Vorrede.

Mein Schicksal hat seit vielen Jahren die widersprechendsten Urtheile über den Gang und den Werth meiner Lebensbestrebungen und selber über die Ursachen ihres vielseitigen Mißlingens hervorgebracht und hervorbringen müssen, weil ich durch diese ganze lange Zeit meinen Mund, so viel mir immer möglich, darüber nicht aufgethan und über sehr vieles, das diesfalls schon lange hätte Licht geben können und vielleicht Licht hätte geben sollen, auf eine ganz auffallende Weise stets still geschwiegen. Ich hoffte immer, es durch feste Ausharrung in meinen Bestrebungen dahin bringen zu können, diesen Widersprüchen durch die Thatsache ihres Gelingens ein schöneres Ziel zu setzen.

Jetzt kann und darf ich nicht mehr schweigen. Ich bin durch die Folgen meiner Widerwärtigkeiten endlich dahin gebracht worden, meine Anstalten, auf deren Erfolg ich immer noch hoffte, so viel als gänzlich auflösen zu müssen. Ich darf also gegenwärtig über die Ursachen meines diesfälligen Schicksals durchaus nicht mehr das Stillschweigen fortsetzen, das ich bisher darüber beobachtete. Es ist jetzt meine Pflicht, über diesen Gegenstand öffentlich helles Licht zu verbreiten. Ich bin dieses meinem Zeitalter, ich bin es der großen Anzahl edler und erleuchteter Menschenfreunde, die seit so vielen Jahren an dem Erfolg meiner Lebensbestrebungen Theil genommen und mich darin vielseitig unterstützt haben, ich bin es endlich mir selbst und den sowohl lebenden als gestorbenen Gliedern meines Hauses, die im Drange und im Unglück meiner Bestrebungen vielseitige Leiden mit mir erduldet, schuldig.

Wer aber nicht bloß diese Widersprüche erheitert, sondern auch das Wesen meiner pädagogischen Bestrebungen sowohl in ihrem Umfange und Zusammenhange, als in ihren gelungenen und mißlungenen Resultaten näher zu kennen wünscht, dem wird mein, mit diesen Bogen gleichzeitig erscheinender Schwanengesang genugthuendes Licht geben.


Der Verfasser.[223]

Quelle:
Pestalozzi, Johann Heinrich: Meine Lebensschicksale als Vorsteher meiner Erziehungsinstitute in Burgdorf und Iferten. In: Sämtliche Werke. Kritische Ausgabe, 27. Band. Zürich 1976. S. 215–344, S. 223-224.
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