Siebenundsechzigstes Kapitel

Brautstand.

[210] Nach der Verlobung wird der Verlobte im Hause seiner Braut als Familienmitglied empfangen.

Es ist Sitte, der Braut nach der Verlobung einen Blumenstrauß zu schicken.

Nach der Verlobung tauscht das Brautpaar die Verlobungsringe resp. auch schon die Trauringe aus, die während des Brautstandes am Goldfinger der linken Hand getragen werden.

Es ist Sitte, nach der Verlobung an die beiderseitigen Bekannten und Verwandten Verlobungsanzeigen zu schicken.

Diese gehen stets von den Brauteltern aus; zuweilen schickt man nur an auswärtige Bekannte Verlobungsanzeigen.

In diesem Fall hat die Verlobung statt besonderer Meldung in der Zeitung zu stehen. Gewöhnlich feiert man die Verlobung mit einem[210] kleineren oder größeren Fest, ein paar Tage nach der offiziellen Verlobung. Doch ist ein solches Fest nicht unbedingt nötig.

Ein Brautpaar hat drei Sonntage hintereinander zum Empfang der Gratulationsbesuche anwesend zu sein, falls der Verlobte am Ort ist.

An den darauffolgenden Sonntagen hat das Brautpaar die Besuche zu erwidern.

Bei den Erwiderungsbesuchen schickt das Brautpaar, wenn der Wagen vor der Tür der zu besuchenden Familie hält, einen Lohndiener mit beiderseitigen Visitenkarten, die meist durch ein schmales Seitenband verbunden sind, herauf, um anzufragen, ob die Herrschaft zu Haus ist.

In neuerer Zeit werfen Brautpaare des öfteren auch nur ihre Karten ab.

Sie sollen in Gegenwart anderer nicht zärtlich miteinander sein.

Ein Bräutigam soll unter allen Umständen galant gegen seine Braut sein.

Auch gegen Schwiegereltern und Geschwister seiner Braut hat er aufmerksam zu sein. Desgleichen muß die Braut gegen die Verwandten ihres Bräutigams verbindlich sein.

Ist die Braut eine Witwe, so hat die Hochzeit möglichst kurze Zeit nach der Verlobung stattzufinden. Hat sie Kinder aus erster Ehe, so hat[211] der Verlobte gegen diese aufmerksam und liebenswürdig zu sein.

Dieselbe Pflicht hat die Braut im umgekehrten Falle.

Es ist gegen den guten Ton, ein Brautpaar allein verreisen zu lassen.[212]

Quelle:
Kallmann, Emma: Der gute Ton. Berlin 1926, S. 210-213.
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