V.

[36] In St. Gallen endlich lernte ich bessere Tage kennen. Bei meinem Wanderleben hatte ich mir an den sogenannten »Schmieren« Repertoir und ein Fach geschaffen. Ich war in St. Gallen als erster Komiker engagiert, bezog eine monatliche Gage von 250 Frcs. – ich konnte mir anständige Kleider kaufen, und weil Kleider Leute machen, fand ich auch Zutritt in Familien und Gesellschaften, ich wurde von den guten St. Gallern bald »Unser Junkermann« genannt, eine Bezeichnung, die mehr sagt, als ellenlange Kritiken.

Zu meinem Benefiz gab ich die Posse: »Robert und Bertram« und erhielt auf meinen Teil 518 Frcs. Soviel Geld hatte ich mir nie träumen lassen – dazu Blumen und Kränze – ich war zum erstenmale in meinem Berufe glücklich.

Kurz vorher hatte ich noch auf einem Bierkeller in Karlsruhe gespielt, wo ein Sommertheater nach Art der österreichischen offenen Arenen aufgeschlagen war und das Publikum unter Gottes freiem Himmel sitzt, mitunter auch die Schauspieler keine andere Soffiten als den blauen Himmel haben oder bei Regenwetter unter aufgespannten Regenschirmen den angefangenen Akt zu Ende spielen.

Das Karlsruher Hoftheater stand damals unter der Leitung Eduard Devrients, der absolut alles Komische – auch im bessern Genre – von der Hofbühne fernhielt. Ich erinnere mich einmal »Götz von Berlichingen« dort gesehen zu haben, Deetz spielte den Götz, Hock den Selbitz – aber die meisten Zuschauer im Parquet schliefen.[37]

Ich saß neben einer Dame, die mich von Zeit zu Zeit anstieß. Anfangs glaubte ich, sie wolle mich in ihrem Enthusiasmus auf die Schönheiten der Goethe'schen Dichtung aufmerksam machen, bei dem wiederholten Anstoßen indes schlug mein junges Herz in künstlerischen Wallungen, denn ich wähnte eine Verehrerin neben mir sitzen zu haben, die ich draußen auf dem Bierkellertheater zu flammender Begeisterung für die Kunst gebracht, die im Hoftheater keine Heimstätte gefunden; als aber ihr Kopf mit einem intensiven Ruck auf meine Schulter fiel und ich schon den linken Arm aufhob, um ihr eine bequemere Lage einzuräumen, stammelte sie: »Entschuldigen Sie – welcher Akt ist das?« Sie hatte geschlafen und ich war aus allen Himmeln gerissen! Anfangs war ich geneigt, dem Publikum zu grollen, das vor einem Goetheschen Werke sich in Morpheus Armen wiegt – allein der Mensch kann nicht immer Austern und Kaviar essen, in der Abwechslung liegt der Reiz.

Ich habe so oft gefunden, daß unsere Theaterleiter durch die Monotonie des Repertoirs meistens ihre Abonnenten einlullen und das Theater um den Besuch des übrigen Publikums bringen.

So auch Devrient in Karlsruhe. Wer wollte dem bedeutenden Bühnenleiter Eduard Devrient sein Verdienst um die deutsche Schauspielkunst abstreiten – aber durch stete Vorführung des ausschließlich Klassischen erzielte er ein Resultat, wie ich es erzählt. Die Karlsruher schliefen sektionsweise damals in ihrem Theater – das Publikum strömte denn auch in Scharen zu uns auf den Bierkeller, wo ich namentlich in der Rolle des Peter in »Der Kapellmeister von Venedig« großen Beifall fand.

Wie die Operetten heutzutage den Geschmack des Publikums verderben, und uns statt Menschen, Karrikaturen und Affen für die Bühne liefern, so verdarb ich damals den klassischen Geschmack der Karlsruher. Als Peter blies ich Trompete, spielte Kontrabaß, Zither etc., geigte wie der musikalische Clown im Zirkus in allen möglichen und unmöglichen Stellungen, sang[38] Couplets und machte Witze, die, so haarsträubend sie waren, das Publikum zu dem lautesten Beifall hinrissen. Ich wurde außerordentlich beliebt durch diese Rolle, ja es zirkulierte sogar bei den Bewohnern Karlsruhes eine Liste, die ein Bittgesuch an den Hoftheaterdirektor Devrient enthielt, mich für die Hofbühne zu engagieren. Unendlich viele Unterschriften fand dies Bittgesuch – aber ein Resultat hatte es nicht. Auch konnte ich's Devrient nicht verdenken, wenn er nicht darauf einging, ich war damals nichts als ein Spaßmacher, von einer Charakteristik einer Rolle hatte ich noch keine Idee. Aber der Hofschauspieler Carl Wilke in Karlsruhe wollte wissen, daß ich mir in besserer Schule die Eigenschaft des Charakterisierens erwerben könnte und empfahl mich dem damaligen Direktor Brauer für das Karltheater in Wien. Als ich in St. Gallen den Winter verblieben war, kam ich im Frühjahr darauf ans Karltheater zu Wien.

Kaum daß ich durch einige mir zusagende Rollen in Wien festen Fuß gefaßt, brach der Bankerott über den Direktor des Karltheaters herein, das Theater wurde wegen Mangel an Publikum geschlossen und wir Schauspieler zogen in alle Winde. Mich verschlug es nach Pest.

Direktor Alsdorff hatte dort den hölzernen deutschen Musentempel inne. Der Mann hatte ein großes Vermögen dort schon zugesetzt, die Magyaren ließen ihn aber mit seinen Bestrebungen um deutsche Kunst sitzen, obwohl er gute Kräfte unter seinem Personal hatte. Ludwig Barnay und den jetzigen Intendanten des Meininger Hoftheaters, Hofrat Chronegk traf ich dort an. Ich hatte mich als Gast dorthin gewagt und hatte wohl keine Berechtigung dazu, wenigstens schienen die Magyaren an mir kein Gefallen zu finden, sie besuchten das Theater nicht. Guldenweise fiel mir der winzige Gastspiel-Anteil zu – und kreuzerweise mußte ich ihn mir holen. Im Theaterbureau drängten die Gläubiger den armen gequälten Direktor und jeder war froh, ein paar Kreuzer zu erwischen.

Wie ganz anders war vor kurzem mein zweiter Besuch in Budapest – ich komme später darauf zurück.[39]

Damals war der Nationalhaß der Ungarn gegen Deutsche groß – ich ging arglos mit dem Cylinder auf dem Kopfe über die Straße, um meine Besuche zu machen, als ein Ungar auf mich zutrat und mir mit wuchtigem Schlag den Hut antrieb, daß ich eiligst ins Hotel zurückkehrte und das den Ungarn so arg beleidigende deutsche Kleidungsstück gegen einen alten Filzhut umtauschte, mit dem ich unbeanstandet meine Besuche nunmehr machen durfte.

Ich schnürte bald darauf wieder mein Bündel und zog nach Deutschland, wo ich in Stettin denn bald ein Engagement fand. Damals florierte die Berliner Coupletposse, durch die ich hinreichend Gelegenheit fand, mich in die Gunst der Stettiner hineinzuspielen. Wir hatten eine brillante Saison. Die Posse »Unruhige Zeiten« wurde wohl 30–40 Mal vor ausverkauftem Hause gegeben, allein der Direktor Sasse hatte an den Nachwehen schlechter Saisons zu leiden.

Direktor Sasse wohnte im Theatergebäude. So kurz der Weg von seiner Privatwohnung zur Bühne auch war – ich habe ihn nur ein einziges Mal bei der Probe gesehen, und das geschah auch nur wider seinen Willen.

Wir probierten eben eine neue Posse, als der Direktor in Hemdsärmeln auf die Bühne stürzte, auf die Versenkung trat und in höchster Aufregung rief: »Versenkung herunter! Versenkung herunter!« Der Theatermeister lief unter das Podium und nach wenigen Sekunden verschwand die Versenkung mit dem Direktor. Im selben Augenblick stürzte eine Schar von Exekutoren und Gläubigern – damals gab es noch Wechselhaft – auf die Bühne und standen um den gähnenden Abgrund der Versenkung. Alle entlegenen Winkel unter der Bühne wurden durchschnüffelt, aber: Roß und Reiter sah man niemals wieder! Der Direktor war verschwunden aus Stettin für immer – wir spielten unter einem Komite, das sich gebildet, die Saison zu Ende, und wieder zog ich Engagement suchend nach Berlin.

Es bot sich mir bald ein solches – ich kam ans Stadttheater nach Bremen.[40]

Dort fand ich Jahre lang die ersehnte Ruhe und künstlerische Befriedigung. Bremen sehe ich heute noch als meine zweite Heimat an, und ich wäre wohl nie von dort fortgegangen, hätte nicht der dumme Ehrgeiz mir immer solche Streiche gespielt.

Ich war unter drei Direktoren in Bremen: Ritter, Behr und Feldmann. Ritter und Feldmann sind längst tot, aber der alte gute Direktor Behr lebt noch in Leipzig, und wenn ihm diese Zeilen zu Gesicht kommen, mögen sie ihm herzliche Grüße bringen. Meine Sympathien für ihn sind nicht erloschen und[41] mancher Kollege, der das Glück hatte, mit ihm zu schaffen und zu wirken, wird dasselbe fühlen.

Diese alten biederen Theaterdirektoren stehen heute auf dem Aussterbe-Etat – es war eine schönere Zeit am deutschen Theater als heute, wo die Jagd nach dem Gelde die Interessen der Kunst beiseite setzt, wo der Schauspieler willenlos den Mausefallen-Kontrakten als Leibeigener verfällt, wo wie eine Zitrone sein Talent ausgepreßt wird und es dann heißt: der Mohr hat seine Arbeit gethan, der Mohr kann gehen!

Bremen war früher ein Theater ohne namhafte Subvention von der Stadt, aber am Theater zu Bremen altgewordene Mitglieder wurden aus Pietät bis zu ihrem Ende von der Direktion engagiert, auch wenn sie keine sonderliche Verwendung mehr für sie hatte. Der alte »Sympher«, die alte »Hübsch«, »Johanna Beckmann«, wie schön, wie human hat Bremen und seine Direktoren an ihnen gehandelt! Ihre ersten Schritte haben sie auf die Bremer Bühne gesetzt, sind alt und grau darauf geworden, und konnten sie nichts mehr leisten, so bezogen sie ihre Gage nach wie vor, und ehrenvoll hat man sie dort zur letzten Ruhestätte getragen. Und ob »die Nachwelt dem Mimen keine Kränze flicht« – Bremen spricht heute noch mit Liebe und Verehrung von den Dreien.

Mein Nachfolger in Bremen, mein alter Freund Maneck feierte, als ich im vergangenen Winter auf meiner Reise nach New-York durch Bremen kam, sein 25jähriges Jubiläum dort. Welch ein festlicher Tag, welche Ehren wurden ihm zuteil! Maneck empfängt alljährlich zu seinem Benefiz in Bremen ungemein praktische Aufmerksamkeiten. Er hat eine große Familie und der Bremer ist praktisch. Lorbeerkränze sind ja eine sehr schöne Sache, und geben dem Künstler die Weihe – aber Bremen gibt Maneck verwendbarere Dinge, als: Kaffee, Thee, Schinken Würste und Haushaltungsgegenstände aller Art.

Es mag hier mancher über Bremens Eigentümlichkeit lachen – aber deshalb bleibt Maneck doch ein guter Komiker, und diese Viktualien machen auf ihn als Familienvater mindestens ebenso[42] guten Eindruck als Lorbeerkränze, mit denen so viel Blendwerk fürs Publikum verbunden ist! – Das Reelle liebt Bremen nun einmal, so auch in seinen Direktoren.

Behr wie Feldmann schlossen selten schriftliche Verträge mit den Bühnenmitgliedern ab, es wurde einfach mündlich vereinbart: »Sie bleiben bei mir«, damit war der Kontrakt geschlossen. Ein Wort genügte, und sie haben es stets treulich gehalten, auch wenn Undank ihr Lohn war.

Und auf welcher Stufe stand damals das Bremer Theater! Die hochangesehensten Namen in der deutschen Kunstwelt, wie: Haase-Capitain, Geisthardt, Frau v. Voggenhuber, Krolop, Schelper (der jetzige Leipziger Bariton), Straßmann-Damböck, Mitterwurzer, Rübsam, Cassati etc. zierten damals die Bremer Bühne.

In sozialer Beziehung nahmen die Bühnen-Angehörigen eine hervorragende Stellung ein. In jeder Familie, bei jedem Feste waren sie gern gesehen. –

Neben dem Bremer Stadttheater giebt es auch noch das Sommertheater, »Tivoli« genannt, welches, solange es mit dem Stadttheater vereinigt war, gute Geschäfte machte, ja sogar oft das Defizit des Stadttheaters decken mußte – übernahm es aber irgend ein obscurer Direktor, kam meist die »Pleite«!

Eine gute Zeit hatte es unter seinem Besitzer Lührs als Direktor, der, ein einfacher Bierwirt, sich einen artistischen Leiter engagierte und im übrigen »vor dem Biere« sorgte.

Auch mich hatte Lührs in einem Sommer mal als seine rechte Hand engagiert. Es machte auf mich einen merkwürdig komischen Eindruck, als ich in den Garten trat und nach dem Herrn Direktor fragte, um mich ihm als seinen technischen Leiter vorzustellen. »Dort in der Ecke«, wies mich ein vorbeieilender Kollege an. In der Ecke war aber niemand außer einem »bierseidelspülenden Manne« mit aufgekrämpelten Hemdsärmeln und einer grünen Schürze vor. »Verzeihen Sie,« redete ich diesen an, »wo treffe ich wohl Herrn Direktor Lührs?« Da wischt der Mann sich die Hand ab, streckt sie mir bieder[43] entgegen und sagt im schönsten Bremer Platt: »Ah, kick mol, Du büst woll Junkermann? – na dat freut mi bannig, goh' man nah boven, sei probieren all.«

Ich war zuerst starr, dann aber dämmerte es in mir auf, daß der Herr Direktor vor mir stände; und so war's auch.

Trotz alledem war Lührs eine prächtige alte Haut und sein Sommertheater hat die größten Künstler gesehen.

In späteren Jahren gastierte ich dort bei einem Direktor H. Ach lieber Gott, das war eine tolle Wirtschaft! H. hatte ein großes Personal engagiert, und als die Geschäfte nicht gingen, die ganze Operette an einem Tage entlassen und nur das Lustspiel behalten. Dadurch waren ungefähr 30 Personen brotlos geworden und einige handfeste Choristen hatten ihm grimmige Prügel angedroht. H., der kleine etwas bucklige Direktor, schwebte nun in steter Angst, daß diese Drohungen ausgeführt würden.

Eines morgens trete ich in den Tivoli-Garten und sehe Direktor H. aus dem Theater kommen. Darauf schien nun einer der Choristen gewartet zu haben und dieser trat ihm mit unzweifelhafter Geste entgegen. H. ihn sehen und im Galopp auf sein Bureau zustürzen war eins. Die Choristen hatten sich mittlerweile sämtlich angesammelt und rennen ihm nach. Der Regisseur, um ein Unglück zu verhüten, den Choristen nach, seine Braut, eine kleine niedliche Soubrette, voller Angst dem Regisseur nach, und so geht die wilde Jagd über Blumenbeete und Rasen. H. erreicht noch glücklich sein Bureau, schließt zu, und mit Mühe sind die Choristen zu bewegen, die Belagerung der Thüre aufzugeben, sie hätten ihn zu gerne gelyncht.

Solche Scenen kamen öfter vor. Man erzählt, daß der Kaiser von Rußland, der Kaiser von Deutschland, Bismarck und alle großen Männer stets von Geheimpolizisten umgeben sind – der Theaterdirektor H. war nach obigem Vorfall auch ein großer Mann geworden, wenigstens hatte auch er von da ab beständig einen Polizisten in Zivil im Garten des Bremer Tivoli's, um doch eventuell einen Schutz zu haben. – –[44]

Es wurde im Bremer Stadttheater als Schlußvorstellung der abgelaufenen Wintersaison »Figaros Hochzeit« gegeben. Beliebte Mitglieder wie Frau Mayr-Olbrich (jetzt in Darmstadt) u.A. wurden durch Lorbeerkränze und Blumen ausgezeichnet. Dem Baritonisten R. wurden solche Ehren nicht zu teil. Du lieber Gott, die Theater-Enthusiasten erweisen diese Ehre nicht jedem, der es verdient, dazu gehören gute Freunde, intime Bekannte. R. besaß deren vielleicht in Bremen nicht und erhielt bei aller Beliebtheit keine Blumen und Kränze. Das ärgerte und verstimmte ihn dermaßen, daß er seine Partie des Grafen fallen ließ und dieselbe ganz nonchalant heruntersang. Je mehr Blumen den Anderen zugeworfen wurden, desto apatischer wurde R., er markierte seine Partie nur noch. Bei seinem Abgange ertönt Zischen und Pfeifen aus dem Parquet. R. dreht sich in der Mittelthüre der Bühne nach einmal um, zuckt verächtlich die Achseln – und geht ab. Das Zischen wird nun vernehmlicher. Als er wieder auftritt, empfangen ihn dieselben intensiven Laute und zwar recht anhaltend. R. hört nun auch auf zu markieren, öffnet nur noch den Mund als sänge er, und steht teilnahmlos und unbekümmert um seine Mitspielenden auf der Bühne. Beim Abgange Sturm und Geheul im Auditorium. R. tritt später wieder auf, und orkanartiges Zischen und Brausen empfängt ihn. »Abgehen – abgehen! – Herunter von der Bühne – er verhöhnt uns!« schallt's wütend aus dem Publikum. Nun kommt die Stelle im letzten Akt, wo der Graf zu singen hat: »O Engel, verzeih mir! O Engel verzeih mir«!; anstatt zur Gräfin diese Worte zu singen, stürzt R. in den Vordergrund der Bühne, und mit verächtlich abwehrender Handbewegung schreit er mit dem ganzen Aufwande seines mächtigen Organs die Stelle variiert ins Publikum: »Nein niemals verzeih ich Euch – nein niemals verzeih ich Euch«! Der Kapellmeister Hentschel klopft ab, das Orchester schweigt, das Publikum rast. R. tritt mit lächelndem Gesicht an die Rampe, kreuzt die Arme übereinander und macht Miene zu sprechen. »Herunter von der[45] Bühne – Ruhe – anhören – still – nein, nein, fort mit ihm« – tönt es im wirren Durcheinander aus dem Parquet herauf. »Thedor schast man 'runner kamen, Du kannst jo nich mihr« – schrie's von der Galerie. Das Publikum, erheitert durch diesen Zuruf, wird ruhig, und R. kann endlich sprechen[46] und beginnt: »Es ist beleidigend für einen Künstler, wenn ein Publikum nur einzelne Mitglieder am Schluß der Saison durch Blumen und Kränze auszeichnet. Ich habe in der verflossenen Saison gegeben, was Herz und Kehle vermag, das beweist mein Nelusko, mein Fliegender Holländer und andere Partien. Denjenigen, die mir durch Beifall ihr Wohlwollen heute ausgedrückt, danke ich von ganzem Herzen, die übrigen aber können – – –. Hier schwieg des Sängers Höflichkeit, nur eine verdächtige Kehrtwendung machte R. noch und ging schleunigst ab.«

Das Publikum geriet aus Rand und Band. Der Oberbürgermeister, Direktor Feldmann u.A. stürzten auf die Bühne. Der Direktor Feldmann bat um Verzeihung und suchte das Publikum zu beruhigen. Vergebens! Die Vorstellung war zu Ende. R. verschwand heimlich durch eine Hinterthür des Theaters und reiste noch denselben Abend 11 Uhr 45 mit dem Schnellzuge ab.

Quelle:
Junkermann, August: Memoiren eines Hofschauspielers. Stuttgart [1888]., S. 36-47.
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