gemahl, den König! Unsere Pflicht ist erfüllt, wenn wir Ihnen die Hoffnungen einer glücklichen Zukunft schildern, die bei Ihrer Ankunft und Ihrem Aufenthalt in Paris in uns erwachen.
Die Geschichte unsers Landes hat nur wenige Beispiele von Königinnen aufzuweisen, die des Volkes Glück sich zu Herzen genommen; vielmehr schildert sie viele, die[156] sein wahres Unglück gewesen. Anna von Oesterreich verursachte einen Bürgerkrieg, indem sie einem Minister beisteht, den sie nicht achtete und dem sie gram war. Maria von Medicis, das Opfer des jammervollsten Ehrgeizes, der Frankreich in Unruhen gestürzt, stirbt in Köln im tiefsten Elend, unter der Last der Verachtung ihres Sohnes und der Königin Frankreichs. Wechselsweise bestürmten Sorgen und Gewissensängste jener andern Medicis Dasein, welche blos jene Partei, der sie diente, die sie zum Spielwerk brauchte, indeß sie sich als die Seele und Herrscherin wähnte, als ein geniales Weib geschildert.
Isabeau von Baiern verrieth Frankreich, übergab es den Engländern gab es allen Greueln des Bürgerkriegs preis; ihr Geschick war entsetzlich wie ihr Verbrechen. Abbé Vely schreibt von ihr in seiner Geschichte von Frankreich: ›Sie wurde von ganz Frankreich verabscheut, alles mied, haßte, verließ sie; mit ihrer Schmach, ihren Schandthaten, ihren Gewissensbissen blieb sie allein; Beschimpfung und Jammer hefteten sich unauflöslich an jeden Augenblick ihres Daseins. Die ihr alles schuldeten, höhnten sie ohne Unterlaß. Sie waren so niederträchtig, ihr vorzuwerfen, Karl IX. sei nicht der Sohn ihres Gemahls. Nur ihre Thränen erleichterten ihre Pein, zur Strafe nur verlängerte die göttliche Vorsehung ihr Leben; zu schändlich, um vor Schmerz sterben zu können, schleppte sie in Armuth und Dunkelheit die letzten Jahre eines mühseligen entehrten Alters mitten in Frankreich hin, dessen Abgott sie gewesen; es fehlte ihr an allem, und keine Seele empfand Mitleid mit ihr!‹
Wir brauchen nicht tiefer in die Geschichte unserer Vorzeit einzugehen, nicht bis zu Fredegund und Brunhilden hin, deren Handlungen jede ein Verbrechen waren, und[157] jeder Gedanke ein Unheil, um zu beweisen, daß eine ränkevolle Königin, die nicht ihr Glück in der Tugend sucht, die gräßlichste der Frauen und die unseligste der Königinnen war. Uns fehlt eine Königin, Madame, deren Leben im entschiedensten Gegensatz zu all diesen Scheusalen steht. Eine Königin, die, mit der Herzensausbildung ihrer Kinder, mit dem Glück ihres Gemahls beschäftigt, die Erleichterung der Volksbedrängnisse zu ihrer theuern Pflicht sich macht, die der verfolgten Unschuld, der verdienstvollen Nothleidenden entschiedene Beschützerin sei, die sich jeder andern Theilnahme an der Staatsverwaltung entschlage, und nur ein Ministerium der Wohlthätigkeit errichte, sodaß selbst ihr königlicher Gemahl die Dankbarkeit der Nation, und die Bewunderung aller Staaten nicht ganz ohne eifersüchtige Regung wahrnehmen könne. Dies ist's, Madame, was Sie uns gewähren können! Sie vereinigen in sich alles, was dazu gehört, die Natur hat Ihnen alles geschenkt. Sollte eine vorgefaßte Meinung, ein Groll gegen das beste der Völker (!) in Ihrer Seele walten, so sagen Sie sich davon los, Ihre Thaten geben Sie seinen Blicken, Ihr Herz seiner Liebe preis. Der Franzose ist die glücklichste aller Naturen, über eine einzige schöne That kann er hundert Ungerechtigkeiten verschmerzen, ein Lichtstrahl auf seine Vergehungen und er fühlt und bereut. (!) Er bedarf des Glückes, Sie so zu lieben, wie er seinen König liebt. Nur die Furcht hinweggestoßen zu werden, hemmt den Erguß dieser Empfindung. Indem Sie mit Vertrauen, mit einem Vertrauen, das nicht wird verrathen werden, unter uns erscheinen, haben Sie den Gemüthern schon Lust gemacht; vollenden Sie Ihr Werk, indem Sie Ihren Patriotismus so laut, so offenkundig üben, daß die Aristokratie sich in jeder Hoffnung getäuscht sieht,[158] fürderhin Ihren Namen zum Schreckbild des Volks, zur Beschönigung ihrer frevelhaften Plane misbrauchen zu dürfen.«
Wir litten alle unsaglich, als wir dies Blatt durchlasen. Jean Paul sagte: »Selbst Unbefangene wurden in Paris durch die ersten Wahrnehmungen bei Ausbruch der Revolution getäuscht, und wir alle konnten noch eine lange Zeit hindurch aus der Ferne das Wahre von dem Falschen nicht unterscheiden.«
Noch einige klare schöne Novembertage verbrachten wir mit den Freundinnen und mit Jean Paul im Thiergarten, dann trat eine Pause ein, wo ich nicht so glücklich war, ihn zu sehen. Er schenkte uns jedoch einen Abend mit Ahlefeld; seine Braut kam nicht mit, sie schrieb mir, daß sie ein häusliches Geschäft zu revidiren habe, eine Wäsche. Von unsern Gästen erinnere ich mich der Freiherren Kress von Kressenstein, Haller von Harsdorf, der edeln Freundin von Heydebreck, geb. von Brand, der Fräulein von Knebel und Don Pedro's de Casa Valencia, eines geistvollen Spaniers, der späterhin als geborener Amerikaner sich nach seiner Heimat einschiffte, um ihre Rechte und Freiheiten zu vertheidigen, aber durch einen Schuß durchbohrt, noch ehe das erste Treffen begonnen, todt niedersank, den vaterländischen Boden mit feurigem Herzblut tränkend. Er konnte gut deutsch und liebte die Poesie. Jean Paul's Wesen erschien ihm sehr anziehend, und dieser fand Großartiges und Feuerdurchstrahltes in der schönen poetischen Natur. Der Abend war fröhlich. Fast alle deckt Erde, die mit uns dort vergnügt gewesen; mir ist's bei der Erinnerung, als läge nur eine Minute zwischen heute und jenen glücklichen Stunden!
Jean Paul nahm mehrfach Anlaß mich zum Dichten[159] und zum Drucken einiger meiner damaligen Versuche aufzumuntern; auch den Romanentwürfen widmete er Aufmerksamkeit. Was die Poesie betrifft, so hatte ich endlich, nachdem ich manches Neuere mit Fleiß und Erstrebung die Form zu verstehen, durchlesen, einige Fertigkeit gewonnen. Nun ging ich nicht mehr völlig in der Irre, aber die mühsam errungene Form war noch unbelebt, der Inhalt ungewichtig, die frühere, nicht anmuthlose Unbefangenheit in der Fülle des jungen Werdens, im angeborenen Reichthum des Gemüths, war fort und durch nichts ersetzt. Ich fühlte, was mir abging, so tief und heiß, daß ich darüber vergaß, was ich hatte. Jean Paul aber hatte es nicht vergessen. Ich theilte ihm einen Abschnitt aus meinem Romanbuche mit; wie sehr dieser Nachsicht bei ihm fand, bezeugen die Worte, die er darunterschrieb; aber nun gab ich ihm auch die Fortsetzung in der spätern Eklektik der schon erwähnten Jean Paul-Lafontainisch-Genlissirenden und wer weiß was noch für Manier, und der hohe Meister gab diese Blätter schweigend zurück. O weh! kein Buchstabe mehr wurde dazu geschrieben; jener frühere Abschnitt, der ihm gefiel, war noch aus der frühesten guten Zeit gewesen. Ein Gedicht gefiel ihm, noch heute weiß ich nicht warum. Vielleicht weil er durch einige frühere, die ihm glücklich aufgefaßt schienen, voraus gewonnen war, und weil es in der Form kunstreich und ziemlich gefügig sich darstellte; hier ist der Anfang:
Jetzt da Violen blühn auf duftenden Matten,
Komm, mein Geliebter, aufs Land!
Komm und wandle mit mir in traulichem Schatten,
Mir und dir nur bekannt!
Fluten rieseln im Hain, und glühende Rosen
Spiegeln ihr Antlitz im Bach u.s.w.
[160]
Jean Paul unterbrach mich: »Das ist ein schöner Gedanke, glühende Rosen kühlen ihr Antlitz im Bach!« So wurde in seinem Innern gleich brillantirt, was er empfing. Ich enttäuschte ihn nicht, ich war damals noch so arm und ließ mich schweigend mit der Paradiesvogelfeder schmücken, die nicht mein eigen! Ich habe mir das nie vergeben können und habe es ihm auch 1822 eingestanden. Gütiger und milder war nie eine Größe als er; Hingebung eines Kindes, und kindliches Hinnehmen dessen, was vom Herzen kam, hat kaum sonst wer auf Erden je in diesem Grade geübt. Er war dabei so hold und herzig, daß sich Gütigkeit, Milde und Nachsicht von Freude über uns nicht unterscheiden ließ; denn alles sah er von der schönsten Seite, trug auf alle Erscheinungen die Reinheit und Echtheit und die Fülle innern Reichthums über. So oft ich ihn sah, und wie oft war das damals, und 22 Jahre später kam nie ein unsanftes Wort gegen Abwesende über seine Lippen, er entheiligte nie den Witz, ließ ihn nie der Persönlichkeit fröhnen, fand im Quell der Gedankenfülle der Bilder und ewig schönen Anmuth der Gefühle Würze der geistigsten Art, die des Salzes nicht entbehrte. Auch hatte er eine eigenthümliche Weise, in Sinn und Wesen seiner Lieben einzugehen und ihr Herz zu erschließen, ohne je durch eine Frage zu verletzen. Karl Maria von Weber's Wort: »Man soll in der Musik nie fragen«, übte Jean Paul in der Freundschaft.
Niemand hat größer, vollkräftiger auf das deutsche Gemüth eingewirkt als Jean Paul, ohne jemals in das Getriebe der Weltthätigkeit einzugreifen, einzig durch das was er war. Das entquollene Wort, die Ausstrahlung des Genius aus innerm Drang wirkte durch die ihm innewohnende himmlische Kraft. Keiner hatte vor ihm[161] Deutschland zum Selbstbewußtsein emporgerufen. Er kannte das, denn keinem waren wie ihm die Seelen offen und eigen. Er hatte sein Volk an sein Herz genommen, an ihm war die Generation aufgerankt und aufgeblüht, da mußte sie Frucht tragen, als ihre Sommersonne die Mittagshöhe erreichte. Er war der ethischreligiöse Erlöser des Romans, der einige Jahrzehnde vor ihm Fleisch geworden. Er kann nichts dafür, daß niemand nach ihm in seinem Geist und Sinn gewirkt; doch wird sich die Kunst in allen ihren Reichen schon wieder vergeistigen.
Was der Unverstand in seinen Dichtungen für Manier hält, war Eigenthümlichkeit. Er war kunstreich am Schreibtisch, kunstlos im Umgang, beides aus Echtheit und innerm Trieb, wie alles was er war.
Seine Erscheinung war Wesen, das aus freier Kraft zur Erscheinung hervorblühte. Niemand war einfacher von Grund aus vermöge seines Freiheitssinnes. Ueber alles ging ihm innere volle Wahrheit, Kunstlosigkeit. Der Schein konnte ihn vermöge seiner Gutmüthigkeit gewinnend täuschen, vorzüglich wo der Zauber der Jugend und blühenden Reize der Täuschung zu Hülfe kam.
Doch die Entlarvung entfremdete ihn bitter, und er blieb auf ewig abgewendet. Kinder waren und blieben ihm das Liebste und Lieblichste auf Erden, und nichts war reizender, als wenn er mit Kindern sprach. Innig mitfühlend wie mit einer Jesusseele, schöpfte er aus dem Born des Lebens die Bitterkeit unvertilgbarer Schmerzen, aber er war auch gleich mit dem Troste da. Alle seine Nachtstücke tragen am Rand ihres Horizontes den Schimmer des ewigen Morgens, und der Hesperusstrahl dringt durch alle ihre Wolken, durch alle Schatten ihres Urwaldes. Er führt in düstere Hütten des Jammers ein,[162] doch er zeigt den Sonnenstrahl, der durch die kleine Fensteröffnung in die rauchgeschwärzten Räume fällt und die Wange küßt, die der Tod schon umdämmert. Er reißt Welten nur in Trümmer, um einen Himmel zu bauen. Sein Genius brachte vollsaftiges Blühen, hier und da wol ein welkes Blatt, aber gold- und purpurgefärbt in Himmelsblau flatternd, und nur durch den glühenden Strahl frühzeitig geröthet.
In frohen Stunden wie im Leid lag etwas unendlich wohlthuendes in der harmonischen Milde seines ganzen Wesens, seines Blicks, im Ernst seines stillen Lächelns. Nie hörten wir ihn lachen, aber sein Lächeln mit dem Augenstrahl war Frühling.
Jean Paul steht in seinen Dichtungen einsam auf seiner Höhe, er hatte keine Vorgänger, und wird keine Nachfolger haben; auch steht der Cyklus seiner Schöpfungen als abgeschlossenes Sonnensystem vollendet da. Seine Bestrebung, eine reine, unbewußte, blieb stets nur Eine, und war eben durch ihre Absichtslosigkeit groß und erhaben. Seine Vielseitigkeit der Richtungen, sein Adlerschwung zu den Sternen und sein liebevolles Verweilen bei den einfachsten Anschauungen des Menschenlebens findet sich außer bei Goethe und Jean Paul nur selten und kaum sonst wo in solcher Anmuth des Einklangs wieder. Die Zeit wird seinen Werken noch erst recht entgegenreifen und wird die meisten seiner sogenannten Absprünge als durch innere Nothwendigkeit bedingte und zum Ganzen gehörige anerkennen. In seinen ersten Werken sind mehr und grellere als in den spätern. Sein Geschmack war geläuterter geworden, sein innerer Reichthum quoll freier und sein krystallheller Lauf zeigte ebenso klar die Edelsteine und den Goldhort seiner Tiefe, wie früherhin die Kiesel und Moose, die den Anfang seines[163] Ergusses bezeichnen, und die er sprudelnd im heitern Wellenspiel emportanzen ließ und zurückschleuderte.
Jean Paul versprach sich mit einer der Töchter des Tribunalraths Meyer, deren ältere Schwester, Minna, dem Hofrath Spazier ihre Hand gab. Ihre Mutter war eine Cesar. Minna war ein sehr hübsches und lebhaftes Mädchen, welche reiche Anlagen des Geistes in sich vereinigte und viel Gemüth hatte. Was in ihren ausdrucksvollen schwarzen Augen loderte, war nicht Himmelsglut, doch konnte man es eigentlich auch nicht sinnlich nennen. Ihre Schwester Karoline war ganz ihr Widerspiel. Sie sah so streng auf die Form in allen Lebensverhältnissen, wie Minna in dieser Hinsicht nachlässig war; sie übte großen Ernst und gefiel sich im Beifall der Welt, an welchen ihre Schwester gar nicht dachte. Karoline hat wenig geschrieben. Ihre Töchter sind Muster von schöner Weiblichkeit und mit Geist und Bildung begabt. Ich traf sie viele Jahre nach unserer ersten Bekanntschaft in München wieder. Ihre Mutter, die ich als reizende Braut gesehen, war nun eine angenehme Matrone. Nach oftmaligem freundlichen Wiedersehen in München misverstanden wir uns wegen meines Nekrologs von Dorothea von Schlegel, welcher Jean Paul's Witwe beigemessen wurde. Seit es Nekrologe gibt, ist dieser vielleicht der erste, der widerlegt worden ist. Der Mensch geht durch mehr innere Metamorphosen, als manche interessante Thiergattung durch äußere. Die süße Braut, die ich 1800 bewunderte, war mir eine bittere Tadlerin geworden; sie hatte nicht bedacht, daß ich nur aus Liebe gegen Dorothea Schlegel gefehlt haben konnte, wenn etwa mein Nekrolog fehlerhaft war, denn ich habe sie heiß beweint.
Im Spätherbst 1800, als nur der Mond unsere[164] kleine Wohnung erhellte, trat Jean Paul in Begleitung seines Freundes Ahlefeld bei uns ein. Der Mond goß Lichtströme über eine hohe weibliche Gestalt, in welcher uns Jean Paul eine geliebte Freundin, Ahlefeld's Verlobte, eine Gräfin Henriette von Schlabrendorf, vorstellte. Diese entzückende Erscheinung übte den mächtigsten Zauber auf mich und die Mutter. Der Abend entfloh wie ein Traum und ließ einen unauslöschlichen Eindruck in uns zurück.
Diese Gräfin Schlabrendorf war Mutter zweier erwachsener Kinder und getrennte Gattin eines Gemahls, der ihr liebevoller Freund blieb, so unglücklich ihn auch diese Scheidung machte. Der Abstand der Jahre zwischen beiden war nicht unerheblich. Beide verstanden einander nicht, ohne daß sie doch einen Augenblick aufhörten, sich anzuerkennen. Nur wenige Jahre überlebte Graf Schlabrendorf den Verlust seiner Gemahlin. Er war sehr lebhaft, herzbedrückt und zerstreut. Man fand in Dresden seinen entseelten Körper in den Wellen. Ein heißes vereinsamtes Herz hatte Kühlung gesucht, die ihm die Erde nicht gewährte. Antheil seinem Andenken, Friede seinem Geist! Er war gut, empfand zart und tief und hat die Welt so wenig verstanden als sie ihn. Kann man den bitter tadeln, der nirgends eine Zuflucht für sein Herz findet, und wol von Jugend auf nicht dazu gewöhnt war, sie in Gott zu suchen?
Wir mußten oft bei unserer neuen Freundin sein, sie war voll Milde und Nachsicht gegen mich, die derselben sehr bedurfte. Jean Paul war sehr eifrig darauf bedacht, mich für die Poesie auszubilden; er munterte mich nur allzu nachsichtsvoll auf, erhob mich nur zu sehr in meinen eigenen Augen. Ich hatte durch Walter's Lehrstunden, durch Matthissons Gedichte das Formlose in meinen[165] eigenen abzuwerfen gelernt; ich sehnte mich danach, ein Meisterstück hervorzubringen, nachdem ich einen Begriff von Silbenmaß er langt hatte. Das Meisterstück wurde fertig, aber es war hohl und saftlos; es klang gleichwol ganz artig, aber ich selbst war die erste, die seinen Unwerth bekannte. Walter verlangte es indeß für einen Almanach, den er herausgab. Jean Paul lobte es. Er hatte unrecht. Er hätte mir sagen sollen: »Helmina! In allem, was Sie bisjetzt gedichtet, ist auch kein Funke von Poesie! Das Wesen der Poesie kann kein Meister erklären, im Dichter selbst muß es tagen; ihr rechter Schlüssel ist ein schöner Schmerz, den konnten Sie auf ihrem Lebenswege noch nicht finden. Sie gewöhnen sich das Dichten ordentlich an, Sie sind betrogen und betrügen sich selbst!« Dies und Aehnliches hätte mir der Meister sagen sollen. Er that es nicht! Was er versäumt, hat das Geschick bei mir nachgeholt.
Der Tag, welcher mir Frau von Genlis entreißen sollte, erschien. Ich hatte sie vor ihrer Abreise ziemlich oft besucht und diese Zeit so wenig anzuwenden gewußt, als manchen andern günstigen Umstand meines Lebens; doch Frau von Genlis war nachsichtsvoll gegen mich. Es lag, und wahrscheinlich nicht zu meinem Glücke, bei allen meinen Fehlern und Albernheiten etwas Bestechendes in meiner Erscheinung und meinem Wesen. Wer mich sah, hielt mich für ein hübsches unkluges Kind, das in seiner eigenen Welt lebe und das auf seinem eigenen Wege wol zum Ziele kommen werde. Ich weiß nicht, wo die Menschen damals alle Nachsicht herbekommen haben; ich war leer und oberflächlich, hatte auch nicht einen richtigen Begriff vom Leben und den Verhältnissen, strebte nicht nach Wahrheit, nicht nach Einsicht, und ahnte nichts von der Gefahr, in welche mich ein solches[166] Treiben stürzen würde. So unschuldig war noch keiner schuldig, so dumm noch keiner gescheidt!
Obgleich ich in Blindheit umhertappte, hatte ich eine dunkle Ahnung von dem, was mir gebrach. Den Aufenthalt bei Frau von Genlis hatte ich mir ganz anders vorgestellt, als er sich gestaltete. Meine Mutter, die herrliche Seele, brachte ihr Opfer heldenmüthig, ohne Schmerz zu zeigen. Auch sie begann zu empfinden, was mir fehle; auch sie glaubte, es würde mir in Frankreich zu Theil werden, was mir in Berlin entrissen blieb. Zudem waren wir beide mit leerer Hand aus dem Kampfe mit unserm Geschick gegangen. Meine Mutter besaß noch das Haus allein. Baron Hastfer hatte es hinterlistig mit einer neuen Hypothek beladen. Meine ohnmächtigen Versuche, es vortheilhaft zu verkaufen, mislangen sämmtlich. Die Reise nach Paris erforderte Geld. Frau von Genlis hatte in einem ihrer Briefe versichert, General Beurnonville würde mich kostenfrei nach Paris befördern. Es ergab sich, daß sie ihn falsch verstanden hatte. Meine arme gute Mutter trieb das Reisegeld von den Hausmiethern auf. Sie würde ganz ohne Geld zurückgeblieben sein, wenn nicht Frau von Berg für sie gesorgt hätte.
O, ich hätte in Berlin bleiben, mich redlich bemühen und bestreben sollen, mit meiner Hände Arbeit meine Mutter zu erhalten. Meine edeln Freundinnen, Frau von Heidebreck, geborene von Brand, Henrike und Minna von Knebel, Auguste von Hacke, die vortreffliche Frau von Berg und viele andere würden mir durch Rath und Vermittelung beigestanden haben. Doch niemand war da, der mir gesagt hätte, was ich mir selbst hätte sagen müssen. Und ich folgte der Lockung der Hölle und verließ die kränkelnde Mutter, das geliebte Jugendland,[167] den schönen Kreis herrlicher Freundinnen, um einer fremden Frau nachzugehen, über welche die öffentliche Stimme bei weitem nicht einig war, und der es, wie sie später gestand, auch nicht einen Augenblick Ernst gewesen war, mich zu sich zu nehmen, besonders seit sie ihr Pflegekind, Kasimir Bäcker, einen Knaben voll Geist und Anlage, gefunden hatte.
Frau von Genlis fand sich bei ihrer Ankunft in Paris in ihren Erwartungen getäuscht: ihr Schwiegersohn wirkte nicht für sie, wie sie gehofft hatte. Frau von Montesson, morganatische Gemahlin des verstorbenen Vaters von Philipp Egalité, war kalt gegen sie, ein alter Haß lag dieser Kälte zum Grunde. Folgende Einschaltung wird dem Leser von Interesse sein: Es ist nicht ganz unbekannt geblieben, daß General Graf Valence in der zärtlichsten Freundschaftsverbindung mit Frau von Montesson stand. Eines Morgens, als er zu ihren Füßen lag, trat unvermuthet ihr morganatischer Gemahl, dem irgendeine Einflüsterung zu Ohren gekommen sein mußte, in ihr Zimmer. Schnell gefaßt rief Frau von Montesson dem Herzog entgegen: »Sehen Sie einmal den kindischen Valence an, da liegt er auf den Knien und will sterben, wenn ich ihm meine Nichte nicht gebe; aber das kann ja nicht sein!« Der überraschte Herzog runzelte die Stirn und rief aus: »Warum sollte das nicht sein können? Lassen Sie auf der Stelle die Gräfin Silléry holen, ihre Tochter soll sie begleiten, und hier in Ihrem Zimmer soll sofort die Verlobung sein!« Es geschah so, und eine unauflösliche Kette knüpfte zwei Wesen zusammen, die nicht geschaffen waren einander zu lieben. Das junge Paar nahm seine Wohnung bei der Frau von Montesson. »Der Rest ist Schweigen!« sagt Hamlet.
Frau von Genlis hatte erwartet, von der Regierung[168] für die Güter entschädigt zu werden, welche bei den Wirren der republikanischen Verwaltung verloren gegangen waren. General Valence wußte den größten Theil dieser Entschädigung seinen Kindern zuzuwenden; allein Frau von Genlis litt deshalb keine Noth. Sie contrahirte mit dem Buchhändler Maradan über die Fortsetzung der Romanbibliothek, welche der Graf von Tressan unter König Ludwig's XVI. Regierung gestiftet hatte. Diese Sammlung bestand aus Nachrichten über alte und neue Romane, französischen und fremden Ursprungs. Graf Tressan gehörte noch in die Zeit der Regentschaft voll Ueppigkeit und Muthwillen; er verfehlte nicht, die Speisen, die er auftischte, damit zu würzen. Die zarte Dichtung »Medschnun und Leila« erlitt unter seiner Feder widerwärtige Entstellungen, nicht minder die herrliche Dichtung »Geschichte des Grafen Gerhard von Nevers und der schönen und tugendhaften Prinzessin Euryanthe von Savoyen, seiner Geliebten«, ursprünglich in altfranzösischen Versen geschrieben und von einem französischen Literaten herausgegeben. Auch diese keusche anmuthige Dichtung war in der Romanbibliothek von Tressan entstellt. Ihre Auffindung verdanken wir Friedrich von Schlegel; die Uebersetzung ist von mir, wiewol sie unter Friedrich von Schlegel's Namen herauskam. Dorothea von Schlegel und ich übersetzten die »Geschichte des Zauberers Merlin«, deren erste Spur Schlegel gleichfalls in obengenannter Romanbibliothek entdeckte. Für die äußerste Noth war Frau von Genlis durch den Ertrag dieser Romanbibliothek geborgen. Der eigenste Grund der Handlungsweise des Generals Valence war, die Adoption an Sohnesstatt des Pfleglings der Frau von Genlis, welchem sie schon angefangen hatte ihren Namen zu geben, zu verhindern. General von Valence verbot es ihr, er[169] vermuthete, dieser Name würde zu einem Erbrecht auf ihre Güter dienen, und entzog ihr diese, um sie ihren Enkelinnen Rosamunde und Felicie zu erhalten. Niemand tadelte ihn deswegen. Frau von Genlis grollte im Stillen; doch sie bewahrte äußern Anstand, der bei Familienzwisten immer obwalten sollte. Kasimir wurde ihr lieber, je mehr ihre Angehörigen ihn fühlen ließen, daß er ihnen aufgedrungen worden.
Vor ihrer Abreise von Berlin hatte Frau von Genlis Jean Paul's Bekanntschaft gemacht; er war ihr in einer Gesellschaft vorgestellt worden. Solange Frau von Genlis in Berlin vom Ertrag ihrer Schriften und Lehrstunden lebte, war sie kaum beachtet worden. Jetzt, da sie nach Frankreich zurückberufen war, und es hieß, sie bekäme ihr Vermögen wieder, wurde sie gefeiert: denn noch immer hat die Welt den Glücklichen gehuldigt. Die Literatur ihrer Zeit hatte ihr viel Angenehmes und Nützliches zu danken, aber höchstens zeigten die Bewohner Berlins die berühmte verdienstvolle Frau einander, wenn sie in ihrem bescheidenen Costüm unter den Linden ging. Erst die Bekanntschaft mit der Itzig'schen Familie, mit Cohens, machte die große Welt aufmerksam auf sie. Jean Paul hatte stets ihre Schriften geschätzt. Er war ein Verehrer berühmter Frauen, und die Verfolger derselben dünkten ihm verächtlich. Er trat demnach der Genlis achtungsvoll und wohlwollend entgegen. Wie überrascht war er, als sie ihn anredete: »Mir ist von Ihnen, mein Herr, gesagt worden, daß Sie religiös und moralisch schreiben. Ich thue dasselbe, und bin erfreut, einen Schriftsteller zu begrüßen, der dieselbe Richtung nimmt wie ich.«
Jean Paul, der sich wol erst in diesem Augenblicke entsann, welche Polemik die Frau, die vor ihm stand,[170] gegen die Philosophen des 18. Jahrhunderts geführt, und wie lieblos sie die große Staël verfolgte, blickte sie kalt und abweisend an, und zog sich nach wenigen Redensarten in einen andern Raum des Salons zurück.
Jean Paul's Weichheit schloß eine gewisse gerechte Strenge nicht aus, er war nachsichtig, aber nur gegen unwillkürliche Vergehen. Charlotte Corday besaß seine volle Bewunderung; darüber geriethen wir in Streit, denn erst in reifen Jahren habe ich ihre That verstanden. Damals fehlte es an einem Marat, zum Glück für die Welt, und namentlich auch für mich; denn es würde mir an einem Dolche nicht gefehlt haben.
Der einzige Schmerz, den mein herrlicher Freund und Meister mir gemacht, war seine Misstimmung gegen Schiller, für den meine junge Seele glühte und immer glühen wird. Uebrigens vermied Jean Paul über Dichter und Literatur zu sprechen. Er hatte viel damit zu thun, Fragen über seine eigenen Werke zu beantworten, und nachzuforschen, welchen Eindruck sie gemacht. »Man wirst mir vor«, sagte er unter anderm, »daß ich Ideale der Vollkommenheit in den Gestalten dargestellt, die ich geschaffen. Nein, ich habe nur Mängel unberührt gelassen, die ich nicht schildern wollte. Ich kenne eine Clotilde, eine Beata, eine Hermina, sie sind wie ich sie geschildert, und wol noch herrlicher. Ihre Fehler wollte ich nicht bezeichnen, weil die Jugend sich immer noch zu höherer Vollkommenheit aufschwingen kann und weil selbst aus manchem Fehler eine Tugend hervorblüht. Die Wege, welche die Reue nimmt, gehen alle bergauf.«
Oft vereinigte der Garten beim Hofjäger den ganzen kleinen erlesenen Kreis, der sich bei uns um Jean Paul her geschlossen hatte. Ich war die Jüngste dieser Gesellschaft.[171] Kein anderer Wald von allen, die ich durchstreift, hat so viel Entzückung um mich her verbreitet, wie dieser im Heimatland. Wo gab es noch einen Jean Paul? So anspruchslos und rein blicken wenige Männer auf ein junges weibliches Wesen hin. So klar wie er hat wol kein Dichter die Frauen verstanden und mit ihnen die ganze menschliche Gesellschaft. Was er am tiefsten ersehnte, leuchtet aus seinen Schriften hervor. Seine Worte waren sein eigenes Selbst, von den Auswüchsen schweige ich: sie entspringen bei Geistern und Pflanzen aus Ueberfülle. Es sind auch in Jean Paul's Schriften fremdartige Stellen, die durchaus in keinem Einklang mit seinem Geist und Wesen sind, diese wird niemand in Schutz nehmen wollen, am wenigsten zu einer Zeit wie diese, welcher die Form über alles geht, und der vor lauter Sinnlichkeit die Empfänglichkeit für das geistig Schöne verloren gegangen ist. Es ist die Frage, ob nicht dies Streben auf eine höhere Stufe des Geschmacks und der Bildung führen und die Geister zu einer Läuterung, zur süßen poetischen Einfachheit zurückschwingen wird, die wir ersehnen müßten. Wenn die Männer das weibliche Geschlecht im Sinne Goethe's in der »Iphigenia«, und im Sinne Jean Paul's in allen seinen Schriften anschauten, so würden viele Gebrechen der menschlichen Gesellschaft geheilt werden; wenn auch viele Frauen schuld sind, daß Männer sie herabwürdigen, so sind doch auch Männer schuld, welche sie verlocken, mit Netzen umstellen, sie demüthigen und verhöhnen. Hohn ist das ätzendste Gift im menschlichen Verkehr. Zorn zermalmt und beugt, aber Hohn zerreißt die Seele. Wenn der liebende Sohn einer edeln Mutter, seit er an ihrem Busen zum Bewußtsein erwacht, so glücklich ist, von seiner Mutter aus auf alle weiblichen Wesen zu schließen, so wird er die[172] Frauen ehren und dereinst in seiner Gattin das Bild der geliebten Mutter wiederfinden. Das künftige Los der Erwählten hängt oft vom sittlichen und geistigen Werth der Schwiegermutter ab. Auch die Schwestern eines Ehegatten werden der Mutter nacheifern, und die junge Gattin wird in ihrem Kreise ein schönes Glück finden. Die Zerrüttung der Familien hingegen muß alles häusliche Glück vertilgen. Niemand weicht ungestraft vom Pfade der Tugend und Sitte ab, auf welchem der einzige wahre Führer die Religion ist. Durch die Wachsamkeit der göttlichen Vorsehung, durch das Walten der ewigen Gerechtigkeit wird auch der Gedanke, der Wunsch bestraft, der von der Tugend abirrt. Welchem weiblichen Wesen es ernstlich darum zu thun ist, würdig zu sein und zu bleiben, die möge sich unablässig strenger Selbstprüfung unterziehen, die göttliche Gnade wird mit ihr sein; denn sie hilft, wo ihr Beistand erfleht wird.
In seinen Werken ist Jean Paul wie die Magnetnadel, wie der Polarstern: er weist immer auf Gott hin. Auch sein edler Vorgänger Hippel hat die Frauen verstanden, doch nicht in dem Maße wie Jean Paul für sie gewirkt. Möchten aber auch die Frauen sich bestreben, Jean Paul, den weisen Lehrer, zu verstehen und seinen hohen Begriffen von der Vortrefflichkeit des weiblichen Wesens zu entsprechen, dann wäre die Hälfte der Arbeit gethan. Achtung und Vertrauen, diese mächtigen Stützen der Liebe, können nur aus der Vortrefflichkeit des Betragens der Frauen, aus der Reife ihrer Ausbildung, aus dem Ernst und der Würde ihres ganzen Daseins hervorgehen. Das Studium der »Levana« ist viel ersprießlicher als das von Rousseau's »Emile«. Rousseau war zu sehr mit der Gesellschaft zerfallen, durch zu widerwärtige Umgebung beengt, um von einem hohen sichern Standpunkt[173] aus ein klares Urtheil über die menschliche Gesellschaft zu fassen.
Sophiens Abirrung in »Emile«, Juliens Fall in der »Neuen Heloise« hat mich immer empört, besonders Sophiens Entwürdigung. Rousseau's Lieblosigkeit gegen seine eigenen Kinder ist verzeihlicher als seine unwillkürlichen Lästerungen des weiblichen Geschlechts in seinen Schriften; denn seine Vergehen gegen seine Kinder betrafen nur sein Haus, allein seine Schriften verwirrten einen Theil der ganzen menschlichen Gesellschaft auf unabsehbare Zeit hinaus. Man kann Jean Paul den Vorwurf nicht ersparen, daß er die Frauen etwas verweichlicht, ihre gerechten Ansprüche auf häusliches Glück etwas zu sehr in die Höhe schraubt, daß er die blos häuslichen Frauen, die er die verkochten, vernähten, verwaschenen Frauen heißt, zu ungerecht behandelt, und zu sehr für diejenigen eingenommen ist, die seine Schriften lesen und für den Dichter glühen. Auch die geraden schlichten Ehemänner, die nun eben blos für das praktische Leben erzogen worden und keine ästhetische Bildung genossen haben, kommen in Jean Paul's Schriften zu übel weg. Doch der edle Dichter hat bei alledem Gutes gestiftet, indem er die Gesellschaft anfeuert, auf die ästhetische Höhe hinaufzustreben, die sie erreichen muß, wenn Sitte und Liebe bei ihr vorwalten sollen. Karl Christian Friedrich Krause, der Gründer einer verständlichen philosophischen Sprache, ist als ein Nachfolger Jean Paul's zu betrachten. Jede Bildung erstrebende Frau sollte Krause's »Urbild der Menschheit« lesen.
Zu rasch entflog die schöne Zeit, wo ich des herrlichen Meisters Jean Paul Umgang und Lehren genoß. Bald nach seiner Vermählung verließ er Berlin mit seiner schönen jungen Frau. Er hätte dort bleiben[174] sollen oder wenigstens dahin zurückkehren, nachdem er seine Ausflüge durch andere Länder gemacht. »Berlin und Dresden sind die wahren Heimatlande für den Genius!« Ein großer Geist, ein großer Name bedarf auch einer großen Stadt, um frei zu athmen.
Einige Zeit vor seinem Abschiede sah ich Jean Paul seltener. Wenn ich aufmerksamer gewesen wäre, würde mir seine Wehmuth über mich und mein Los nicht entgangen sein. Die Thatsachen, welche man aus Girtanner's »Annalen«, die mir gänzlich unbekannt waren, über Frau von Genlis erfuhr, und der Ausspruch der öffentlichen Meinung über sie flößten Jean Paul Besorgnisse für mich ein, da ich ihr so glühend anhing, und über sie versäumte, ihn ganz verstehen zu lernen und seine zarten Winke für meine Zukunft zu beherzigen. Die meisten französischen Emigranten, ihre Familien und deren Angehörige wendeten sich mit Unwillen von ihr hinweg und nannten sie laut die Stifterin der blutigen Greuel der Revolution und der ewig fluchwürdigen Ermordung der königlichen Familie Frankreichs. Sollte sie an diesen Geschicken Antheil gehabt haben, o, so wage ich laut zu behaupten, daß Gott ihr verzeihen wird, denn sie wußte nicht was sie that. Adalbert von Chamisso's Familie gehörte zu den strengsten Richtern der weltberühmten Frau. Frau von Chamisso war sehr geachtet, ausgezeichnet durch Geist und liebenswürdige Eigenschaften und verhehlte mir nicht ein zartes inniges Mitleid und eine liebende Besorgniß wegen meiner Anhänglichkeit an Frau von Genlis. Ich war so verblendet und bethört, daß ich diese edle verständige Frau befangen vom Vorurtheil, wenn nicht gar für eine Feindin ihrer berühmten Landsmännin hielt. Ich kannte wenig geflüchtete Franzosen; es hätte mich stutzig machen[175] sollen, daß keiner von ihnen eine günstige Meinung über Frau von Genlis äußerte. Doch weder Frau von Chamisso, noch andere Emigrantenfamilien meiner Bekanntschaft hatten Thatsachen zum Beleg ihrer Behauptungen angeführt, indeß die Theure selbst in aller Lieblichkeit ihres Wesens, allem Glanz ihrer Berühmtheit, mit dem gewinnenden Zauber ihrer Herzlichkeit vor meinen innern Augen stand. Die Liebe, welche die gute sanfte Bouquet für sie empfand, erhob noch bei mir die Verdienste und die Anmuth derjenigen, die versprochen hatte, mir Mutter zu sein. Auch des edeln Freundes Gleim warnende Worte in seinen Briefen verhallten, und ich darf mir zu meiner Vertheidigung nachsagen, daß nur die Liebe und Bewunderung, welche mir Frau von Genlis eingeflößt hatte, und die Nothwendigkeit eine Existenz zu begründen mich den Armen der Mutter und den Freundinnen entriß. Mir wenigstens wurde kein anderer Beweggrund bewußt. Darum flehe ich meine Mitschwestern an, alle ihre Handlungen der strengsten Selbstprüfung zu unterwerfen, und vor allem im Gebet mit Gott zu Rathe zu gehen: der Segen wird nicht ausbleiben![176]
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