Gastfreundschaft auf dem Lande.

[44] Im Einladungsschreiben wird ausdrücklich die Dauer des Besuches erwähnt.

Bei Ankunft des Gastes am Bahnhof übernimmt der Diener das Gepäck oder den Gepäckschein. Der Gast wird im Wagen nach Hause gebracht. Damen werden von der Hausfrau, Herren vom Hausherrn in das für sie bestimmte Zimmer geleitet. Dort finden sie auch reichlich Briefpapier mit der Adresse des Ortes. Man sagt dem Gast die Stunden der Mahlzeiten und die Stunden des Postabgangs. Sonst läßt man ihm seine vollkommene Freiheit. Es werden ihm Wagen, Dienerschaft und auch das Badezimmer zur Verfügung gestellt. Seine Wünsche sagt der Gast der Dienerschaft, vermeidet es jedoch sie übermäßig in Anspruch zu nehmen.

Briefe werden im Vorplatz in einer eigenen Schale niedergelegt und von der Dienerschaft zur Post befördert.

Man findet sich nur zu den Mahlzeiten zusammen. Wie lange man nach den Mahlzeiten noch bleibt, ist Sache des feinen Gefühls. Abends erscheint man immer in Gesellschaftskleidern.

Wenn man abreist, gibt man der Dienerschaft ein sehr reichliches Trinkgeld. Sobald man zu Hause an gekommen ist, dankt man in einem liebenswürdigen Brief für die Gastfreundschaft und schickt der Hausfrau ein sehr schönes Geschenk. Man gebe sich von Anfang an nicht der Illusion hin, ein derartiger Besuch käme billiger als ein regulärer Landaufenthalt.[45]

Manchmal dürfte es auch angebracht sein, nicht gleich einer ersten Einladung Folge zu leisten, sondern einen glaubwürdigen Grund als Ablehnung zu benützen und eine nochmalige spätere Einladung abzuwarten.


Bei Jagden übernimmt der Herr des Hauses die Begrüßung und die Hausfrau erscheint nur, wenn auch Damen geladen sind, präsidiert aber niemals ein Herrenessen.

Quelle:
Gratiolet, K. (d.i. Struppe, Karin): Schliff und vornehme Lebensart. Naumburg a.S. 1918, S. 44-46.
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