11) Der Mystificirer.

[80] Es giebt Menschen, welche sich ein Vergnügen daraus machen, Andere anzuführen, indem sie ihnen Dieß oder Jenes weiß machen, zumal Dinge, die eigentlich nicht leicht zu glauben sind, also den Schein der Dummheit oder doch wenigstens einer gedankenlosen Leichtgläubigkeit auf Den werfen, der sie dennoch glaubt.

Andere auf solche Weise zu mystificiren, setzt Bosheit voraus; diese Sucht entspringt aber zuweilen auch aus Albernheit.

Wer aus Bosheit mystificirt, zieht sich die Verachtung aller Rechtschaffenen zu, wie groß auch sein Verstand, wie ausgezeichnet seine Erziehung sein mag.

Ein Tropf kann ungestraft einen Mann von Geist mystificiren, weil dieser Letztere es unter seiner Würde halten wird, sich zu rächen.

Eine Mystification, welche gewisse Grenzen überschreitet, wird zur offenbaren Beleidigung.

Es ist erlaubt, für dergleichen Beleidigungen jede Art der Genugthuung zu verlangen.

Wer Andere zu mystificiren liebt, setzt sich dadurch der Gefahr aus, selbst noch viel ärger mystificirt zu werden und würde dann stets die Lacher gegen sich haben, ohne nur berechtigt zu sein, Genugthuung zu fordern.

Es ist sehr leicht, durch lügenhafte Erfindungen vollkommen glaubwürdiger Dinge selbst den Ungläubigsten zu mystificiren, aber einen Beweis von Verstand giebt man keineswegs durch ein so leichtes Kunststück.

Jede Mystification, welche die Gesundheit oder die Ehre irgend einer Person gefährden kann, wird zu einem unverzeihlichen Verbrechen, selbst dann, wenn die Folgen zufällig nicht ganz so schlimm sind, als sie hätten sein können.

Die Andern lachen zu machen, ohne daß dieß auf unsere Kosten geschieht, ist eine Aufgabe, zu deren glücklicher Lösung außerordentlich viel Verstand gehört; eben[80] deßhalb scheinen meistens die Dummköpfe sich damit zu befassen, denn diese zweifeln nie an sich und ihren Fähigkeiten.

Nur zwei Gelegenheiten giebt es, bei denen es erlaubt ist, zu mystificiren; aber man darf dennoch dabei die vorgeschriebenen Regeln der Sitte und Lebensart nicht vergessen. Diese Gelegenheiten sind die üblichen April-Scherze am Ersten dieses verhängnißvollen Monats, und die sogenannten Vexirspiele, welche eine – mit großer Vorsicht anzuwendende – Abtheilung der so beliebten Gesellschafts- und Verstandesspiele bilden. Und in der That gehört hier viel Verstand dazu, um mit Feinheit und Witz zu mystificiren.

Quelle:
Fresne, Baronesse de: Maximen der wahren Eleganz und Noblesse in Haus, Gesellschaft und Welt. Weimar 1859, S. 80-81.
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