Sauerzitrone

[135] Sauerzitrone, Citrus medica, L. mit gleichbreit gestielten Blättern, ein immergrüner Baum, der in Persien und Medien wild wächst, in den übrigen warmen Ländern aber gezogen wird, vorzüglich häufig in Sicilien, bei uns im Winter in Treibhäusern.

Unter dem Namen Zitronen (Citri mala) bringt man die Früchte zweier Abarten in den Handel, der eigentlichen sauern Zitronen, Malus medica, Bauh. [Regnault Botan. Icon. Citronier] und der Limone [Ferrarius, Hesperides lc. Limon. vulgaris] zweier Bäume, die blos durch Abbildungen, nicht aber durch Worte zu unterscheiden sind. Die Limonien (Limones) sind kleiner, länglichter, haben eine dünnere, weniger geruchvolle Schale, aber ein saftigeres Fleisch mit einem weit saurern Safte angefüllt, als die gemeinen eigentlichen Zitronen, deren dickere Schale hingegen mehr und feineres, stärkeres Oel enthält. Leztere kommen häufiger nach Deutschland in frischem Zustande, während man von den Limonien uns nur den Saft (Succus limonum) in Fässern und das aus den Schalen destillirte wasserhelle, wohlriechende, hitzig schmeckende Limonienöl (Essentia, ol. desi Limonum) aus Indien schickt. Einen ähnlichen Saft in Fässern und Flaschen bekommen wir aus Sicilien, u.s.w.

Dieser Limoniensaft hat einen weniger aromatischen Geruch als der Zitronsaft; ist aber dagegen weit saurer, indem sechs Quentchen desselben ein halbes Quentchen Weinsteinlaugensalz sättigen. Er enthält viel schleimige Theile und ist der Verderbniß, dem Schimmel sehr ausgesetzt, wodurch er bitter wird und seine Säure verliert. Um ihn vor der Verderbniß zu schützen, giebt es nur drei sichre Wege. Der einfachste ist, enghalsige Flaschen bis an den Stöpsel damit anzufüllen und im Keller ganz unbewegt stehen zu lassen, aber von Zeit zu Zeit den Stöpsel abzunehmen, und ihn von der Schimmelhaut sorgfältig[135] zu reinigen, wodurch der Schleim im Safte allmählich zerstört, und der Saft immer dauerhafter wird. Der zweite Weg besteht darin, daß man den Saft in ein steinzeugnes Gefäß füllt, dieses aber in einen Kessel mit Wasser setzt, und diesen ins Kochen bringt, und so lange kochend heiß erhält, bis der Saft im Topfe die Konsistenz eines dicken Sirups (Rhob Succi Citri) angenommen hat, eine etwas langweilige Bereitung, die man zum Bedürfnisse auf langen Seereisen dienlich befunden hat. Der dritte Weg ist die Absonderung der Zitronsäure in krystallinischer Gestalt. Zu dieser Absicht sättigt man vier Pfund, vom schleimigen Bodensatze abgesonderten und in einem gläsernen Gefäße erhitzten Zitronsaft mit sechs Loth reinem Kreidepulver, spühlt das niedergefallene erdige Pulver (Kalkzitronsalz) mit vielem Wasser aus, und digerirt es (man wird etwas über fünf Unzen davon erhalten haben) mit drei Unzen konzentrirter Vitriolsäure mit zehn Theilen Wasser verdünnt, vier Tage lang unter öfterm Umrühren, worauf die hell abgegossene Flüssigkeit, nebst der aus dem entstandnen Gyps gepreßten, in einer gläsernen Schale fast bis zur Sirupsdicke inspissirt, und dann in Frostkälte hingestellt wird, wo die Zitronsäure in oktaedrischen Krystallen, an den Spitzen etwas abgestumpft, anschießen wird, (Acidum Citri crystallisatum), welche luftbeständig und in Wasser leicht auflöslich sind, und wovon ein Skrupel in soviel Wasser aufgelöst, als eine Zitrone Saft enthält, dasselbe zu einer dem frischen Zitronsafte gleichen Säure umschafft.

Die andern Methoden, die Uebergießung des Saftes mit Oele, oder seine Verstärkung durch Frost, schützen ihn nicht hinreichend vor Verderbniß und haben ihre andern Unbequemlichkeiten; der Saft mußte denn bei einer Kälte von 24° Fahr. wenigstens bis zum Drittel konzentrirt werden. Dieser hält sich unverdorben, während er bald eine rothe Farbe annimmt. Der nur bis zur Hälfte durch Frost verstärkte ist dem Verderben und Schimmeln unterworfen.

Der käufliche Zitronsaft wird zuweilen mit Agrest (ausgepreßtem Safte unreifer Weintrauben) verfälscht, eine Vermischung, die nicht wohl zu entdecken ist, da lezterer selbst größtentheils aus Zitronensäure bestehet. Außerdem erforscht man die Güte des Saftes durch allmähliche Sättigung mit trocknem, gereinigtem Potaschlaugensalze; fällt hiebei kein wiedererzeugter Weinstein nieder, so war der Saft nicht mit Weinsteinsäure verfälscht, und braucht er zu seiner Sättigung den zwölften Theil seines Gewichts an Laugensalze, so ist er nicht mit Wasser verfälscht, sondern gehörig stark. Fällt aber ein fein krystallinisches Salz bei der Sättigung zu Boden, welches nicht sauer, sondern bitter schmeckt, und sich nicht auf einem glühenden Scherben mit Weinsteingeruch alkalisirt, so wird es (zum Zeichen der Verfälschung des Saftes mit Vitriolsäure) Vitriolweinstein seyn, dessen Auflösung[136] die Auflösung des Hornbleies weiß niederschlägt.

Die zu uns aus den heißen Ländern geschickten Zitronen werden dort unreif abgenommen, damit sie nicht unterwegs faulen. Man bekömmt sie in Kisten jetzt größtentheils über Hamburg, ehedem auch über Amsterdam. Sie sind eine sehr häufig gebrauchte Drogue. Von ihren Schalen (Cortices Citri) schneidet man die gelbe Rinde (Zitronenschale, Flavedo corticum citri) von dem darunter liegenden weißen, unschmackhaften, schwammigen unnützen Theile (Albedo Cort. Citri) ab. Diese gelbe Zitronenschale ist von ungemeinem Wohlgeruche und enthält in kleinen Bläschen eine Menge wesentliches Oel, welches in den südlichen Ländern theils durch eine Art Auspressung (Oglio, Essenza di cedro, Oleum, Essentia de Credo) theils durch Destillation der ebenfalls frisch auf einer Art Reibeisen zerrissenen Rinde (oleum corticis citri destillatum) erhalten wird, wobei aber die zuerst bei der gelindesten Hitze, am besten im Dampfbade, ( unter Oele, ätherische), übergehende wasserhelle, ganz dünne Portion besonders aufzuheben ist (welche zum Ausmachen der Fettflecke aus seidnen und andern Zeugen dient) ehe das nachfolgende dickere Oel erscheint; man erhält überhaupt 1/80 des Gewichts der frischen gelben Zitronenschale an destillirtem Oele. Das destillirte Zitronöl ist aber lange nicht von dem erquickenden Wohlgeruche und das käufliche auch wohlfeiler als das durch Selbstausfließen aus den geritzten Zitronenschalen oder durch Auspressung erhaltene, dessen man sich vorzüglich zum Parfümiren, und zur Bereitung des arzneilichen Zitron-Oelzuckers bedient, welches aber des inwohnenden Schleimes wegen bald verdirbt, indeß das destillirte der Verderbniß nicht unterworfen ist. Aus der frischen Schale von 100 Zitronen erhält man 1 Unze des besten zuerst und von selbst ausrinnenden Oels und durch ferneres Auspressen noch eine halbe Unze. Man bringt es in kleinen Fläschchen aus Italien und Sicilien.

Auf eine andre Art zieht man das Oel aus der Zitronschale, indem man Stücken harten Zuckers auf der Rinde frischer Zitronen reibt, wodurch die Bläschen ihr Oel von sich geben, welches sich in das Zuckerstück zieht. Solchen Oelzucker pflegt man in mit Wasser verdünntem Zitronensafte aufzulösen, wodurch die sogenannte Limonade (Limonada) entsteht, ein Getränk, dem man kühlende Eigenschaften beilegt, wenn des Oelzuckers entweder nicht zuviel, oder statt des Oelzuckers bloßer Zucker zur Versüßung desselben genommen wird. Bedarf man aber des Zitronölzuckers hiezu, so ist es besser die Mischung des Oels zum Zucker genauer zu bestimmen, indem man z.B. drei Tropfen mit zehn Loth Zucker zusammenreibt und in einer Mischung von dreißig Unzen Wasser und dem Safte von zwei großen oder drei kleinen Zitronen auflößt. Auch der zu Arzneien bestimmte Zitronölzucker sollte nicht eine so unbestimmte Menge Oel enthalten,[137] als bei Abreibung einiger Stücken Zucker an der äußern Schale einer frischen Zitrone entsteht, man sollte immer ein bestimmtes Verhältniß festsetzen, z.B. acht Tropfen mit einem Loth Zucker zusammengerieben, wenn der Arzt es nicht selbst in seiner Vorschrift verordnete, wie er billig sollte. Ein Pulver von fünf Unzen weißem Zucker, einem Quentchen krystallisirter Zitronensäure und drei Tropfen wesentlichem Zitronöl innig zusammengerieben, würde das vollkommenste Limonadenpulver (Pulvis Limonadae) bilden, welches in verstopften Gläsern aufbewahrt, in der Menge einer Unze mit sechs Unzen Wasser gemischt aus dem Stegreife wahre Limonade hervorbringt.

Der Punsch (Punch, Limonada Anglorum spirituosa) ist eine Art geistiger Limonade, englischen Ursprungs. Auf den Saft von acht großen oder zwölf kleinen Zitronen und sechs Unzen Zucker mit fünf Tropfen Zitronöl abgerieben, werden vier und zwanzig Unzen kochender Theeaufguß (Thee) gegossen und zwölf Unzen Arrak (Reißbranntwein) zugeschüttet, alles umgerührt, und nach der Vermischung warm getrunken. Die vielen Veränderungen in Absicht der größern oder geringern Proportion der Ingredienzen, der Zusätze von Wein, u.s.w. gehören nicht hierher. Der Punsch wirkt nicht selten als ein Schweißtreibendes Mittel.

Den Zitronsaft rühmt man in der Gallenkolik und im hysterischen Herzklopfen. Er kühlt und scheint die Reizbarkeit des Magens und der Gedärme abzustumpfen, und aus diesem Grunde gegen einige Wechselfieber (als Hausmittel, mit starkem Kaffee gemischt) Dienste geleistet zu haben. Im Uebermaaße und öfters genossen, schwächt er die Verdauung ungemein. Ob er ein steinauflösendes und großes scharbockwidriges Mittel sei, ist noch streitig. Aeusserlich eingerieben hat er sich hülfreich im skorbutischen Rothlauf gezeigt, und im Wasserkrebs. Sonst wird der Zitronsaft häufig zur Pomeranzen- und Rosenfarbe der Seidenfärber, zur Ausmachung der Rostflecke aus weisser Wäsche, und der Flecke von Gassenkoth, Urin, und andrer laugensalzigen Substanzen aus Scharlach, und zu mehrern andern technischen Behufen angewendet.

Von arzneilichen Zusammensetzungen mit Zitronsaft kennt man das Riverische Tränkchen (Potio Riverii, Mixtura Riverii, Haustus salinus, s. emeticus) aus einem Skrupel Weinsteinlaugensalz und einem Eßlöffel voll Zitronensaft zusammengesetzt und während des Aufbrausens eingenommen, gegen einige Arten von Erbrechen ohne Materie.

Ein völliges Potaschzitronsalz (Sal absinthii citratus, Tartarus citratus) entsteht, wenn man gereinigtes Potaschlaugensalz, in destillirtem Wasser aufgelöst, in einem zinnernen Kessel ins Kochen bringt und so viel Zitronsaft, vorgängig von seinem schleimigen Theile durch Absetzen befreiet, hinzusetzt, bis kein Aufbrausen mehr entsteht, die Lauge filtrirt,[138] und sie im zinnernen Kessel bis zur Sirupsdicke abdunstet, dann in der Kälte erstarren läßt, das gelbe Salz aber in der Wärme austrocknet, und noch warm in einer verstopften Flasche aufhebt, weil es Feuchtigkeit aus der Luft anzieht. Es schmeckt kühlend salzicht; seine eigentlichen Wirkungen aber sind unbekannt, denn die auflösende, die man ihm zuschreibt, ist ein Phantasiegeschöpf der Schule.

Eben so unbekannt, und gewiß unbedeutend sind die Kräfte des unauflöslichen Pulvers, welches durch Sättigung einiger Kalkerden mit Zitronsaft entsteht (Lapides cancrorum citrati, Conchae citratae). Andre mischen geradezu die fein gepülverten Muschelschalen, oder Krebssteine mit der Hälfte Zitronsaft und trocknen das Gemisch. Wer noch dergleichen Dinge verschreibt, zeigt, weß Geistes-Kind er sei.

Zu verschiednen Absichten, z.B. zu Dekokten und Aufgüssen mancherlei Art bedient man sich, in Ermangelung der frischen Zitronschalen, auch der trocknen (Cort. Citri), die freilich viel von ihrem feinen Geruche und ihrem ätherischen Oele verloren haben. Man bringt sie in Menge, Ballenweise, aus den südlichen Ländern, aber man zieht doch unter ihnen diejenigen vor, die aus einem Stücke, wie das Viertel einer Zitrone, und recht frisch sind. Den Zitronschalen und ihrem Oele schreibt man ermunternde, Magenstärkende und Blähung treibende Kräfte zu. Beide äussern erhitzende Wirkungen. Die fein abgeschnittenen gelben Schalen frischer Zitronen ziehen, auf die bloße Haut an die Schläfen gelegt, Blasen, und heben so zuweilen hysterische Kopfschmerzen.

Die aus Sicilien zu uns gebrachten Pöckelzitronen, die durch vieltägiges Mazeriren in Meerwasser und nachmaliges Einsalzen zubereitet worden, dienen mehr zum Küchengebrauche, zu Sosen und Brühen an gekochtes Fleisch.

Eben so bekömmt man eine Abart dickschäliger Zitronen [Volckamer, Hesper. S. 116 Icon. α] in Zucker eingemacht, unter dem Nahmen Zitronat (Caro Citri, confectio carnis citri siccae, Succata, Citronata viridis) aus dem südlichen Frankreich und Italien in kleinen Krügen, der sich feucht und trocken aufbewahren läßt, aber außer dem Wohlgeschmacke, etwa in Magen-Morsellen, keinen arzneilichen Behuf hat. Er muß dunkelgrün von oben, durchsichtig, und ohne alle schwarzen Flecken seyn.

Die Zitronkerne (Sem. Citri) welche sich nie über die Hausmittelpraxis erhoben, deren besondre widrige Bitterkeit aber eigne Arzneikräfte verspricht, haben zuweilen Eingeweide-Würmer getödtet. Die Alten gaben sie unüberlegterweise zum Austreiben in Pocken und Masern.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 135-139.
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