Zwanzigstes Kapitel

Vielliebchen.

[82] Eine Dame hüte sich, mit einem Herrn ein Vielliebchen zu essen, von dem eine Aufmerksamkeit ihr peinlich sein dürfte.

Ein verlorenes Vielliebchen gestattet einem Herrn durchaus noch nicht, einer Dame ein kostbares Geschenk zu machen.

Ein solches Vorgehen wäre ganz gegen den guten Ton, da es die Dame, wenn sie der guten Gesellschaft angehört, in die peinlichste Verlegenheit bringen könnte, falls der betreffende Herr ihr nicht sehr nahe steht.

Ein Herr, der mit einer jungen Dame Vielliebchen gegessen hat, ist eigentlich verpflichtet, sie gewinnen zu lassen, da doch eine Dame einem Herrn, der ihr nicht sehr nahe steht, keine Aufmerksamkeit erweisen kann.

Sollte dennoch ein Herr durch Zufall ein Vielliebchen gewinnen, so darf die betreffende Dame ihm nur eine ganz unbedeutende Aufmerksamkeit erweisen.[82]

Quelle:
Kallmann, Emma: Der gute Ton. Berlin 1926, S. 82-83.
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