Chapeau claque

[35] Wie die meisten modischen Bezeichnungen, so ist auch diese falsch. »Chapeau claque« ist ein dreieckiger zusammendrückbarer Hut, der zum Galaanzug der Zivilpersonen, Botschafter, Räte, Minister usw. gehört. Was bei uns Chapeau claque heißt, nennt der Pariser »gibus«. Nach dem Pariser Hutmacher Gibus, der den früheren Chapeau bas, der so flach war, daß er nie aufgesetzt, sondern nur unter dem Arm getragen werden konnte, durch einen genialen Mechanismus aufspannbar und zusammenklappbar machte.

Ob deutscher »Claque«, ob französischer »Gibus«, ob englischer »Opera hat« – das Aussehen ist überall gleich. Ein mit Tibetstoff oder Seidenrips bespannter, stumpfer Zylinder. (Stumpfe Filzzylinder gehören ganz wo anders hin.)

Der – nennen wir ihn also Claque – ist die einzige Kopfbedeckung, die zum Frack möglich ist. Und nur zum Frack.

Man trägt einen Hut zum Anzug, nicht zum Mantel. Infolgedessen darf man selbst zu einem Pelz keinen Claque tragen, wenn man darunter einen Smoking an hat.

Vor noch gar nicht so langer Zeit trugen die Kavaliere im Ballsaal ihren Chapeau claque unter den Arm gepreßt umher. Sorgfältig in den Rand des Hutes geklemmt lagen die Handschuhe. Weiße, ungebrauchte Glacés.

Wie anders ist das heute. Die Gesellschaft verwarf den Chapeau claque in geschlossenem Zustande. Ein Claque ist heute für den Gentleman nur noch in aufgespanntem Zustande denkbar. Höchstens im Wagen, in der Garderobe klappt man ihn zu. Der Chapeau claque trägt innen ein schweres, schwarzseidenes Futter. Für ganz penible Leutchen einen kleinen runden Spiegel. Die Form ist weniger den Schwankungen der Mode unterworfen als die des Zylinders. Sie ist meist hoch und wenig geschweift mit flachem Band und niedrigem Rand.[36]

Chapeau claque und Zylinder sind zwei ganz verschiedene Welten. Der Chapeau claque ist der Abendhut für Oper und Ball, der Zylinder der Tageshut für Straße und Empfänge. Der eine Attribut des Frackes, der andere des Gehrockes und Cutaways. Der blanke Zylinder zum Frack ist also dasselbe Unding, wie der Chapeau claque zum Gehrock.

Derartig meteorartig auftauchende modische Regeln, wie das »Klappverbot« für den Chapeau claque, verbreiten sich mit einem Schlage über alle Regionen internationaler Herreneleganz. Und der verständige Sinn der neuen Mode rief in Kreisen Pariser Elegants eine Panik hervor, die sich auf die uralte Pariser Sitte stützte, den Hut mit in den Zuschauerraum der Theater zu nehmen.


Chapeau claque

Noch heute sieht man ängstlich bemühte alte Herren ihren Claque auf der Erde unter ihrem Sitz bergen oder an die Logenbrüstungen und Gitter klemmen, während andere kühner nach vergeblichen Bemühungen ihn schließlich – und das ist die Inkonsequenz – doch zusammenklappen.

Ängstlich warten sie die drei Klopfschläge, die den Beginn der Vorstellung verkünden, ab, und kaum ist der Vorhang gefallen, so knallen die Hüte allerorten auseinander, als ob sie nie geschlossen gewesen wären, und mit Stock und Handschuhen wandeln die Pariser ins Foyer.

Quelle:
Koebner, F. W.: Der Gentleman. Berlin 1913, [Nachdruck München 1976], S. 35-37.
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