8.

[273] Bayreuth, 4. Januar 1876.


Ach, liebes, gutes Kind!


Sie sind wirklich die einzige, die ich »da draußen« als Menschen kenne! Auf keinen ist Verlaß. Wären Sie nur überall! – So schreibe ich vor zwei Wochen an Eckert, in mehreren Angelegenheiten, auch was unser Orchester betrifft. Gut! Was das eine betrifft, läßt er mir durch Wieprecht antworten. Das war ganz gescheidt! Nun aber vermeidet er mir zu schreiben, warum? Weil er mir eine Notiz über die Tristan-Angelegenheit geben müßte, welche – natürlich allen Not und Scham macht. Ich hab' von Anfang herein – und zwar ohne allen Ärger! – auf den Tristan in Berlin nicht gerechnet. Es ist zu sonderbar zu glauben, daß man für dieses Werk, auch nur in betreff der Anfangsgründe, ohne mich sich behelfen zu können glauben kann! Nun aber kommen immer Gerüchte zu mir. Das neueste, ich würde im Januar in Berlin erwartet, »um mit Hülsen, Niemann, Betz, Fricke und Voggenhuber über die ›Besetzung‹ des Tristan zu konferieren«. Da ich gar nichts sonst erfahre, wäre mir dies alles gleichgültig. Nun kommt aber der Fall, daß ich in einer Prozeßsache gegen den Musikhändler Fürstner, welche ich nicht leicht nehme, sehr wahrscheinlich bald einmal nach Berlin kommen muß. Ist nun irgend etwas mit dem »Tristan« vor, so wünschte ich natürlich gern, die beiden Angelegenheiten kombinieren zu können. Somit würde mir eine ganz klare und aufrichtige Darlegung des Standes dieser letzteren Angelegenheit sehr willkommen sein. Ich bitte nun Sie darum!

Was ist's mit der »Bayreuther Soiree oder Matinee«? Ich möchte das nicht wehren, wiewohl ich jede Einladung für Bayreuth,[273] d.h. für das Zustandekommen von Bayreuth ein Konzert u. dergl. zu geben, abgewiesen habe, da ich, wenn ich die Aufführungen mit Bestimmtheit ankündige, nicht noch für die »Ermöglichung« derselben agitieren kann. Es haben sich große Widerwärtigkeiten und Erschwerungen eingestellt, und wir leiden sehr darunter. Doch an der Sache selbst lasse ich keinen Zweifel mehr aufkommen. – Gelegentlich melde ich Ihnen zur weiteren Verbreitung, daß Scaria nicht (wie er unverschämterweise in den Wiener Blättern hat angeben lassen) für 3 Monate 2000 fl., sondern für Monat August allein 7500 Mark und sonst für jeden Tag im Juli 250 Mark verlangt hat; worauf ich natürlich um unserer übrigen Kollegen willen, auf seine Mitwirkung verzichtet habe. (Dies so eine kleine Verdrießlichkeit nebenbei! –)

Wie dumm ist es mir auch in Wien mit der Amman gegangen. Bis in die letzten Tage meines dortigen Aufenthaltes, während welchem ich endlich die Siegstädt geworben hatte, läßt sie nichts von sich hören; am Tage vor meiner Abreise meldet sie sich mit ihrer Adresse. Ich hatte keine Zeit mehr und habe nun auch ihren Brief – mit Adresse! – verloren.

Seitdem schreibt mir nun aber die Siegstädt wieder ab, die Partie scheint ihr nicht recht gewesen zu sein. Nun bereue ich wieder die Amman. Wo mag diese stecken?

Eine Altistin für die Fr. v. Müller habe ich auch noch nicht; aber Fr. v. Müller schreibt und gratuliert mir fortgesetzt als »Walküre«.

Solcher Unsinn kommt immerfort vor! So! nun habe ich Ihnen, meiner Regisseurin und Komplottistin, alles gemeldet. Bleiben Sie mir gut! Geben Sie Marie und der guten Lammert von mir einen herzhaften Kuß und gedenken Sie in treuer Liebe

Ihres geplagten aber guten

Richard Wagner.

Quelle:
Lehmann, Lilli: Mein Weg. Leipzig 1913, S. 273-274.
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