Lorberkirsche

[38] Lorberkirsche, Prunus Laurocerasus, L. [Zorn, pl. med. tab. 96.] mit traubenförmig stehenden Blüthen, und immergrünen, auf der untern Seite mit zwei Drüsen besetzten Blättern, ein aus der Gegend des schwarzen Meeres abstammendes, in Deutschland fast allgemein im Freien daurendes Bäumchen, welches weiß blüht.

Die großen, glänzenden, sattgrünen, eirundlänglichten, zugespitzten, sägeartig gezahnten, dicken Blätter (Fol. Laurocerasi) haben einen starken Bittermandelgeschmack und vor sich keinen, aber gerieben einen starken, dem Geschmacke ähnlichen Geruch. Sie sind unter dem verführerischen Namen Mandelblätter und Kontantblätter, ehedem in vielen Gegenden zu der siedenden Milch und andern warmen Getränken gethan worden, des angenehmen Geschmacks wegen, wiewohl zuweilen mit gefährlichen Folgen.

Ihr wirkender Bestandtheil, der Bittermandelstoff, ist vorzüglich den Fruchtkernen mehrerer Arten dieser Gattung so wie den Pfirschkernen und bittern Mandeln eigen. Er entwickelt sich aus den Lorberkirschblättern vorzüglich bei der Siedehitze des Wassers (die rohen Blätter und der ausgepreßte Saft sind weit weniger wirksam) und scheint hauptsächlich in ihrem bei der Destillation übergehenden schweren, ätherischen Oele zu liegen, welches in Menge in dem destillirten Wasser aufgelöst bleibt.

Zur Verfertigung des letzteren wird ein Pfund zerschnittene, frische Blätter mit vier Pfund Wasser zur Destillation eingesetzt, und nur Ein Pfund Lorberkirschwasser (aqua laurocerasi) abgezogen.

Es ist eins der gefährlichsten Gifte, mit Unbehutsamkeit gebraucht; nur bewährten Aerzten sollte sein freier Gebrauch überlassen seyn. Es tödtet in großer Gabe, binnen wenigen Minuten; die Reitzbarkeit des Systems der Muskelfasern erlischt, das Bewußtseyn bleibt bis zuletzt. Milch in Menge (außer den Brechmitteln) scheint das beste Gegengift zu seyn; nächstdem Wein; auch kaustisches flüchtiges Laugensalz.

Als Arzneimittel, das ist, in kleiner Gabe, etwa zu dreisig bis höchstens sechzig Tropfen, angewendet, mindert es die Kraft des Herzens, mindert die Beweglichkeit der Muskelfaser überhaupt, und setzt äußerst kräftig das System der einsaugenden Gefäße in Thätigkeit.

Vermöge dieser Wirkungsart wirkt es antiphlogistisch, hemmt hektische Fieber, bessert das Serum, wenn es zu dick und in zu kleiner Menge im Blute vorhanden ist, löset, äußerlich und innerlich angebracht, verhärtete Drüsen auf, treibt mächtig den Harn, und vertreibt Trunkenheit von geistigen Getränken.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 1. Teil, Leipzig 1798, S. 38.
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