Tennis

[97] Glühend heiß brennt die Hochsommersonne auf die wundervoll angelegten und nach allen Regeln der Kunst gepflegten Tennisplätze der Kurverwaltung, auf denen gerade das große internationale Turnier abgehalten wird, das alljährlich die Elite der internationalen Spieler vereinigt. Der Match neigt sich bereits seinem Ende zu, und die Endkämpfe, die besten Spieler gegeneinander führen, haben ein zahlreiches elegantes und distinguiertes Publikum angelockt. Auf den meisten Plätzen ruht schon das Spiel, da jeder, der nicht durch die unerbittliche Strenge der Turnierleitung gezwungen ist, selber zu spielen, die Gelegenheit wahrnimmt, sich den Kampf der beiden besten Spieler anzusehen, der gerade auf dem Platz vor der Terrasse ausgetragen wird. Ein dichter Kranz von Zuschauern umgibt den Platz, auf dem die beiden schlanken, eleganten Gestalten mit Anspannung aller Energie, aller Muskeln und Nerven sich den Siegespreis streitig machen. Endlich, nach erbittertem Kampf, gelingt es dem deutschen Meister durch ein lang vorbereitetes, klug berechnetes Manöver, den Gegner in die Enge zu treiben, noch gelingt es diesem, den Ball im letzten Moment zu erhaschen und zurückzugeben, aber mit wenigen schnellen Schritten steht der Deutsche am Netz, und ehe sein Gegner seine Position wieder[98] einnehmen kann, saust der Ball in eine Ecke, wo er ihn unmöglich mehr erreichen kann.


Tennis

»Game and first set to Mr. N. change sides, please«, verkündet die monotone Stimme des Schiedsrichters von seinem hohen Empirestuhle, während sich die atemlose Spannung des Publikums in begeistertem Applaus für die hervorragenden Leistungen der bei den Champions Luft macht. Einen kurzen Augenblick ruhen sich die beiden aus, laben sich mit ein paar Schluck kalten Tees oder Limonade, plaudern ein paar Worte mit den Bekannten, dann greifen sie schon wieder nach den Rackets, und weiter geht der Kampf. Auf den sanft ansteigenden Rasenflächen, die die Plätze umgeben, im Schatten der Bäume, die die Anlage einfassen, ebenso wie auf der Terrasse stehen bequeme Korbstühle, von denen aus man wunderschön den Spielen zusehen, plaudern und seinen Tee oder einen geeisten Drink zu sich nehmen kann. Aber für die Menge der begeisterten Enthusiasten, die wirklichen und soi-disant Sachverständigen ist die Entfernung bis zu den Spielern zu groß. In weitem Kreis stehen sie um den Platz geschart, verfolgen mit angespannter Aufmerksamkeit jede Bewegung, jeden Ball und spenden für jeden hervorragenden Schlag reichen Beifall. Fast alles ist in Weiß, was diesem Sport eine ganz eigene koloristische Note gibt. Für die Spieler ist überhaupt jede andere Farbe ein Ding der Unmöglichkeit. Weiß sind Hemd und Beinkleid, Bluse und Rock; weiß Schuhe und Strümpfe, weiß auch die Kravatte, falls man ohne eine solche nicht auskommen zu können glaubt. Der wahre Sportsman zieht es vor, ohne diese, mit geöffnetem Hemdkragen, zu spielen.[99] Nur als Gürtel sind seidene Schärpen in den Klubfarben sehr beliebt.


Tennis

Auch bei den Herren der Schöpfung findet das Weiß immer mehr Anklang, mag man nun den weißen Flanellanzug oder das weiße Beinkleid zum dunkelblauen Jackett vorziehen (nur sollte man keine braunen oder – noch fürchterlicher – lacklederne Schuhe dazu tragen!). Natürlich gibt es Tennis und Tennis. Tennis auf Privatplätzen, wo die Bälle so bedrohlich hoch in die Luft gehen, daß man für die Fensterscheiben der Nachbarschaft fürchtet und Tennis auf öffentlichen Turnierplätzen, wo die Bälle centimeterhoch über das Netz sausen, wo die Spieler ein Meter hinter den Strich treten und jeder Ball eine viertel Stunde lang gespielt wird.


Tennis

Während man in Berlin auf den Plätzen der großen Klubs, besonders auf den reizend im Grunewald gelegenen Plätzen des Berliner Lawn-Tennis-Turnier-Klubs, ziemlich dasselbe Bild findet; wo die Spieler mit Hilfe von Berufstrainern in angestrengter Arbeit sich für die Wettspiele vorbereiten, und im Sommer, nachdem das große Berliner Pfingstturnier den Reigen eröffnet hat, ihre Reise nach all den Plätzen machen, wo wertvolle Preise dem Sieger winken: Heiligendamm, wo nicht jeder beliebige Sterbliche an dem Turnier teilnehmen darf, das fast regelmäßig vom Kronprinzen und anderen höchsten und hohen Herrschaften durch aktive Teilnahme ausgezeichnet wird, sondern wo es einer Aufforderung durch das Komitee bedarf; Warnemünde, Heringsdorf. Zoppot, Hamburg, Homburg, Wiesbaden, Baden-Baden und wie sie alle heißen.

Quelle:
Koebner, F. W.: Der Gentleman. Berlin 1913, [Nachdruck München 1976], S. 97-100.
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