§. [241] 268.

Die übrigen, nicht frisch zu erlangenden, ausländischen Gewächse, Rinden, Samen und Wurzeln, wird der vernünftige Heilkünstler nie in Pulverform auf Treu und Glauben annehmen, sondern sich von ihrer Aechtheit in ihrem rohen, ungepülverten Zustande vorher überzeugen, ehe er die mindeste arzneiliche Anwendung von ihnen macht153.[241]


153

Um sie als Pulver zu verwahren, bedarf man einer Vorsicht, die man bisher in Apotheken fast nicht kannte und daher Pulver, von selbst gut getrockneten Thier- und Gewächs-Substanzen, in wohlverstopften Gläsern nicht unverdorben aufheben konnte. Die auch völlig trocknen, ganzen, rohen Gewächs-Substanzen, enthalten doch noch immer als unentbehrliche Bedingung des Zusammenhanges ihres Gewebes, einen gewissen Antheil Feuchtigkeit, welcher zwar die ganze, ungepülverte Drogue nicht hindert, in einem so trocknen Zustande zu verharren, als zu ihrer Unverderblichkeit gehört, für den Zustand des feinen Pulvers aber bei weitem zu viel wird. Die im ganzen Zustande völlig trockne Thier- und Gewächs-Substanz giebt daher, fein gepülvert, ein einigermaßen feuchtes Pulver, welches, ohne in baldige Verderbniß und Verschimmelung überzugehen, in verstopften Gläsern nicht aufgehoben werden kann, wenn es nicht vorher von dieser überflüssigen Feuchtigkeit befreit worden war. Dieß geschieht am besten, wenn das Pulver auf einer flachen Blechschale mit hohem Rande, die in einem Kessel kochenden Wassers schwimmt (d.i. im Wasserbade), ausgebreitet und so weit mittels Umrührens getrocknet wird, daß alle kleinen Theile desselben nicht mehr klümperig zusammenhängen, sondern wie trockner, feiner Sand sich leicht von einander entfernen und leicht verstieben. In diesem trocknen Zustande, lassen sich die feinen Pulver, auf immer unverderblich, in wohl verstopften und versiegelten Gläsern aufbewahren, in ihrer ursprünglichen, vollständigen Arzneikraft, ohne je mietig oder schimmlicht zu werden; am besten, wenn die Gläser vor dem Tageslichte (in verdeckten Büchsen, Kasten, Schachteln) verwahrt werden. In nicht luftdicht verschlossenen Gefäßen und nicht vom Zugange des Sonnen- und Tageslichtes entfernt, verlieren alle Thier- und Gewächs-Substanzen mit der Zeit immer mehr und mehr an ihrer Arzneikraft, selbst im ganzen, weit mehr aber noch im Pulverzustande.

Quelle:
Samuel Hahnemann: Organon der Heilkunst. Nach der handschriftlichen Neubearbeitung Hahnemanns für die 6. Auflage, Ulm 1958, S. 241-242.
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