21.

[70] Bayreuth, 22. Jan. 81.


Liebstes Kind!


Schnell ein paar Worte, um Sie zu ärgern! Die Sache mit Hülsen ist anders!

Bereits hier (in Bayreuth) hatte er die Unver(frorenheit), die Oper »Walküre« von mir zu verlangen; worauf ich ihm diente. Seit 41/2 Jahren agitiert er für die Ansicht, daß nur die »Walküre« »zugkräftig« sei und alle Theater mit den Nibelungenstücken sich ruinierten. Bronsart in Hannover verbot er den Nibelungenring und erließ für alle preußischen Hoftheater ein Gesetz, daß dort nichts gegeben werden dürfte, was nicht für Berlin angenommen wäre; – was mir insofern leid tat, als ich den Nibelungenring z.B. gern Hannover, nie aber Berlin unter Hülsen und seinen Kapellmeistern und Regisseuren überlassen haben würde. –

Die Sache mit Neumann ist aber so: – ich erklärte diesem sehr rührigen und fleißigen Direktor, daß ich ihm die Aufführung im Viktoriatheater, nicht aber im Hoftheater gestatte; seine Konferenz mit Hülsen am 5. Dezember war ein Spiel: bei der Eröffnung derselben teilte ihm Hülsen mit, er habe mir soeben – mit bezahlter Antwort – telegraphiert, ob, wenn er mit Neumann zusammen den ganzen Zyklus aufführe, er dann das Recht hätte, die Walküre allein zu geben. Neumann bot ihm die[70] Wette an, daß ich gar nicht antworten würde. So geschah es in der Tat: Hülsen hatte mir jene Anfrage telegraphiert und blieb bis heute ohne Antwort von mir. –

Was Ihr getan habt, zeigt viel esprit de corps! Doch allen Respekt davor, glaube ich – daß – hätte ich Hülsen günstig geantwortet – er Euch schon zu beruhigen gewußt haben würde. – So ist's, mein Kind! Und zur Steuer der ewigen Wahrheit teile ich es Ihnen mit, während es sonst mich unterhält, das Gefasel und Gelüge in den Zeitungen unbeachtet zu lassen!

Gebe Gott, daß Sie von Hülsen nicht für Parsifal geniert werden! –

Und – tausend Dank und herzliche Freude über Ihren soeben gelesenen Brief.

Ihr

R. Wagner.

Quelle:
Lehmann, Lilli: Mein Weg. Leipzig 1913, S. 70-71.
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