Siebenundzwanzigstes Kapitel

Militär – Beamtenstand.

[102] Verhältnis zwischen Untergebenen und Vorgesetzten im Privatleben.


Bei den enggezogenen Grenzen, in denen Militär und Beamtenstand sich dienstlich gegenüberstehen, ist es, wenn diese privatim miteinander verkehren, schwer, den richtigen Ton zu treffen, wenn nicht bereits vertrauensvolle Freundschaft und achtungsvolle Zuneigung die Betreffenden so eng verbindet, daß außeramtlich jede vorschriftsmäßige Schranke wegfällt.

Die einem höheren Beamten untergeordnete Person wird gut tun, auch außeramtlich einen respektvollen Ton beizubehalten, zu dem sie im Amt verpflichtet ist. Erst wenn jemand durch kollegialisches, freundschaftliches Entgegenkommen seines Vorgesetzten hierzu aufgefordert wird, darf er zutraulicher und mitteilsamer werden. Der Unterbeamte selbst aber soll nie die Initiative zu solchem Vorgehen ergreifen, da er, wenn vielleicht[102] schroff zurückgewiesen, entweder sich gedemütigt fühlen oder, was noch schlimmer, Groll gegen seinen Chef fassen könnte, der ihm im amtlichen Verkehr mit dem Betreffenden viel Mißhelligkeiten bereiten würde.

Hingegen sollte der Beamtenchef in seinem eigenen Interesse außeramtlich in zutraulicher, anteilnehmender Weise mit seinen Untergebenen verkehren, ihren Privatinteressen, falls sie der Anteilnahme würdig sind, ein wenig Gehör schenken und die amtlich bedingten Schroffheiten durch außeramtliche Freundlichkeit und Güte zu mildern suchen.

Ein Chef, der sich derart zu seinen Unterbeamten stellt, handelt nur im eigenen Interesse, denn mit verdoppeltem Eifer werden diese, durch das freundliche Verhalten ihres Chefs beeinflußt, amtlich in das Räderwerk ihrer täglichen Pflichten eingreifen und somit dem Oberbeamten seinen verantwortungsvollen Posten erleichtern.

Zudem sollte auch im amtlichen Verkehr zwischen Beamten und Untergebenen der sogenannte gute Ton nicht ausgeschlossen sein.

Dasselbe gilt vom Militärstande, der, wenn er auch unwillkürlich schon in Anbetracht seiner schrofferen Individualität im gegenseitigen Verkehr zwischen Vorgesetzten und Untergebenen eine schneidigere Form seitens des Vorgesetzten nicht[103] allein gestattet, sondern sogar notwendig macht, sich dennoch immerhin noch in seiner Art eines gewissen guten Tons bedienen kann, wofür viele hervorragenden Militärs einen glänzenden Beweis liefern.

In jedem Falle wird auch hier eine gewisse Mäßigung des Tons, eine möglichst wohlwollende Behandlung mehr fördernd wirken, als unduldsames, unfreundliches, schroffes Vorgehen. Auch von Militärpersonen gilt ihren Vorgesetzten gegenüber dasselbe wie von den Beamten. Sie sollen im Privatleben ihren Vorgesetzten ebenso zurückhaltend und disziplinvoll begegnen wie im Dienst, und erst auf deren persönliche Anregung mehr aus der Reserve herausgehen.[104]

Quelle:
Kallmann, Emma: Der gute Ton. Berlin 1926, S. 102-105.
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