10) Der Pedant.

[78] Wäre der Pedant auch wirklich noch so gelehrt, so würde er deßhalb nicht minder aller Welt unerträglich sein, ja, dann vielleicht, eben seiner Gelehrsamkeit wegen, nur um so unerträglicher.

Die Kenntnisse, welche man zu besitzen scheinen will, erwecken oft Zweifel an denen, welche man wirklich besitzt.

Der Gesellschaftssaal ist nicht der Ort dazu, von den Wissenschaften zu sprechen, oder mit seiner Gelehrsamkeit glänzen zu wollen.

Wenn man vor den Frauen mit seinen Kenntnissen Parade machen will, wird man mit Recht bei ihnen den[78] Glauben erwecken, man habe die Gewohnheiten der Schule noch nicht abgelegt, und wäre man auch funfzig Jahre alt.

Es ist außerordentlich unhöflich, im Gesellschaftssaale Citationen aus fremden Sprachen zu machen.

Wollte man sich das in Gegenwart von Damen erlauben, so würde man durch seine Gelehrsamkeit in ihren Augen als ein Dummkopf erscheinen.

Nur ein alberner oder einfältiger Pedant bedient sich in der Welt technischer oder wissenschaftlicher Ausdrücke, die nicht allgemein bekannt sind.

Wenn man leidenschaftlich für die griechischen und die römischen Classiker eingenommen ist, so ergötze man sich an ihnen in seinem Arbeitscabinet, aber man spreche nie von ihnen in einem Salon.

Spricht man mehre Sprachen, so mache man von einer jeden nur bei solchen Personen Gebrauch, welche sie ebenfalls verstehen, nie aber bei solchen, die dadurch in Verlegenheit gesetzt werden könnten.

Die Pedanterie der Gelehrsamkeit ist eine Ziererei, die man gewöhnlich nur bei Schulmännern findet, welche sich etwas darauf einbilden, mehr zu wissen, als Andere; indessen giebt es in der Welt auch Pedanten der Musik, der Malerei, kurz Pedanten aller Arten, sogar Pedanten der Höflichkeit, und diese sind selbst sehr häufig zu finden, namentlich unter den Hofleuten. Ein greller Beweis dafür ist eine diplomatische Person, welche sich während des Wiener Congresses in Gegenwart der Königin von Bayern eine unwillkürliche Unhöflichkeit hatte zu Schulden kommen lassen und in Verzweiflung darüber zu Hause ging und sich erschoß.

Ist ein Wort aus einer fremden Sprache als allgemein gültig in die unsrige aufgenommen worden, dann muß man es so schreiben und sprechen, als gehörte es ursprünglich schon derselben an. Jede Abweichung davon ist lächerliche Pedanterie.

Bei Frauen ist die Pedanterie noch zehnmal lächerlicher, wie bei Männern.[79]

Quelle:
Fresne, Baronesse de: Maximen der wahren Eleganz und Noblesse in Haus, Gesellschaft und Welt. Weimar 1859, S. 78-80.
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