Wechselnamen

[75] Wohl die Mehrzahl aller Anreden sind Wechselnamen. Mit diesem Wort bezeichnen wir hier Personennamen, die je nach dem Verhältnis des Sprechers zum Angesprochenen wechseln müssen. Den Gebrauch solcher Wörter lernt schon ein Kind – wenn auch oft nicht ohne Mühe. Das Kind hat zu sagen: »Tante Ida«, die Mutter sagt: »Ida«, der Ehemann »Schatzi«, Außenstehende [75] sagen »Frau Krause«, und doch handelt es sich immer um die gleiche Person.

In vielen Fällen funktioniert der Gebrauch dieser Wechselwörter ohne jede Schwierigkeit. Es gibt aber doch einige Probleme. Nicht so sehr die Deutschen, wohl aber manche Schweizer haben oft Schwierigkeiten bei der Bezeichnung der Ehefrau und des Ehemannes. Hier sind nämlich zwei Dinge zu unterscheiden:


– Wie bezieht man sich auf die Frau eines anderen Mannes und auf den Mann einer anderen Frau?

– Wie bezieht man sich auf die eigene Frau – auf den eigenen Mann?


Zur ersten Frage: In England ist es weithin üblich – in der Schweiz war es bis vor einigen Jahren allgemein üblich – sich auf die Ehefrau des Herrn X. mit dem Namen X. zu beziehen. Man pflegt also Mr. Debenham zu fragen: »How is Mrs. Debenham?«. Und in der Schweiz fragte man bis vor kurzem Herrn Nägeli: »Wie geht es Frau Nägeli?«

In Deutschland dagegen, und mehrheitlich auch in Österreich, fragt man seit vielen Jahren direkt: »Wie geht es Ihrer Frau?«, »Wie geht es Ihrem Mann?« Alles andere wird als altväterisch angesehen. Auch in der Schweiz hat sich in den letzten paar Jahren diese Form fast durchgesetzt.

Wer besonders höflich sein will, kann natürlich gehobenere Ausdrücke verwenden: »Ist Ihre Gattin/Ihr Gatte schon zurück?«, oder gar: »Dürfen wir Ihre Frau Gemahlin/Ihren Herrn Gemahl auch erwarten?« Aber: »Ihre Frau«, »Ihr Mann« ist immer korrekt.

Und nun zur zweiten Frage: Wie bezeichnet man gegenüber Dritten die eigene Frau, den eigenen Mann? In Deutschland ist die Antwort klar: »Meine Frau«, »Mein Mann«. In der Schweiz gibt es manchmal die folgende Schwierigkeit: Fasziniert von den wohlklingenden Namen »Gattin« und »Gemahlin« – die man im Schweizerdeutschen praktisch nicht gebraucht – meinen viele Schweizer, diese Wörter seien in allen [76] Fällen guter deutscher Sprachgebrauch, und sagen dann: »Meine Gattin« oder gar: »Meine Gemahlin«, zum Schmunzeln der Deutschen. In Wirklichkeit handelt es sich auch hier um Wechselnamen – so wenig man sich selbst zum »Herrn Doktor« erhebt, so wenig macht man die eigene Frau zur »Gemahlin« und den eigenen Mann zum »Gemahl«.

Man sagt: »Wie geht es Ihrer Frau?«, wenn man per Sie ist; man sagt: »Wie geht es Deiner Frau?«, wenn man mit dem Mann, aber nicht mit der Frau auf Du ist. »Wie geht es Monika?« kann nur dann gesagt werden, wenn man auch mit der Frau per Du ist. Wir haben einmal gehört, wie ein Mann auf die Frage: »Wie geht es Monika?« antwortete: »Danke, meine Frau hat viel zu tun.« So etwas ist starker Tabak, denn es heißt im Klartext: »Was erfrechst du dich! – meine Frau gehört mir allein«.

Quelle:
Leisi, Ilse und Ernst: Sprach-Knigge oder Wie und was soll ich reden? Tübingen 21993, S. 75-77.
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