Ordnen des Zimmers.

[27] In einem wohlgeordneten Zimmer müssen nicht allein die Möbel gut erhalten, gehörig abgestaubt, die Fenster mit reinen Vorhängen versehen (den einfachsten farbigen ist vor unsaubern weißen Gardinen der Vorzug zu geben), Messing, Schlösser und Griffe blank geputzt sein, sondern es hat auch jedes Stück seinen festen zweckentsprechenden Platz, von dem es nicht, nach Jedermanns Belieben, fortgerückt werden muß.

Das Sopha wird die längste Wand des Zimmers einnehmen; ist man genöthigt, dasselbe in die Nähe des Fensters, oder gar unter dasselbe zu stellen, ist Sorge zu tragen, daß kein Zug die darauf Sitzenden trifft.

Schreib- und Nähtisch sind so zu stellen, daß das Licht möglichst beim Arbeiten auf die Hand fällt. Der Spiegel muß seinen Platz an einer Stelle finden, wo man ihn benutzen kann. Nichts ist ungemüthlicher, als wenn der Spiegel so hoch über dem Sopha hängt, daß er nur einen Zierrath von sehr zweifelhaftem Werthe – denn jedes Bild würde an der Stelle hübscher sein – bildet.

Das Zimmer muß den Eindruck machen, als ließe sich gut darin sein und obgleich man nicht jede Spur des Bewohnens daraus verbannen kann und soll, so müssen doch Tische, Commoden und Stühle nicht zugekramt werden.

Wer am Schreibtische beschäftigt war, lege seine Schreibereien zusammen, ehe er aufsteht. Wer eine Näherei oder Schreiberei vornahm, räume alle die dazu gebrauchten Sachen in einen Korb, ehe er das Zimmer verläßt.

Es ist weit leichter ein Zimmer hübsch zu ordnen, als es auch den Tag über in diesem guten Zustande zu erhalten und es ist dieses nur zu erreichen, wenn das Geschäft des Aufräumens ununterbrochen fortgesetzt wird. Dazu muß jeder einzelne das Seinige thun und sich nicht[27] gestatten, dieses oder jenes aus Bequemlichkeit liegen zu lassen in der Absicht, später das Versäumte nachzuholen.

Einige Menschen haben die entsetzliche Gewohnheit, ihre Taschentücher nicht in der Tasche zu tragen, sondern sie in die Ecken des Sophas zu stecken, oder um die Lehne der Stühle zu schlingen. Sie werden gewiß selbst wissen, wie widerwärtig dergleichen ist.

Noch andere deponiren ihre Hüte, Paletots, Muffs u.s.w., genug, die vollständige Garderobe zum Ausgehen in der sogenannten besten Stube, wo man dann oft kein Plätzchen leer findet.

Noch andere errichten ihre Speisekammer dort und sieht man eine Collection von Butter, kaltem Fleisch, Wurst etc. in buntem Durcheinander.

Weder für die Garderobe noch die Speisen ist ein solcher Ablagerungsplatz zuträglich, und schicklich ist so etwas doch gewiß nicht.

Noch ein Wort über Antimacassar und Tischdecken, die sich oft in desolatem Zustande befinden und uns zerrissen präsentirt werden. Da sie gewissermaßen zur Ausschmückung des Zimmers dienen, soll man sie auch nicht flicken und stopfen.

Fettflecke auf dem Fußboden, oder gar die Spuren der Köpfe oder Hände an der Tapete, machen einen unsaubern Eindruck und ist streng darauf zu achten, daß solcher Uebelstand vermieden wird. Auch soll man keines der Möbel so nahe an die Wand schieben, daß ein Loch in der Tapete entsteht.

Hat man Bilder im Zimmer, und wie kahl erscheint es ohne einen solchen Schmuck –, so müssen dieselben symetrisch aufgehängt werden, die größeren in die Mitte, die kleineren herum gruppirt. Bei der Gelegenheit möchte ich empfehlen, beim Aufhängen von Spiegeln und größeren Bildern stets etwas Papier um den Nagel zu wickeln, und auch darauf Acht zu geben, daß solches den Nagel immer bedeckt, da es sonst leicht geschehen kann, daß der Strick von Rost zerfressen wird und so ein vielleicht kostbarer Gegenstand, zu Boden fallend, Schaden nimmt.

Ferner ist es nothwendig, die Griffe der Fenster[28] stets fest zu schließen, denn geschieht dieses nicht – selbst da, wo sich die Fenster ein wenig klemmen – werden sie, nachdem Regenwetter eingetreten, dermaßen gequollen sein, daß jede Anstrengung vergeblich ist. Für Ventilation hat man aber auf andere Weise als durch schlecht schließende Fenster zu sorgen.

Jede Beschädigung im Zimmer ist so schnell als möglich wieder herzustellen, sei dieses nun ein Stückchen abgerissener Franze am Teppich oder eine Rosette, eine Verzierung, die von einem Möbel sich loslösend, angeleimt werden muß.

Auf den Schreibtisch gehört ein Tintefaß, das weder mit Tinte bespritzt, noch mit Staub bedeckt sein darf. Der Arbeitskorb der Hausfrau muß so geordnet sein, daß man jedes Stück auch im Dunkeln finden kann. Mit einem Worte, das ganze Zimmer bezeuge den Ordnungssinn seiner Bewohner und erlaube es ihnen, ohne sich geniren zu müssen, jederzeit einen Fremden darin empfangen zu können.

Quelle:
Kistner, A.: Schicklichkeitsregeln für das bürgerliche Leben. Guben 1886, S. 27-29.
Lizenz:
Kategorien: