24) Der Dienstfertige.

[93] Gefälligkeit ist eine sehr schöne Eigenschaft und in der Regel macht man sich durch Nichts so schnell und so allgemein beliebt, als durch Gefälligkeiten, die man bald bei dieser, bald bei jener Gelegenheit zu erweisen versteht, und selbst die kleinsten Dienstleistungen, zur rechten Zeit gewährt, werden oft sehr hoch aufgenommen und tragen unerwartet reichliche Früchte.

Dagegen aber ist nichts unbescheidener, nichts für den Verpflichteten lästiger, als die öfters wiederholte Erwähnung geleisteter Dienste oder erwiesener Gefälligkeiten, und man kann es kaum übel deuten, wenn durch ein solches Benehmen jedes Gefühl der Dankbarkeit getödtet wird.

Ist man in der Lage, einem Freunde einen Dienst erweisen zu können, so zögere man nicht, es zu thun, denke aber dabei an den Spruch des Koran; »Laß Deine linke Hand nicht wissen, was Deine rechte gegeben hat.« – Das will sagen: Vergiß selbst, daß Du einen Dienst geleistet hast, und überlasse es dem, welchem Du ihn erweisest, ob er sich daran erinnern will oder nicht. In der Regel wird der Verpflichtete sich nur dann zum Danke für verbunden halten, wenn man selbst den Dienst zu vergessen scheint.

Ohne besondere Veranlassung Jedermann und bei jeder Gelegenheit Dienste zu erweisen, ist nicht rathsam, denn oft, zumal gegen Fremde, ist das Gefühl der Dankbarkeit,[93] zumal für einen nicht verlangten Dienst, oder in einer Sache, die man geheim zu halten wünschte, ein sehr drückendes und wirkt beinahe wie eine empfangene Beleidigung, die Rache statt Dankbarkeit verlangt. Man sieht daher auch nur zu häufig, daß Handlungen, welche eigentlich den aufrichtigsten Dank des Verpflichteten hervorrufen sollten, denselben zum erbitterten Feinde dessen machten, der ihn verpflichtete. Steigern sich die Dienste bis zu wirklichen Wohlthaten, so wird das Gefühl des schuldigen Dankes häufig nur um so drückender. Daher hüte man sich vor zu großer Dienstfertigkeit. Weit entfernt, sich dadurch Dank zu erwerben, kann man gar leicht Feindschaften erwecken, die um so gefährlicher sind, weil man keine Ahnung von dem Bestehen derselben hat, da man sich nicht bewußt sein kann, sie verdient zu haben.

Eine Wohlthat, ein Dienst, welchen man ohne ganz besondere und dringende Veranlassung Dem vorwirft, dem man sie erwiesen hat, verliert allen Werth und kann unter gewissen Umständen sogar zur wirklichen Beleidigung werden.

Spricht man mit Jemand von den Diensten, die man ihm erwiesen hat, so ist das, selbst wenn man sie ihm nicht zum Vorwurf macht, beinahe eben so gut, als wenn man ihm eine Empfangs-Bestätigung über den Dank einhändigte, zu dem er außerdem verpflichtet gewesen wäre.

Nur in dem Falle, daß man irgend einen Gegendienst, eine Gegengefälligkeit verlangt, ist es allenfalls gestattet, mit Schonung und Zartgefühl auf die erzeigten Dienste hinzuweisen.

Geld borge man lieber von dem fremdesten Menschen und sogar von einem Wucherer, als von einem Freunde, denn nichts stört leichter die Freundschaft, als ein nicht pünktlich zurückerstattetes Darlehn. Wohl aber biete man einem Freunde Geld an, wenn man bemerkt, daß er deßhalb in Verlegenheit ist.[94]

Ein solches Anerbieten mache man indeß nur dann, wenn man den Verlust des Geldes verschmerzen kann, oder wenigstens nicht auf dessen pünctliche Wiedererstattung Rechnung zu machen braucht.

Im Allgemeinen beachte man bei allen Geldangelegenheiten unter Freunden das Sprichwort: Glatte Rechnung macht gute Freundschaft.

Quelle:
Fresne, Baronesse de: Maximen der wahren Eleganz und Noblesse in Haus, Gesellschaft und Welt. Weimar 1859, S. 93-95.
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