Metasprache – was ist das?

[198] Dieser Begriff ist dem vorhergehenden eng verwandt; ja, die beiden können sich überschneiden. Unter Metasprache (wörtlich etwa: ›Sprache darüber‹) verstehen die Linguisten »Sprache über Sprache«, also jedes Reden, das auf die Form eines bestimmten Stücks Sprache Bezug nimmt. Wissenschaftlich gesehen, [198] sind zum Beispiel alle Äußerungen der Sprachwissenschaft als Metasprache zu bezeichen, weil sie über Sprachliches reden.

Metasprache spielt aber auch im Alltagsleben eine große Rolle. Wenn ich zu meinem Gesprächspartner sage: »Das hättest du nicht sagen sollen«, oder aber: »Gut gesagt!«, oder etwas distanziert: »Gut gebrüllt, Löwe!, oder schulmeisterlich: »Dieses Wort sollte man nicht brauchen«, dann setze ich mich (ablehnend oder zustimmend) mit der Form dessen auseinander, was der andere gesagt hat, rede also metasprachlich. Aber auch solche grundsätzlichen Stoßseufzer wie: »Es ist leider so, daß wir beide eine ganz verschiedene Sprache sprechen«, sind metasprachliche Äußerungen.

Der Begriff der Metasprache überkreuzt sich wie gesagt mit dem des »argumentum ad hominem«. Es kommt sehr oft vor, daß eine Äußerung zugleich eine Kritik der Person (argumentum) und eine Kritik von deren Sprache (Metasprache) ist. Das gilt zum Beispiel von der ebenso primitiven wie häufigen Reaktion: »Schwatz nicht so blöd!«, welche gleichzeitig die Sprache und den Sprecher angreift. Wahrscheinlich ist die Kombination von »argumentum ad hominem« und Metasprache sogar häufiger als die Metasprache allein, da die meisten Menschen dazu neigen, zusammen mit der Sprache auch den Sprecher zu kritisieren. Die »isolierte« Metasprache, die sich nur mit der Sprache beschäftigt und den Sprecher in Ruhe läßt – Typus: »Da gebrauchst du einen subtilen Ausdruck« – setzt ein großes Maß an Differenzierung voraus.

Die Metasprache ist an sich weder gut noch schlecht. Es gibt immer wieder Situationen, in denen sie gebraucht werden muß – angefangen beim Verweis an kleine Kinder, wenn sie bedenkenlos Kraftwörter gebrauchen (s. oben Seite 31 ff.). Auch unter Erwachsenen muß man sich von Zeit zu Zeit auf gute oder schlechte Sprachgewohnheiten aufmerksam machen und sich nicht einfach von der Sprache beherrschen lassen. Die Schauspiele von Franz Xaver Kroetz zeichnen Menschen, die sowohl ihrer eigenen Sprache wie auch der des Partners völlig unkritisch[199] gegenüberstehen, ja, ihr ausgeliefert sind – ein abschreckendes Bild. Es geht also nicht ohne Metasprache.

Andererseits muß man ein Übermaß vermeiden. Es herrscht bei vielen Menschen, besonders bei manchen jungen Intellektuellen, die Gewohnheit, die Sprache des Partners endlos zu zerpflücken. Der Dialog kommt dann vor lauter »das hättest du anders sagen sollen« und »dieses Wort hat mich gekränkt« sachlich überhaupt nicht weiter. Was ein Zerreden von Äußerungen für die Beziehungen von Menschen zur Folge haben kann, sieht man in Bergmans »Szenen einer Ehe«, bei manchen Figuren von Frisch, bei vielen Personen in Lawrence Durrells »Alexandria Quartet«, in Malcolm Bradburys Romanen, besonders »The History Man« und, wenn wir ins 19. Jahrhundert zurückgehen, natürlich wieder bei Fontane. Schon als bloßer Leser, den diese Äußerungen ja nicht persönlich angehen, fühlt man bei solchen Szenen auf die Dauer eine gewisse Irritation. In der gelebten Wirklichkeit kann ein Übermaß von Metasprache einen oder beide Partner völlig erschöpfen und aushöhlen, kann Aggressionen provozieren und natürlich auch entladen.

Zum Schluß sei hier noch auf einen Roman hingewiesen, in dem es von metasprachlichen Bemerkungen der Heldin – über andere und über sich selbst – nur so wimmelt, bei dem aber der Leser alles so treffend und gescheit findet, daß er keinen Augenblick irritiert wird. Es ist der Kriminalroman »Compromising Positions« von Susan Isaacs (1975). Wer eine spannende, erotisch angereicherte Kriminalgeschichte – um eine kluge und attraktive »grüne Witwe« in einer Villenvorstadt von New York – lesen mag, der sei auf diesen Roman aufmerksam gemacht; er wird bei der Lektüre unaufdringlich und in amüsanter Form alle Schattierungen von Metasprache demonstriert bekommen.


[200] ZU BEACHTEN


Die Ironie ist eine zweischneidige Waffe. Fast immer wirkt sie kränkend, also soll man sie nur mit Vorsicht und Zurückhaltung verwenden. Manche Gegenden und manche Stände haben mehr Verständnis für Ironie als andere. Ironie ist dann zu vermeiden, wenn man sozial »abwärts« spricht.


Das »argumentum ad hominem« besteht darin, daß man, statt beim bisherigen Gesprächsgegenstand zu bleiben, plötzlich den Gesprächspartner zum Thema macht. Die Diskussion, die vorher sachlich war, wird dann persönlich, und die Folge davon ist fast immer ein Streit. Man kann das »argumentum ad hominem« nicht verbieten, aber man kann den anderen, wenn er es braucht, aufmerksam machen und es selbst nach Möglichkeit vermeiden.


Paracelsus sagte: Allein die Dosis macht es aus, ob die Arznei zum Gift wird oder zum Heilmittel. Ähnlich ist es mit der Metasprache: Das richtige Maß entscheidet; ein Zuwenig und ein Zuviel sind beide schädlich. Man muß die Möglichkeit haben und benutzen, zu sagen: »Höre, wie du dich da ausdrückst, gefällt mir nicht.« Aber ein beständiges Herumkritteln an der Redeweise des Partners kann eine Beziehung zerstören.

Fußnoten

1 Für alte und neue Definitionen der Ironie s. Edgar Lapp, Linguistik der Ironie, Tübingen 1992.


2 Herbert Schöffler, Kleine Geographie des deutschen Witzes, Nachdruck Göttingen 1955 und öfters.


3 Ingmar Bergman, Szenen einer Ehe, Heyne Taschenbuch S. 37.


Quelle:
Leisi, Ilse und Ernst: Sprach-Knigge oder Wie und was soll ich reden? Tübingen 21993.
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