Sechsundsechzigstes Kapitel

Verlobung.

[208] Drum prüfe, wer sich ewig bindet.


Eine Verlobung ist unbestritten der schwerwiegendste Schritt des Lebens.

Man soll daher sehr genau und reiflich überlegen, ehe man sich zu diesem Schritt entschließt. Beide Teile müssen sich vorher genau überzeugt haben, daß sie gegenseitig füreinander passen. Wenn ein junger Mann sich um die Hand einer jungen Dame bewirbt, muß er äußerst taktvoll dabei zu Werke gehen.

Er muß sich vorher ebenso der Zustimmung der Eltern wie der jungen Dame vergewissern.

Ob man die Werbung erst dem Mädchen seiner Wahl oder deren Eltern vorträgt, das hängt von Umständen ab.

Bitten sich die Angehörigen oder das junge Mädchen selbst Bedenkzeit aus, so hat man nicht auf das Jawort zu drängen. Das ist gegen den guten Ton.[208]

Sieht man während der Verlobungszeit ein, daß man sich in der Wahl geirrt hat, daß der oder die Betreffende vermöge ihrer Herzens- und Geisteseigenschaften nicht dazu angetan sind, glücklich zu ma chen, so scheue man ja nicht eine Lösung aus Rücksicht vor der Welt, vor dem Eklat. Wohl ist eine solche Lösung sehr peinlich für die Betreffenden, aber verglichen mit einem lebenslänglich unglücklichen Dasein doch immerhin das kleinere Übel.[209]

Quelle:
Kallmann, Emma: Der gute Ton. Berlin 1926, S. 208-210.
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