Schlußwort.

[149] Obgleich es nun noch so manchen Fehler giebt, welcher hier wohl dem weiblichen Geschlechte zur Last gelegt und beleuchtet werden könnte, so glaube ich doch, daß das Vorhergesagte dem denkenden jungen Manne ein genügender Leitfaden zu Einrichtung seines Betragens gegen Damen seyn wird, indem die gerügten Untugenden den Grund alter übrigen, welche sämmtlich aus ihnen entstehen, deutlich zeigen, und in den besprochenen die Nachtheile und trüben Folgen der nicht weitläufig berührten[149] leicht zu erforschen und durch vernünftiges Betragen zu vermeiden sind.

Es mögte wohl keinem Jünglinge schaden, wenn er ernst über die vorhergehenden Blätter nachdenken, und sich das Beste davon zu eigen machen wollte; wer mit Verstand lieset, wird die Originale meiner Schilderungen leicht in seinen Umgebungen finden, und mir dann Uebertreibung sicher nicht vorwerfen – er benutze dann auch die Winke, welche ich ihm gab, und er wird manches peinliche Verhältniß in ein freundliches oder doch erträgliches umgestaltet finden, und sich und denen, welche mit ihm umgehen, manches Mißverständniß, manchen Aerger ersparen.

Was ich von der Verderbtheit vieler junger Leute sagte, ist leider nur zu wahr und bestätigt sich dem aufmerksamen ernsten Beobachter täglich mehr – ich will nicht behaupten,[150] daß in diesem Rückwärtsschreiten guter Sitte das wahre Unglück unsrer Zeit liegt, aber unbezweifelt ist es, daß das ausschweifende Leben, der Hang zum Luxus, welcher je längere Zeit, je mehr zunimmt und in allen Ständen mit wahrhaft fürchterlicher Gewalt den sonst blühenden Wohlstand so mancher Familie vernichtet, und in seinen Folgen auf das Herz und die Sitten der Menschen einen traurigen, unzuberechenbaren Einfluß hat – ich sage daß dieser Luxus vorzüglich seinen Sitz im Haupte der jetzigen jungen Welt hat, und daß die härtesten Worte ihn zu bezeichnen nicht streng genug sind.

Was wird aus dem Jünglinge, der jetzt seinen Hang zum üppigen, verschwenderischen Leben gar nicht zu hemmen sucht, für ein Hausvater – was aus der Jungfrau, die schon jetzt, wo ihr Wille noch beschränkt ist, eitlen Tant und Putz, Bälle[151] und Concerte, Klatschereien und seichte, oder verführerische Romane einer stillheitern Beschäftigung, einem einfachen häuslichen Leben weit vorzieht; was soll aus ihr für eine Hausfrau werden? Die genossenen Freuden haben dann das Herz für wahres Glück unempfindlich gemacht, und beide schleppen ihr Leben, dem nur Intriguen oder verächtliche Speculationen noch Reitz geben, in kalter Unbehaglichkeit dahin, und sind dennoch so thöricht, ihre Kinder zu dem nämlichen Unglücke zu erziehen!

Nochmals rufe ich es Euch zu, mäßigt Euch, genießet – aber mit Verstand und Bezähmung Eurer selbst; jedes Menschen-Herz ist ja empfindlich für die wahre Freude, warum wollet Ihr die Eurige in unerlaubtem Genusse suchen? Das Glück ist allein unverfälscht und rein, welches auf ein gutes Gewissen, auf Religion und Wahrheit des edlen Sinnes gestützt ist, bei dessen[152] Genusse kein Erröthen statt findet, als das freudige Erröthen des verdienten Lohnes, dessen Reiz kein böser Gedanke, keine herbe Erinnerung trübt; während der sinnliche, eitle Genuß immer von den Furien des Gewissens und der Schaam begleitet ist.

Selten wird ein Mensch aus Grundsatz ein Bösewicht, fast immer durch den Reiz irdischen Glückes oder durch Verführung; vor Letzterer, ich wiederhole es, hüte sich besonders ein junger Mann, welcher in die große Welt tritt. Die Schlange des Versuchers lauert unter Rosen und dem ersten Schritte nach der Pforte des Bösen folgen die nächsten unaufhaltsam. Mögten doch dieß meine jungen Leser recht reiflich überlegen, mögten sie doch die erste unwürdige Handlung vermeiden, und Herz und Sinn dadurch immer rein erhalten! Sie werden dann in ruhiger Heiterkeit[153] ihres Lebens froh werden und in spätester Zeit mit Freude auf die wohldurchbrachte Jugend zurückblicken, als auf die wahre Zeit der Saat, deren Früchte reifen entweder zu Schmerzen oder zu Wonne und Segen.

Damen, denen das Vorstehende zu Gesicht kam, muß der Verfasser schließlich wiederholend um Verzeihung bitten, daß er es wagte, gegen alle Regeln der Galanterie in so fern zu fehlen, als er sich nicht scheuete, oft gefühlte und leider selten gerügte (eben aus Galantrie schweigend getragene) Mißbräuche mit unbarmherziger Hand zu prüfen, und Fehler, die so wenige zugestehen wollen, streng zu tadeln.

Quelle:
Hoffmann, Karl August Heinrich: Unentbehrliches Galanterie-Büchlein für angehende Elegants. Mannheim 2[1827], S. 149-154.
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