Zwölftes Kapitel

[236] Nun war ich wieder Wirt und Brandweinbrenner und blieb eine Weile zu Hause; ich gab mein neues Meßgewand in die Kirche. Man konnte vorher nur auf einem Altare Meß lesen, ich bekam aber vom Herrn Weihbischof zu Regensburg, Herrn von Bernklau, einen Altarstein, diesen gab ich auch dem Herrn Provisor und sagte ihm zugleich, daß mir der Fürst-Bischof von Regensburg eine Anweisung zu einer Sterbglocke gemacht habe; dieser hatte eine große Freude darüber.

Wir unterredeten uns auch, weil unsere größere Glocke schon ziemlich alt und fast unbrauchbar war, solche bei dieser Gelegenheit mit der neuen umgießen zu lassen. Ich gab 60 fl. dazu her; alles war ihm recht; ich ging also nach Innspruck, zahlte meine Handschuhe, ging zu unserm Grafen von Tannenberg, der ein eignes Kupferbergwerk in Ahren hatte; diesem erzählte ich alles und bat ihn zugleich, weil die Kirche in seinem Gerichte liegt, mir einen Zentner Kupfer zur Glocke zu schenken, daß sie etwas größer würde, das er auch gleich tat.

Ich ging hernach zum Glockengießer Miller und bestellte die neue vom Fürsten hergeschaffte Sterbglocke, ließ auch die alte hinaufführen; beide wurden gegossen, und der Herr Prälat von Wildau, Herr von Spers, hatte sie geweihet; weil man aber neue Stöcke und Beschläge mit Schrauben, wobei der Kirchenprobst Bögler Riepl war, darzu hatte machen lassen, so lief der Unkosten über den Akkord um 56 fl. weiter hinaus, und da wir beim Dechant Wechselberger nicht sattsam angehalten haben, so durfte ich, zum Dank für mein Betteln beim Fürsten[237] und Grafen und sonst für mein Von- und Zulaufen und andere Unkosten, bei der Kirchenrechnung die 56 fl. auch noch aus meinem Beutel bezahlen.

Wir hatten aber doch itzt drei Glocken: ich, Bögler Riepl, Mäusl Hannsäl und Tunig führten sie zu uns herab, sie wurden mit schönen Rammen geziert, die ganze Gemeinde holte uns auf der Uderser-Wiese mit Kreuz und Fahnen ein, und so wurden wir mit Freude und Frohlocken unter Losbrennung der Böller in Ried einbegleitet, die Glocken wurden glücklich aufgezogen und Anno 1780 auf dem Kirchtage das erstemal geläutet, wo alles Volk eine außerordentliche Freude bezeigte.

Vor etwelchen Jahren hatte mir Ihre Majestät die Kaiserin ein ödes Stückl Grundes mit Gutheißung der Nachbarschaft verwilliget, wenn ich für selbes 50 fl. zum Kirchenbau beitragen würde, damit ich es zu einem Anger ausreuten könnte, das auch geschehen; ich besetzte solches mit Obstbäumen. Zuvor, Anno 1778, starb im Oktober mein Gegner, Antoni Pachmayr; das untere Wirtshaus zu Jochler in Ried, wo seine Tochter Anna Pachmayrin sich befand, sollte also feilgeboten und verkauft werden, weil sie das Hauptgut zu Uders übernehmen mußte. Ich hatte mir nun in ungefähr zwanzig Jahren ein weniges Vermögen erspart; da ich auch ohnedem Grundherr über dieses Gut war und das Einstandrecht hatte, bekam ich schier einen halben Lust dazu; weil es aber ganz in der Stille hergegangen und der Bögler Riepl willens war, solches gar zu kaufen, damit es nicht an mich kommen möchte, kaufte ich von Lorenz Plattner, Müllermeister zu Ried, das sogenannte Glasergut, wobei ein sehr altes baufälliges Haus war. Ich war willens, selbes zu bauen und meine Wirtschaft zur Kirche[238] auf dieses Gut zu übersetzen, wozu ich von Innspruck aus die Erlaubnis schon hatte.

Da dieses die Anna Pachmayrin und der Bögler Riepl erfahren, schickten sie den Thomas Lambrecht, Schneidermeister, zu mir mit dem Auftrag, daß ich ihnen das Gut abkaufen sollte. Den folgenden Tag ließen sie mir abermals durch den Mäusl Tunig melden, ich möchte doch zu ihnen kommen und mit ihnen handeln; sein Bruder Hannsäl war, wie ich schon gemeldet, mein Hofmeister; wir beede gingen also auf den Abend zu ihnen herab. Es waren Leute in der Stube, wir gingen also in die Stubenkammer hinauf zu handeln; ich fragte nach dem Wert, die Anna Pachmayrin antwortete: »Man giebt es dir wie dem Bögler Riepl«; wir wurden eins, und ich kaufte ihnen das Gut samt dem Wirtshause ab um 4540 fl. und 20 baierischen Talern Leikauf. Der Kauf war also beschlossen, und wir zogen von Taxach mit meiner Haushaltung nach Ried herab. Jetzt war ich Bauer, doppelter Wirt und Brandweiner; ich konnte acht Kühe und zwei Pferde halten und war auf meine zwei Häuser nicht mehr schuldig als 1700 fl., mithin in meiner Nachbarschaft einer der reichsten Bauern. An Maria Lichtmesse schenkte ich das erstemal aus.

Da ich das letztemal in Anspach war, hörte ich, daß der Markgraf eine Reise nach Italien machen wollte; ich lud ihn daher in mein Haus auf Nudl und Knödl ein, wenn er durch Tyrol reisen sollte. Er sagte es mir zu und versprach mir bei der Hand, daß ich mit ihm nach Italien und Frankreich reisen därfte. Der Kammerherr von Wellwart schrieb mir sogar, daß ich zu Venedig bei den drei Türmen auf ihn warten sollte.

Die bestimmte Zeit kam nun heran; ich bestellte meinen[239] Knecht, den Mäusl Tunig, zur Wirtschaft und zum Keller, ich aber und sein Bruder Hannsäl traten die Reise nach Italien an. Wir gingen über Innspruck, Steinach, Brönner, Störzing nach Brixen, da nahmen wir einen fürstlichen Passeport und speisten beim Domherrn Grafen von Lodron, einem Enkel des Fürst-Bischofen von Regensburg. Wir waren auch gesinnt, uns Pilgerkutten machen zu lassen und eine Reise nach Rom zu tun; allein wir ließen es bleiben, bis wir wußten, wie es mit dem Markgrafen zu Venedig aussah.

Wir gingen sodann über die Klausen nach Botzen, Neumark, Selurn, welcher Ort eben vor vierzehn Tagen abgebrannt war und noch rauchte; ferners über Deutsch- und Wälschmichl nach Trient, da logierten wir beim Posthalter Mamelo; kaum waren wir eine Stunde allhier, so ward die Sturmglocke geläutet, die Tore wurden gesperrt, weil in der Stadt Feuer auskam; zum Glück ward es durch gute Anstalten bald wieder gelöschet.

Dem andern Tage besahen wir die Altertümer in der Stadt: das Kruzifix im Dom, welches sich zu Zeiten des Konziliums mit dem Haupt geneiget hat; bei St. Maria Major das Konzilium in natürlichen Porträten; das große Orgelwerk jenseits der Etsch; eine alte kleine Kirche, so die erste im ganzen Land Tyrol ist und der h. Kassianus selbst gebauet und eingeweihet hat; bei St. Peter das h. Knäblein Simonerl mit Haut und Haaren, den die Juden grausam ermordet; das fürstliche Residenzschloß und den vor demselben gegen der Etsch aus einem großen Marmorstein gehauenen Igel, wo vor alten Zeiten der Abgott von Trient stand; die Seidenfabrik, welche gar schön anzusehen ist, wo ein Wasserrad so viel arbeitet, als tausend Paar Menschenhände Tag und Nacht[240] verrichten können; das polnische Spital, welches ein König von Polen hat erbauen lassen, als er auf der Reise nach Rom zu Trient krank geworden ist. Der regierende Fürst-Bischof war der Graf v. Thun.

Von Trient gingen wir nach Roveredo, wälsch Hala, Verona, Padua und kamen mit dem Postschiffe zu Venedig an; wir logierten beim Wirt zu den drei Türmen und erkundigten uns wegen der Ankunft des Markgrafens, konnten aber nicht mehrers erfahren, als daß er auf den Karneval ankommen sollte. Wir besahen daselbst den Markusplatz, die Kirchen, die Residenz des Dogen, gingen um zween Siebenzehner auf den Markusturm und sahen auf der offnen See, soweit das Aug tragen konnte, über die tausend Schiffe und Gondeln.

Der Markgraf war von Anspach in die Schweiz gereiset und hielte sich zu Lausanne eine Zeitlang auf. Fünf Tage waren wir schon zu Venedig und wußten nicht, wie wir daran wären oder was wir machen sollten; zu einer Reise nach Rom erkleckte uns das Geld nicht. Endlich hörten wir, daß unsere unvergeßliche und unsterbliche Kaiserin Maria Theresia gestorben sei und der Markgraf nicht nach Italien kommen werde, sondern von Lausanne zurück nach Hause gegangen sei.

Unsre Bestürzung hierüber war außerordentlich groß; wir mußten also auf dem nämlichen Wege, auf dem wir herkamen, wieder nach Haus gehen und hatten doch bei diesem Metzgerritt 60 fl. verzehret, welche mir aber hernach der Markgraf wieder ersetzet hat. Um Ostern kamen wir von unsrer blinden Spazierreise nach Hause; ich blieb aber nicht lange daselbst. Im ganzen Lande war über den Verlust unsrer besten Kaiserin und Landesmutter eine große Trauer, und bei mir war die Hoffnung[241] wegen des Zinsgroschen und des Handschuhehandels nach dem wienerischen Hofe verschwunden; ich ging also nach Innspruck, kaufte Handschuhe ein und marschierte mit meinem Hofmeister und Schimmel auf das Land.

In München bedauerte mich die verwitwete Kurfürstin sehr, weil sie wußte, wie viel ich an der Kaiserin und seit sechs Jahren verloren habe. Ich blieb eine Zeitlang bei ihr zu Fürstenried, weil sie und alle Herrschaften mich gern hatten. Die Kurfürstin gab mir auch eine gute ergiebige Beisteuer, damit ich an meinem Gut zu Hause etwas abzahlen konnte. Ich dankte tausendmal dafür, nahm Abschied, ging über Schwabhausen, Aicha, Rhain, Donauwörth und kam zu Drießdorf beim Markgrafen an, der eine große Freude bezeigte, daß wir, anstatt zu Venedig, uns in Drießdorf einander sahen. Er lachte nicht wenig über meine Reise, zahlte mir meine Unkösten und bedauerte mich auch sehr, daß ich meine gute Kaiserin verloren habe.

Die Markgräfin war auch meine beste Freundin; ich durfte alle Tage in der Frühe zu ihr ins Kabinett kommen, da diskurrierten wir von allerhand Sachen, vorderst von Tyrol und meiner Haushaltung: ich erzählte ihr alles haarklein, wie es mit meinen Sachen stund. Einsmal fragte ich sie im Vertrauen, ob ich nicht den Markgrafen um ein Darleihen angehen därfte, damit ich zu Hause etwas von meinen Schulden abzahlen könnte; sie machte mir gute Hoffnung und versprach mir bei der Hand, daß sie mir, soviel sie könnte, bei dem Markgrafen darzu verhülflich sein wollte.

Eines Tags in der Frühe beim Koffee eröffneten wir dem Markgrafen unser Anliegen; ich bittete ihn, daß, da er[242] öfters versprochen, mir zu helfen, und itzt die beste Gelegenheit dazu wäre, er mir einen Vorschuß von tausend Gulden, aber ohne Interessen, mit dem Beding machen möchte, daß ich ihm alle Jahre hundert Gulden heimzahlen wollte.

Der Markgraf lachte und sagte: »Morgen um diese Zeit will ich dir die Antwort geben.« Wir hatten gute Hoffnung, weil er so aufgeräumt war; die Markgräfin, wie er weg war, gab mir die Hand zu küssen und tröstete mich, es werde alles gut gehen.

Ich kam zurück in mein Quartier zum Kommißbecken und erzählte meinem Hofmeister, dem Hannsäl, mit Freuden alles, was vorgegangen war.

Am folgenden Tage sagte mir der Markgraf beim Koffee: »Aus deinem Begehren wird nichts daraus, ich kann dir nichts leihen.« Wie vom Donner getroffen erschrak ich; der Markgraf sah mir es an, lachte und sagte: »Sei wohlauf, Peterl! ich will dir helfen; auf dein ehrliches Gesicht leihe ich dir das Geld, ich verlange keine oberkeitliche Versicherung, komm du nur alle Jahre und zahl deine 100 fl. zurück.« Vor Freuden erwischte ich ihn bei der Mitte, küßte und drückte ihn; er lachte und sagte: »Sei glücklich.« Ich küßte der Markgräfin vielmal die Hand; er aber schickte mich zum geheimen Kabinettssekretär Hasold; ich und Hannsäl gingen hin und fanden das Geld schon in Bereitschaft liegen; wir nahmen es in die Hüte und trugen es zur Markgräfin; in ihrem Kabinett setzten wir uns zusammen auf dem Boden und zählten das Geld; die Markgräfin schauete uns zu, lachte und erfreuete sich, daß sie mir hat helfen können. Ich zahlte gleich dem Markgrafen meine erste 100 fl. zurück und so blieben mir noch 900 fl. übrig, diese trug ich zum[243] Herrn Obermarschall von Eichler, welcher sie mir per Wechsel bei Herrn Rögl, Bankier zu Hall, anwies, von welchem ich sie auch unentgeltlich richtig empfangen habe.

Ich fertigte dem Markgrafen mit meiner eigenen Handschrift und Petschaft einen Schuldenschein aus, mit welchem er zufrieden war. Ich blieb noch eine Weile bei ihm, nahm Abschied und ging mit meinem Hofmeister und Schimmel von Anspach über Nürnberg nach Regensburg, wo mich der Fürst-Bischof mit Freuden empfing und mir sagte: »Nun mußt du eine längere Zeit bei mir bleiben, ausruhen und dich recht herausfüttern; aber trinken darfst du nicht zu viel und deswegen mußt du allemal Wasser unter den Wein schütten.« Ich versprach es ihm; weil aber der Fürst blind war und es nicht sah, schüttete ich nur ein und den andern Tropfen Wassers unter den Wein.

Der Fürst hatte auch schon ehevor aus Tyrol Nachricht erhalten, wie sich meine Vermögensumstände zu Haus befänden; es reuete auch die Anna Pachmayrin sehr, daß sie mir das Wirtshaus zu kaufen gegeben; sie suchte also mich wieder davon zu verdrängen und setzte mir vermög eines oberkeitlichen Befehls zur Bezahlung einen so kurzen Termin, daß ich natürlicherweise unmöglich beihalten könnte. Der Fürst, der wohl einsah, daß man mich mit Gewalt drücken wollte, lieh mir also 1000 fl. ohne Interesse und wies mir solche beim Herrn Landsyndikus von Egger an, der sie auch der Anna Pachmayrin bei der Oberkeit auszahlte; von diesem Kapital mußte ich alle Jahre des Fürsten Schwester zu Irmspruck 100 fl. heimzahlen.

Nun war ich von meinen großen Klagschuldnern bis auf etwas weniges frei; ich blieb beim Fürsten zu Regensbürg[244] sechs Wochen lang, denn er war in Wahrheit mein guter Freund und Patron; ich bekam noch überdies meine Pension und mein Hofmeister Hannsäl zween baierische Taler Trinkgeld. Wir bedankten uns, nahmen Abschied und gingen über Freysing und München nach Haus.

Wir kamen dieses Mal zum allerglücklichsten bei Weib und Kindern an; ich hatte noch über die zu machende Bezahlung etwas Geld in Händen und, weil das Haus sehr nieder war, ließ ich es abtragen und um vier Ringe höher bauen, sechs neue Böden einlegen, dreizehn neue reguläre Fensterstöcke einsetzen und einen neuen Dreschtennen machen; ich kaufte mir auch sechs schöne Kühe, wie auch Wägen und andern Hausrat; denn, da dieses Gut über vierzig Jahre verpachtet war und die Bestandsleute niemals etwas angeschafft haben, so war im ganzen Hause nicht so viel Hausrat, daß man darin hätte kochen können. Ich mußte mir dann alles bauen, Kuchel- und Kellergeschirr, Betten, Tische, Stühle und Bänke aufs neue machen lassen, welches mir auch große Unkosten verursachte.

Hingegen hatte ich itzt eine rechtschaffene und gut eingerichtete Wirtschaft; das Gries und Schmiedfeldl hatte ich auch frisch ausreuten lassen, so daß ich schöne Felder hatte und gewiß ein wohlhabender Wirt und Bauer in unserm Ort war; denn, wenn ich wollte, konnte ich alle Tage für mein Vermögen 5000 fl. haben, worauf ich nur mehr 800 fl. schuldig war. Dieses stach der Anna Pachmayrin sehr in die Augen, und der Kauf reute sie immer mehr; sie hatte auch den Herrn Pfleger und unsere geistliche Herren auf ihrer Seite; zudem, da ich für alle meine Bemühung und Unkosten bei dem Kirchenbau nicht einmal einen eigenen Sitz in der Kirche bekam,[245] zertrug ich mich mit den geistlichen Herren und gab zur Frühemesse und sonst nichts oder wenig her, wollte auch nichts mehr opfern, und einen Betbruder konnte ich auch nicht machen.

Man gab also auf meine Lebensart und Aufführung genaue Obacht, und man weiß ohnehin, daß ein Pfarrhof und Wirtshaus nicht wohl zusammen taugen. Sogar wurden durch den Meßmer die Nachbaren in den Pfarrhof berufen, und darin über mich ein Protokoll verfaßt, auch den Nachbaren wegen den Hochzeiten und Spielleuten ins Gewissen geredet, daß diese widerrufen sollten, was sie erst vor 14 Tagen bei dem Gerichtsadvokaten di Rossi attestiert haben.

Dieses geweihte Protokoll wurde hernach zum Kreisamt nach Schwatz eingeschickt, von welchem mir die Hochzeiten und Spielleute rundum verboten wurden, mit dem Auftrage, nichts mehr dawider einzugeben; und wiewohl mir von unserm Grafen von Tannenberg und dem Pfleger selbst vorher aufgetragen worden, ich sollte um die Erlaubnis, Hochzeiten und Spielleute zu halten, einlangen, so wurde dennoch die Sache unter der Hand wider mich abgekartet und half alles nichts mehr. Die Nachbaren, welche beim Gerichtsadvokaten mir zum besten attestiert haben, sollte ich mit Getränk abgeschmieret und fälschlich darzu beredet haben. Ich wurde dann abgewiesen und als ein niederträchtig- und verlogener, liederlicher Wirt beschrieben.

Aus Verdruß bestellte ich meinen Hofmeister, den Johann Ram, zum Kellner und Haushalter, kaufte in Innspruck Handschuhe ein, und ich und sein Bruder, Anton Ram oder Mäusl Tunig genannt, gingen mit unsrer Lederware aufs Land; wir kamen nach München[246] und Fürstenried, wo sich Ihro Durchlaucht die verwitwete Frau Kurfürstin aufhielt. Diese empfing mich und den Tunig recht gnädig; denn sie ist die gnädigste Frau, und sie war immer bedacht, mir zu helfen.

Mein Sohn ist unterdessen vom Schulmeister zum Silberdiener in die Kost gekommen; er studierte und lernte Sprachen, und die Kurfürstin bezahlte für ihn alles. Wir logierten in Fürstenried bei Hof, es ging uns wohl und wir waren ganz lustig und aufgeräumt.

An einem Sonntag, es war der achte Juli Anno 1781, auf dem Abend sah man von weitem gegen die Tyrolerberge ein grausam schwarz dunkles Gewitter; wir waren zwar deswegen in Ängsten, doch wußte man noch nicht, wo solches ausgebrochen wäre. Nach acht oder zehn Tagen kamen von Fügen aus dem Zillerthal etwelche Ölträger nach München; ich traf solche beim Birnbaumbräu in der Schwabingergasse an, grüßte und fragte sie, wie es zu Haus aussähe. Diese erzählten mir, daß ein Wolkenbruch und die davon aufgeschwollenen Bäche im Zillerthal alles verwüstet und alle meine schöne Felder mit Steinen und Bäumen überschüttet haben.

Wie sehr ich hierüber erschrocken, kann sich ein jeder leicht einbilden; ich ging gleich wieder nach Fürstenried und schnurgerad in die Vorzimmer der Kurfürstin. Die Kammerdienerinnen sagten mir, daß die Kurfürstin schon im Bett wäre; sie hörte mich aber weinen, fragte, was es wäre, und kam im Schlafzimmer bis unter die Tür hervor; ich erzählte ihr mit Wehmut, daß, wie mir meine Landsleute gesagt haben, mein ganzes Vermögen zugrunde gerichtet und meine Felder gänzlich verwüstet wären. Die Kurfürstin hatte mit mir ein so großes Mitleid, daß sie selbst zu weinen anfing; sie sprach[247] mir zu, ich sollte alles Gott heimstellen, itzt könne ich doch nicht mehr helfen; ich sollte mich heut schlafen legen, morgen früh wolle sie mit mir von der Sache reden und sie werde mich nicht verlassen.

Ich küßte ihr die Hand und benetzte solche mit meinen Tränen. Sie ging in ihr Bette und ich in mein Zimmer, wo ich aber die ganze Nacht hindurch schlaflos war.

Dem folgenden Tage unterredete ich mich mit der Kurfürstin, was zu tun wäre. Sie gab der Gräfin Seefeld den Auftrag, daß sie an meine Oberkeit schreiben sollte, damit diese einen ausführlichen Bericht erteile, wie es mit meinen Sachen stehe; die Gräfin Seefeld war so gut und schrieb sogleich meinetwegen an den Hrn. Pfleger.

Ich hatte aber keinen ruhigen Augenblick mehr; ich erzählte mein Unglück der durchläuchtigsten Herzogin, welche zum Speisen nach Fürstenried kam; diese wurde so sehr zum Mitleid bewogen, daß sie mir sogleich etwas schenkte, so ich nach Haus schicken sollte, damit meine arme Leute Getreide, Schmalz und andere Notwendigkeiten einkaufen könnten. Ich dankte ihr tausendmal; auch die Kurfürstin sprach mir zu, ich sollte nur ruhig und aufgeräumt sein, sie werde mir auch gewiß helfen.

Endlich nach drei Wochen kam an die Gräfin von Seefeld die Antwort von unserm Pfleger des folgenden Inhalts:


EUER GNADEN HOCHGEBORNE GRÄFIN,

HOCHGNÄDIGE FRAU FRAU ETC. ETC.


Zu gehorsamsten Vollzug der gestern erhaltenen hochgnädigen Zuschrift vom 24ten abhin hab ich die Ehre, Euer hochgräflichen Gnaden das bedauerliche Unglück[248] zu berichten, welches Gott über die meiner Verwaltung untergebene Gemeinde Ried im Zillerthal verhänget und ich selbst in Augenschein genommen hab.

Nachdem schon im Frühjahr ein ungewöhnlicher Reif die Wintersaaten verdorben, hat am 8ten Juli gegen sechs Uhr abends ein mit außerordentlichem Schauer vermischtes Hochgewitter alle Getreider vollends zu Grunde gerichtet und den von dem anliegend hohen Gebirge auf das Dorf herabfallenden Wildbach dergestalten angeschwellet, daß dieser schon nahe bei seinem Ursprung fürchterliche Gräben ausgespület, ungeheuere Steine, Erden, Bäume, Wurzen und alles mit sich fortgerissen und mit solcher Gewalt auf das Dorf Ried sich ergossen, daß von dem Fuß des Bergs an bis in den Zillerfluß auf eine halbe Stund in die Länge und Breite die Felder allenthalben hoch überschüttet und unter dem Schutt vergraben sind.

Das neu erbaute schöne St. Johann Bapt. Gotteshaus stehet zwar unverletzt, aber bis an die Fenster hinauf in Schutt versenket. In dieser Kirche hat die Geistlichkeit mit dem größten Teil der Gemeinde von sechs Uhr abends bis eilf Uhr nachts die Todesängsten ausgestanden; indem das entsetzliche Getös und die Erschütterung der umgebenden Gewässer alle Augenblick den Einsturz drohete und keine Ausflucht übrig war. Die Verwüstung kann ohne Entsetzung und mitleidigen Tränen nicht angesehen werden. Was aber am meisten zu bedauern, ist die noch weiters bevorstehende Gefahr, welche wegen dem untergrabenen und immerhin nachsitzenden Gebirge der Gemeinde den Untergang drohet und nicht wohl abgewendet werden kann.

Der Schaden, welchen Peter Prosch an seinem Grund[249] und Boden erlitten hat, beläuft sich nach Schätzung des verpflichteten Taxators auf 1500 fl. Erbarmungswürdiger Anblick! eine ganze Gemeinde ohne Brot, ohne Geld, ohne Kredit, ohne Hülf; weil auch in der benachbarten Gegend und Gemeinde die Bäche große Verheerung angerichtet haben. Das größte Glück, ja fast ein Wunder der Vorsehung ist es, daß nur zwo einzige Personen aus den Salzburgischen Untertanen bei dieser Überschwemmung das Leben verloren haben. Dies alles bezeuge ich von oberkeitlichen Amts wegen mit untertäniger Bitte, Euer hochgräfl. Gnaden wollen hochgnädig geruhen, die erbarmungswürdigen Umstände der armen Gemeinde Ried der durchläuchtigsten Kurfürstin aus Baiern, als der gnädigsten Mutter aller Unglücklichen, beweglichst vorzutragen und mich in hohen Gnaden zu erhalten, allwohin mit untertänigen Respekt mich und die Gemeinde Ried gehorsamst empfehle.


EUER HOCHGRÄFL. GNADEN


Untertänig-Gehorsamster

A. Jos. Strolz, Pfleger.


Schloß Thurneck am Rotholz

den 4. Aug. Anno 1782


Da die Gräfin von Seefeld mir den Brief vorlas und solchen der Kurfürstin übergeben hat, sagte diese zu mir: »Sei getrost und überlaß dich Gott; du mußt aufs neue zu handeln und zu hausen anfangen, Gott wird dir auch wieder seinen Segen verleihen; denk nur, daß du anfangs auch nichts gehabt hast.« Sie schenkte mir eine ergiebige Beisteuer und versprach mir, noch weiters zu helfen. Ich dankte ihr tausendmal und, nachdem sie mir[250] einen Brief an ihre Schwägerin, die Erzherzogin Christina, nach Brüssel mitgegeben, ging ich über Augsburg nach Anspach.

Der Markgraf hatte mein Unglück schon ehevor erfahren; er ließ mir daher schreiben, ich sollte zu ihm kommen. Als ich zu ihm ins Zimmer trat, um seine Hand zu küssen, sagte er mir: »Grüß dich Gott, Peterl! du bist unglücklich gewesen, nun hab ich eine gute Gelegenheit, dir zu helfen: wir sind quitte, du darfst mir nichts mehr bezahlen und deine jährliche Pension hast du dennoch zu genießen.«

Vor Schröcken und Freude machte ich ihm einen Fußfall, nahm ihn bei der Mitte, küßte, drückte und dankte ihm. Die Markgräfin, so gegenwärtig war, zeigte eine solche Freude darüber, als wenn er ihr selbsten dieses Geld geschenket hätte.

Wir blieben noch eine Zeitlang da, weil es der Markgraf also haben wollte, damit ich mein Unglück desto eher vergessen sollte. Hernach nahmen wir Abschied, gingen über Würzburg, Aschaffenburg, Hanau, nach Frankfurt und fuhren auf dem Marktschiffe nach Mainz, von da aus fuhren wir auf dem Rhein über Bingen, Koblenz, Andernach, Bonn, Köln und Neys bis Düsseldorf und, weil wir viele Handschuhe bei uns hatten, gingen wir in Westfalen nach Essen und Toren, von da wieder zurück nach Gülich, Aachen, Lüttich, Herrschebell, Türlemon und Löwen nach Brüssel. Manchesmal ging es uns sehr übel, weil wir weder Französisch noch Flammännisch verstunden.

Die Erzherzogin Christina war eine Stunde außerhalb der Stadt in einem Schlosse am Kanal, der nach Mecheln gehet; wir trafen daselbst die Erzherzogin mit dem[251] Prinz Albert im Garten an; der Kardinal von Mecheln war auch zugegen; der Herr von Kempel und Seckendorf kannten mich schon vor längerer Zeit, diese gingen auf mich zu und führten mich zur Erzherzogin; ich gab ihr den Brief von der Kurfürstin, welchen sie gnädigst annahm und durchlas.

Unter der Zeit fragte mich der Herzog Albert, woher ich käme, ob seine Schwester, die Kurfürstin, gesund und wohlauf wäre; die Erzherzogin fragte mich auch, ob ich ihre Schwester, die Prinzeß Elisabeth, zu Innsbruck kenne; ob ich schon lange nicht mehr in Wien gewesen sei und ob ich schöne Handschuhe habe. Ich zeigte ihr etwelche Dutzend, und sie kaufte mir davon ab. Der Herzog Albert nahm drei Paar Gemshäute. Sie sprach mit mir noch vieles von ihrer höchstseligen Mutter Maria Theresia, zahlte mir die Handschuhe und schenkte mir etwas; das nämliche tat der Herzog Albert. Man ging zur Tafel, unter welcher man von unterschiedlichen Sachen diskurrierte, wobei sie vieles zu lachen hatten. Ich sagte, sie möchten mir erlauben, daß ich in Brüssel hausieren gehen därfte; sie versetzten aber, dieses sei niemand außer der Meßzeit erlaubet, wenn man nicht von dem Rat der Boutique die Erlaubnis bekäme. Ich bedankte mich, nahm Abschied und ging nach Brüssel zurück. Der Fürst von Starnberg und Prinz de Ligne kannten mich von Wien aus, diese schickten mich mit Billets in die vornehmsten Häuser, und die Bedienten mußten meine Handschuhe in dem Wirtshause zum Goldenen Knopf, wo ich logierte, abholen: ich kam auch zur Oberstpostmeisterin, Frau von Beckers, welche mich von Regensburg aus kannte; ich und der Tunig speiseten öfters bei ihr, denn, da sie glaubte, mich niemals mehr[252] in Brüssel zu sehen, hatte sie meinetwegen eine große Freude.

Von Brüssel gingen wir nach Ostende, wo ich meine übrige Handschuhe an einem Holländer verkaufte; von Ostende fuhren wir auf einer Barke nach Gent, Antwerpen und kamen auf dem Kanal nach Mecheln. Weiters marschierten wir nach Mastrich, Lüttich, Aachen, Köln, Bonn, Koblenz, bis nach Mainz.

Itzt einen Sprung nach Haus. Als unser Herr Graf von Tannenberg und der Herr Pfleger nach Ried kamen, um den Augenschein von dem Wasserschaden einzunehmen, stiegen sie in dem Pfarrhof ab; sie bezeigten ein großes Mitleid, und der Graf versprach, soviel er könnte, der Nachbarschaft zu helfen. Die geistlichen Herren müssen mich aber bei ihm und dem Pfleger so stark rekommandiert haben, daß ich über zwei Jahre daran zu lecken hatte. Dieses gehört aber nicht hieher. – –

Meine Felder waren zugrunde gerichtet, einiges Vieh mußte mit Schaden verkauft werden, mein Kellner Johann Ram mußte aus fälschlich vorgegebener Ursache einer gar zu starken Bekanntschaft mit meinem Weibe das Haus räumen, Getreid, Schmalz und alle notwendige Lebensmittel mußte man kaufen, und ich war meiner Handelschaft wegen in weit entfernten Landen, konnte also zu Hause nicht helfen. Dieses war nun für die Pachmayrischen gutes Wasser auf ihre Mühl und die beste Gelegenheit, mich vom Haus und Hof zu verdrängen, um es wieder an sich zu bringen. Sie klagten mich dann wiederholtermalen bei der Oberkeit um die Bezahlung des rückständigen Kapitals von 840 fl.; sie fanden auch Gehör; mein Vermögen wurde untersucht,[253] es kamen 3000 fl. Schulden zum Vorschein, da ich doch nachgehends alle meine Schulden mit 840 fl. bezahlte. Ich wurde ausgeschätzet und mein Haus auf öffentlichen Kirchgassen feilgeboten.

Ich war auf dem Land und wußte von allem diesem nicht das mindeste, bis ich endlich zu Mainz von meinem Schwager, welcher sich bei diesen Umständen aus gewissen Ursachen um meine Haushaltung eigenmächtig angenommen hat, folgenden Brief erhielt.


Besonders wertester Schwager!


Nicht ohne Mißvergnügen muß ich dir in Eile einen Brief zuschreiben. Die betrübte Umstände des ganzen Hauses sind dir lange schon schriftlich angedeutet worden; nun, welch eine Absicht fasset dein Stillschweigen? gehet dich dein Eheweib nichts mehr an? sind deine Kinder von der Vatershand verlassen? Es wird dir durch die Briefe bekannt gemacht worden sein, daß Johann Mayr, Wirt zu Uderns, schon längstens seine Schuld foderte und dieses im Ernste zum drittenmal. Lies selbst die Abschrift und Inhalt davon:


Löbliche Pfleg- und Landgerichts-Oberkeit etc.


Dem dritten dies Monats ist auf mein Anlangen die Untersuchung des Vermögensstandes des Peter Prosch zu Ried vor löbl. Oberkeit vorgegangen: nach dem ungefähren Anschlag belaufen sich gesamte Effekten, nebst den Schulden – herein gegen 4000 fl. – die Passivposten aber nur gegen 3000 fl., so zwar, daß sich einsweilens ein Vermögensüberschuß zeiget.

Weil ich aber wegen selbst abzuzahlen bemüßigter großen Klag-Kapitalpost den in meiner ersten Klagschrift[254] angeführten Kaufschillingsrest per 840 fl. unentbehrlich nötig hab: so stehet das Zuwarten nicht bei mir, sondern, um mich selbst der Klage zu entziehen, befinde ich mich in dem Notstande, löbl. Oberkeit zu bitten, dieses unter einem unmaßgeblichen Termin der Bezahlsverschaffung dem beglübten Curator Andrä Gaßner kommunizieren und, damit der zu Würzburg oder dortiger Gegend dermalen sich aufhalten sollende beklagte Peter Prosch inzwischen zu seinem Verhalt von meiner Klage benachrichtet werde, demselben ebenfalls die erforderliche oberkeitliche Intimation auf der Post zu schicken.


Uderns den 6ten August 1782.


Des Herrn etc. Pflegers Zuschrift


Dem Peter Proschischen Haushalter und respective Curator Andrä Gaßner wird hiemit aufgetragen, daß er innerhalb dreißig Tagen die eingeklagte Schuld bezahlen und seinem hier unwissend wo sich aufhaltenden Prinzipal hievon Nachricht erteilen soll; widrigen Falles auf weiteres Anlangen besehenen wird, was Rechtens ist. Sign. Rotholz den 19ten August 1782.

Jos. Strolz, Pfleger.


Du siehst nun das Ganze. Ich weiß kein Geld zu bekommen und mein weiteres läßt es nicht zu, mich mehr darum anzunehmen. Sieh also, liebster Schwager, und schicke mindestens, wo es möglich, die Befriedigung; wo nicht, so muß und wird dem Ansehen nach mit höchster Bestürzung der Deinigen das Recht seinen Lauf haben. Setz uns aus diesem Wesen so geschwind es sein[255] kann. Von deinem Eheweib einen freundlichen Gruß, und deine lieben Kinder küssen deine väterliche Hand. Ich bin mit der vorigen Treu und Lieb dein

Dienstwilliger

Andrä Gaßner.


Ried den 21. August 1782


Nachdem ich diesen gelesen, wußte ich nicht mehr, wie mir war: Wut und Verzweiflung schlugen mich vollends nieder, weil ich einerseits in etwelchen Jahren große, gute Freunde und mächtige Stützen in fremden Ländern verloren hab, andererseits aber in meinem Vaterlande, wo man sonst dem Unglücklichen unter die Arme greifen sollte, ich anstatt des Mitleids bei meinem Unglück Haß und Verfolgung fand. Ich sah, daß ich von meinen Kreditoren keine Nachsicht zu hoffen habe, sondern daß ich in dem bestimmten kurzen Termin die 840 fl. bezahlen sollte, nehme ich sie her, woher ich wollte. In diesen betrübten Umständen wußte ich mir nicht anders zu helfen, als daß ich mich an meine Oberkeit selbst wendete; weil ich gewiß wußte, daß sie mit falscher Vorgebung der vielen Schulden, so man mir aufbürdete, hintergangen worden. Ich schrieb also meinem Herrn Pfleger folgenden Brief:


HOCHEDELGEBORNER, GESTRENGER,

HOCHGEEHRTESTER HERR PFLEGER!


Jenes Decretum vom 19ten des abgewichenen Monats August, welcher Euer Hochedelgeborn dem zu Besorgung meines Hauswesens aufgestellten Haushalter gefällig insinuieren lassen, ist mir erst mittels des vom gedachten Haushalter an mich unter dem 21ten selbigen[256] Monats erlassenen Schreibens dem 2ten dieses, besag des in Originali hier anliegenden Attestats, zu Mainz wissend geworden, wo ich gedachtes Schreiben nach meiner Rückkehr aus den Niederlanden erhalten habe.

Gegen dieses harte Verfahren erlauben Euer Hochedelgeborn mit Beibehaltung des schuldigen Respekts meine bestgegründete Vorstellungen zu machen: daß

Erstens die anberaumte Zahlungsfrist erst von dem Tage, wo mir solche wissend geworden, zu laufen anfangen könne, somit mir noch immer nützlich fortlaufe, indem der Andrä Gaßner nur zur Besorgung des Ökonomiewesens auch nicht einmal von mir selbst aufgestellet ist und nicht dieser, sondern ich die Zahlung zu leisten habe und hierzu die Mittel ausfindig machen muß. Daß sodann

Zweitens der in diesem Dekret mir angesetzte Termin von dreißig Tagen für einem in fremden Landen seiner Nahrung und Handelschaft nachgehenden Manne viel zu enge sei und wenigstens eine weitere Zahlungsfrist bis Lichtmeß künftigen Jahres gestattet werden müsse, wo zumalen

Drittens der mir erteilte Zahlungsbefehl der erste und mein Gläubiger gar nicht gefährdet ist, anerwogen nach eigener bei der anmaßlich vorgenommenen Vermögensinventierung gemachten Rechnung mir noch 1000 fl. nach Abzug der Schulden übrig verbleiben, auch

Viertens hinzukommet, daß mein Gut durch das unglückliche Schicksal der erlittenen Überschwemmung so sehr herunter gesetzet worden, und wenn dieses Gut, welches ich vor kurzem um 4540 fl. gekaufet, itzt verkaufet und so schnell dahin geschleudert werden sollte,[257] ich in den empfindlichsten, unwiederbringlichen Schaden versetzt würde, da vielmehr

Fünftens eben dieses ohne meinem Verschulden erlittene harte Unglück einen Maßstand ausmachet, nach welchem mir dem bekannten Rechte und aller Billigkeit nach ein fünf- und mehr-jähriges Moratorium gestattet werden sollte; ich verlang aber keineswegs eine so lange Nachsicht, sondern bitte nur, daß im Anbetracht solcher Rechts gegründeten Umständen itzt mit der Verkaufung meines Hauses und meiner Güter (die ohnehin, da ich hievon zugleich der Grundherr bin, ohne meinem Wissen und Einwilligung mit Rechtsbestand nicht beschehen kann) zurückegehalten und mir die gebetene Zahlungsfrist bis Lichtmeß verstattet werden möge, bis wohin ich unfehlbar die schuldigen 840 fl., auch wo möglich noch eher, abführen werde. Und da mir sonst von einem dringenden Gläubiger nicht das mindeste bekannt ist, so muß ich zugleich gegen die nur durch falsche Vorspieglungen meiner Feinde, zu Schwächung meines Kredits, und durch die in neidischer Absicht, mir das erworbene Gut wiederum hinwegzureißen, geschehene falsche Vorgebungen erschlichene gerichtliche Vermögensinventierung feierlichst protestieren und mir wegen des andurch zugegangenen Schadens alles Nötige vorbehalten.

Von Euer Hochedelgeboren und Dero Gerechtigkeitsliebe erwarte ich die Gewährung meiner Bitte, daß Dieselben nicht nur mit dem Verkauf zurückehalten, sondern auch mir die gebetene Zahlungsfrist gestatten werden. Sollte aber gegen Vermuten der Verkauf schon geschehen sein oder gegen Verhoffen meinem rechtlichen Gesuch keine Statt gegeben werden, so muß ich mir in[258] dem ersteren Fall mit feierlichster Protestation gegen alles widerrechtlich Unternommene die Ausführung meines Rechtes und der Nullitätsklage vor unserer gnädigsten Landesregierung und dem höchsten Richter, auch die Regreßklage gegen Euer Hochedelgeboren ausdrücklich; in dem zweiten Falle dahingegen die Appellation rechtlich vorbehalten, welche auf zu erhaltenden solchen widrigen Bescheid einzulegen ich dem Andreas Gaßner den ausdrücklichen Auftrag erteilet habe. Auf allem widrigem Fall, wenn das Gut wirklich verkauft wäre, will ich mir auch weiterhin, mit Vorbehalt meiner Nullitäts-und Regreßklage und ohne mir hierinfalls etwas zu begeben, das Einstandrecht vorbehalten, mir solches hiemit ausdrücklich gebeten haben.

Ich hoffe immittels das Bessere, und in dieser tröstlichen Zuversicht harre ich mit schuldigem Respekte


Euer Hochedelgeboren


Gehorsamster

Mainz den 3ten Sept. 1782.

Peter Prosch.


Auf dieses Schreiben wurde mit dem Verkauf meines Hauses und Hofs ingehalten und weiter nichts mehr unternommen. Wir gingen geschwind auf dem Marktschiff nach Frankfurt, Hanau, Aschaffenburg, Würzburg, Kitzingen, Nürnberg und Regensburg. Wir kamen beim geistl. Fürst-Bischof an, welcher froh war, daß ich von dieser weiten Reise glücklich bei ihm angekommen.

Ich mußte dann eine Zeitlang bei ihm bleiben; denn er war nicht ganz wohlauf und so brauchte er mich desto besser zur Aufmunterung. Die Domherren und Kavalier sahen es auch gern, daß ich da war; denn sie wußten, daß sich der Fürst öfters mit mir unterhielte. Er[259] wurde, Gott Lob! bald wieder gesund und er war wieder bei der Tafel bisweilen ziemlich aufgeräumt.

Endlich kam des Fürsten Namenstag, an welchem Gala und große Tafel war, worzu das Kapitel eingeladen wurde. Alles war aufgeräumt und lustig; man trank aus einem Deckelglas auf des Fürsten Gesundheit.

Zuletzt kam es auch an mich, und es ging nicht leer aus. Das Konfekt wurde gestellt, und ich machte auswendig folgende Gratulation:


Es ist ein Freveltat,

Daß ich mich unterstehe

Und zu dem hohen Fest,

O großer Landsmann! gehe:


Allein ich weiß gewiß,

Es wird mir diese Schuld

Vergeben die schon lang

Erfahrne Gnadenshuld.


Ich sehe heut vor mir

Dort in des Himmels Grenzen

Den tausendmal für mich

Beglückten Tage glänzen,


Der dir gegeben hat

Anton Ignatz hohen Namen,

An dem der Hof und Stab

Und alles Volk zusammen


Aus seiner Lieb und Treu,

Aus froher Brust und Mut[260]

Von seiner Treu und Pflicht

Viel tausend Glückwünsch tut.


Und wie soll ich allein

An diesem Festtag schweigen?

Der ich vor andern muß

Mich dankbarlich erzeigen.


Nein, liebster Fürst! ach nein;

Der Peterl tut heut auch,

Was sonst an solchem Fest

Bei Höfen ist der Brauch:


Ich wünsch, Gott gebe dir

So viele Tag im Leben,

Als süße Tropfen Wein

Tyroler Trauben geben;


So viele Stufen Erz

Der Knapp herunterscharrt,

Aus unsern Bergen gräbt,

So viel wünsch ich dir Jahr.


So viele Gems und Hirsch

Auf unsern Felsen springen,

So viel soll jede Stund

Dir Glück und Freuden bringen.


Und darf, o bester Fürst!

Dein Diener noch darneben

Dir etwas zum Geschenk

An diesem Festtag geben,
[261]

So nimm die Worte an,

Und denk dir doch darbei,

Daß dir der Peterl ganz

Geschenkt und eigen sei.


Der Fürst und alle Domherren hatten eine Freude und lobten meinen mathematischen Verstand.

Ich blieb noch eine Zeit zu Regensburg; weil aber der Fürst Taxis noch mit seinem Hofstaat in Schwaben war, litt ich in meinen Revenüen einen Abgang. Eines Tags erzählte ich dem Hofrat Depras, daß ich zu Hause von meinen Gläubigern sehr geplagt würde, meine Schuld von 840 fl. bäldest zu bezahlen; wir beratschlagten uns, weil wir wußten, daß der Fürst allzeit bedacht war, mir zu helfen. Er hinterbrachte es dem Fürsten, und der Fürst lieh mir so viel als ich brauchte; er gab mir noch darzu meine Pension und, weil er wußte, daß ich eilen mußte, ließ er mich gehen, mit dem Befehl, daß, wenn ich meine Schulden bezahlt hätte, ich wiederkommen sollte. Ich bedankte mich; der Fürst ließ uns auf dem Postwagen nach München führen.

Auf dieser ganzen Reise hatte ich mir etwas erspart, der Fürst hat mir was geliehen und bei der Gräfin Seefeld, als meiner Säcklmeisterin zu München, lag auch etwas für mich in Verwahrung: so konnte ich meine Schuld bezahlen.

Wir kamen nach München; mein Weib wartete schon beim Birnbaumbräu auf mich; ich übergab also meinem Weib und meinem Tunig, als künftigen Schwiegersohne, die 840 fl., damit sie die Pachmayrischen zu Haus ganz bezahlen sollten, welches auch bei Gericht geschehen ist. Ich befahl meinem Weibe und Tunigen die Haushaltung[262] und Wirtschaft an; sie gingen miteinander von München nach Haus und bezahlten die Schulden; nun war wieder Fried und Ruhe.

Weil mir aber die von den geistlichen Herren vor einem Jahre eingelegte starke Rekommendation bei meiner Obrigkeit viel Verdruß verursachte, nahm ich meine Zuflucht bei meinem Herrn Grafen von Tannenberg und dem hochansehnlichen Gubernium zu Innsbruck; ich erfuhr aber durch den K.K. Gesandten, Herrn v. Lehrbach, daß die Sache auf solche Weise nicht könne beigelegt werden; ich nahm daher von ihm einen Passeport, ging nach Regensburg, blieb eine Zeitlang beim Fürsten und erzählte ihm meine Umstände; dieser schickte mich zum Herrn v. Gleichen, der mir ein Schreiben an Herrn Grafen von Kobenzl mitgab.

Unterdessen hörte man, daß der Heilige Vater von Rom auf der Reise nach Wien begriffen wäre. Die Begierde, ihn zu sehen, beschleunigte also meine Reise; ich fuhr auf dem Ordinarischiff nach Wien, kam bei meinem Vater, Grafen von Kotegg, auf dem Kohlmarkt, wo er im Winter wohnt, glücklich an; er hatte eine große Freude, mich noch einmal in seinem hohen Alter zu sehen.

Ich erzählte ihm und seinem Sohn, der schon fünf Kinder hatte und Präsident war, meine üble Umstände; er ladete dann sogleich den Grafen von Kobenzl zum Speisen ein und erklärte ihm mein Anliegen. Ich gab ihm den Brief von Herrn von Gleichen, er las solchen und sagte, es würde am besten sein, wenn ich dem Kaiser selbst ein kurzes Memorial übergeben würde, er wolle hernach mit ihm zu meinem Besten reden. Ich tat es und kam durch meinen Vater Kotegg zum Kaiser, der,[263] weil er mich noch kannte, um ein und das andere fragte, die Bittschrift gnädigst annahm und sagte, er werde mit dem Grafen Kobenzl darüber reden. Ich küßte ihm den Rock, ging zu meinem Vater nach Hause und sah, daß meine Sache in etwelchen Wochen zu meinem größten Vergnügen beigelegt worden.

Endlich vernahm man, daß der Papst schon über Grätz im Anzug sei. Der Kaiser und der Erzherzog Maximilian gingen ihm entgegen; alles wurde in der Stadt lebendig, und jedermann war begierig, die zween größten Monarchen der Welt zu sehen.

Am folgenden Tage wimmelte alles durch die Tore hinaus; alle Großen wurden um zwölf Uhr nach Hof berufen. Von Wien bis Wienerisch Neustadt war die Straße an beiden Seiten mit Menschen und Wägen besetzt. Ich stand vor dem Residenztor auf einem Erdhaufen, der von der Gassen zusammengescharrt war, von neun Uhr frühe bis halbe vier Uhr nachmittags.

Endlich kamen diese zwei höchsten Häupter in einer zweisitzigen Kutsche an; der Zug ging durch das Burgtor herein, welches alsobald gesperrt wurde. Vor ungeheurer Menge der Menschen kam ich erst um halb sieben Uhr beim Schottentor in die Stadt.

Wie viele tausend Menschen aus allen Ländern bei dem Aufenthalt des Papstes nach Wien gekommen, ist nicht zu beschreiben; und dennoch war alles im Überfluß zu haben. Fleisch, Brot und Wein blieb im alten Preis.

In der dritten Woche, da nur die Geistlichen und Offizier zum Handkuß zugelassen wurden, wollte auch ich mein Glück probieren, aber auf der zwoten Stiege stunden sechs Grenadier mit kreuzweis übereinandergestelltem Gewehr samt einem Offizier. Dieser ließ mich nicht[264] hinaufgehen; weil mir aber die Residenz bekannt war, lief ich durch das Leopoldshöfl über vier Stiegen hinauf, über den Damengang hinüber und kam anstatt hinauf über die Stiege hinab. Der Offizier fragte mich: »Wohin willst du?« Ich antwortete, daß ich weit her sei, ich möchte gern dem Heiligen Vater die Hand küssen, damit ich bald wieder nach Hause zurückgehen könnte. Er aber sagte mir: »Du siehst keinem Offizier, vielweniger einem Geistlichen gleich; du siehst vielmehr einem Sauschneider ähnlich; marsch!« – – Ich versäumte nicht lang, sondern suchte meinen Weg wieder zurück und erzählte es meinem Vater, welcher herzlich darüber lachte und sagte: »Bekümmere dich nicht, du sollst gewiß zum Handkuß kommen; in der nächsten Woche gehen meine Hausoffizianten hinein, da sollst du mitkommen«; wie es auch geschehen ist.

Ich blieb noch bis zum Ostermontag zu Wien, an welchem Tage der Papst selbst in der St. Stephanskirche das Hochamt hielt; ich kam durch einen bekannten Kanonikus in die Kirche auf die große Orgel und konnte alles von weitem sehen. Die Zierde und Pracht ist nicht zu beschreiben, weil alles mit Beihülf der Patriarchen, der Kardinäle, der Erz- und Bischöfe, wie auch der Prälaten ganz auf römische Art gehalten wurde. Nach dem Hochamt wurde auf dem Hofe unter einem Baldachin und unter Abfeurung der Kanonen um die ganze Stadt vielen hunderttausend Menschen der päpstliche Segen erteilet.

Ich blieb darauf noch etwelche Tage in Wien, bedankte mich bei meiner Herrschaft und reisete nach Linz und Passau.

Fünf Stunden unter Passau gingen ich und mein Hofmeister[265] frühmorgens durch einen langen Wald; ich trug ein Päckl auf dem Buckel, in welchem mein Geld verborgen war, mein Hofmeister aber eine Krächse; wir hatten weder Messer, weder einen Stock, noch ein anderes Gewehr bei uns; wir dachten an nichts Böses und verrichteten unser Morgengebet, als unversehens zween baumstarke Kerls, mit großen Hüten und in Schafpelz gekleidet, aus dem Wald herauskamen; sie sprangen über den Graben auf uns zu. Einer packte mich bei der Achsel und warf mich so gewaltig auf die Straße nieder, daß mir das Hören und Sehen verging; der andere aber blieb noch jenseits der Straße stehen. Ich blieb mausestill liegen und dachte an den Bärn; weil ich sagen gehört, daß, wenn man sich nicht rühre, einem auch nichts geschehe. Als er nun auch auf meinen Hofmeister, der eben die Krächse vom Leibe ablegen wollte, zusprang, schrie der andere: »Halt, Bruder! es kommen Leute.« Wirklich erschienen auch drei Personen zu unserm Glücke und Errettung, sonst wären wir gewiß verloren gewesen; denn ich hätte mich gewiß nicht gewehrt, und vor großem Courage lag ich noch ganz still auf der Erde, da die Leute schon wirklich bei uns waren. Die zween Kerls sprangen wieder in den Wald hinein, wir aber gingen mit unsern Schutzengeln in das nächste Städtl und erzählten in dem Wirtshause, was uns begegnet ist; da vernahmen wir, daß man gestern von diesen Räubern vier eingefangen und heut wieder auf die übrigen gestreifet habe. Wir blieben noch diesem Tag daselbst, dankten Gott, daß wir so glücklich aus der Gefahr entronnen, und gingen weiter über Passau und Straubing nach Regensburg.

Der Fürst hatte eine große Freude mit mir, weil ich ihm[266] vieles zu erzählen wußte; ich blieb etwelche Wochen bei ihm und, nachdem er mich reichlich beschenket hat, marschierte ich über Landshut und Freising nach München.

Von da aus schrieb ich nach Innsbruck an meinen Säckler, er solle mir bäldest sechzig Dutzend Handschuhe nach Augsburg schicken. Zu Regensburg nahm ich einen neuen Hofmeister, mit Namen Johann Mayrholzer, auf, welcher mir als ein braver, vernünftig- und getreuer Mensch rekommandiert worden. Wir holten also unsre Handschuhe zu Augsburg ab und gingen über Kempten und Immerstadt nach Mörsburg. Der Fürst war ein lustig- und aufgeräumter Herr; er kannte mich schon als Domherr in Augsburg; er gab mir Kost und Quartier im alten Schloß und guten Markgräflerwein zu trinken; er zeigte mir sein schönes Naturalienkabinett, behielt mich sechs Wochen bei sich und beschenkte mich recht gnädig.

Ich nahm Abschied und ging über Überling, Stockach, Donaueschingen, Villingen, durchs Kinzingertal nach Offenburg und Kehl, wo ich wieder beim Rehfuß logierte. Allda wurde ich krank und bekam den Fußkatarrh, so daß ich bei drei Wochen im Bette liegen mußte. Ich hörte, daß der Prinz Maximilian von Zweibrücken in Straßburg wäre; weil ich aber noch wohl daran dachte, wie es mir auf der Brücke und französischen Grenze ergangen, fühlte ich keinen Lust recht, in Frankreich zu gehen; ich schickte daher meinen Hofmeister mit einem Brief zum Prinz Maxen, welcher nach zwei Tagen mit dem Oberst Kaiserling und einem andern Kavalier zu mir nach Kehl kam, in meinem Zimmer frühestückte und sich erfreute, daß er mein Angesicht wieder sah; er kaufte mir etwelche Dutzend Handschuhe[267] und einige Gemshäute ab. Nach der Hand kam die Generalin Wittwenstein und andere Damen zu mir und nahmen nicht wenige Handschuhe mit sich, weil mich der Prinz Max bei der Nobleß gut rekommandiert hatte. Er kam auch selbst wieder mit zween Kavalieren in einem viersitzigen Wagen nach Kehl, nahm einige Handschuhe mit sich und führte mich nach Straßburg in den Darmstädter Hof; da stellte er mich seiner liebenswürdigen Frau Augusta, einer gebornen Prinzeß von Darmstadt, vor, mit welcher ich alsogleich bekannt wurde. Ich getrauete mich aber nicht, in der Stadt herumzugehen, deswegen lud der Prinz mehrere Herrschaften zur Tafel ein, damit ich meine Handschuhe im Hause verkaufen könnte. Also waren wir durcheinander recht lustig; ich hatte zu essen und den besten Wein zu trinken im Überfluß. An einem Abend machte ich das Peterlspiel, bei welchem, weil sie es noch niemals gesehen, nicht wenig gelacht wurde, so daß sie die Bäuche heben mußten. Der Oberst Kaiserling wollte es auch probieren; weil ihm aber das Feuer zu nahe an die Nase kam, vergaß er auf das Blasen und verbrannte sich seine Wuckeln und Augenbrauen; alles schrie und lachte, und so blieben wir recht lustig bei der Tafel bis halb zwei Uhr in der Nacht beisammen sitzen.

Nach einigen Tagen sollte in der Zitadelle ein Luftballon in die Höhe steigen; diesen zu sehen, wiewohl die Person drei Livres bezahlen mußte, gingen sehr viele Menschen hinaus; ich glaubte, ich müßte auch dabei sein; kaum erblickte mich aber der Prinz Max, schickte er zween Grenadier ab, die mich holen und zwingen mußten, in das Schifflein des Ballons einzusteigen. Da ich nun kein Courage auf dem lieben Erdboden, vielweniger[268] in der Luft habe, saß ich zitternd darinnen und hielt mich an einem Seil fest, sicher glaubend, der Erdboden werde mich bald als tot empfangen; denn es war mir nicht ums Auffahren, sondern ums Herabfallen. Samt dem Künstler waren unser vier in dem Ballon; er stieg wirklich in die Höhe; weil wir aber zu schwer waren und sonst weiß nicht was fehlte, setzte er sich, und wir kamen wieder sachte herab. Von weitem schon machte ich einen Sprung aus dem Schiff, um nicht der letzte zu sein; ich sah gelb und weiß aus und hab aus Courage meine Hosen so zugerichtet, daß ich zween Tage hindurch daran zu waschen hatte. Nach acht Tagen sollte er ausgebessert werden und wieder steigen; ich wollte aber diese fatale Himmelfahrt nicht mehr probieren, sondern nahm beim Prinzen und der Prinzeß Abschied und lief im vollen Galoppe nach Kehl und von da aus nach Radstadt und Karlsruhe; allda hörte ich schon bei Hofe, daß der Ballon zu Straßburg aufs neue gestiegen, aber in Brand geraten sei und bald das Holzmagazin angesteckt habe; die Leute, so darinnen sich befanden, wären auch blessierter herabgekommen. Wie froh war ich, daß ich nicht mehr dabei gewesen.

Wir gingen weiters nach Durlach, Brusel, Heidelberg, Weibsstadt, Bocksberg, Adelsheim, wo ich den General Steten antraf, und kamen über Bischofsheim nach Würzburg; das Peremptorium war nahe, an dem alle Domherren sich einfinden mußten. Der Franz Greifenklau war Dechant zu Kamburg, der mich als Herr Gevattermann zu sich einlud; ich und mein Hofmeister gingen daher über Mergenthal und Parthenstein, wo ich mich etwelche Tage aufhielt, weil mich der Fürst und alle Herrschaften gern hatten. Ich wollte weiterreisen, allein[269] die Nacht zuvor wurde mir beim Kostmayr mein Pferd aus dem Stall gestohlen; ich fragte allenthalben nach, aber niemand wußte etwas davon; ich zeigte die Sache beim Richter an, welcher lachte und mir einen Gerichtsdiener mitgab; wir suchen alle Ställe aus, und endlich nach zween Tagen fanden wir mein Pferd im Glashause. Mit Freuden führte ich es nach Hof, beurlaubte mich und wollte einspannen; da ich aber ins Wirtshaus kam, war mein Chäsel auch weg; ich suchte es wieder einen ganzen Tag lang; endlich sagte mir die Kellnerin im Vertrauen, es wäre auf dem Boden unter dem Dach. Wir fanden es allda ganz hergestellt; bis wir es also zerlegten, über die Stiegen herabbrachten und wieder zusammenrichteten, ging eine geraume Zeit vorbei. Nichtsdestoweniger fuhren wir noch bis Langenburg und Schwäbischhall und kamen zu Kamburg an.

Daselbst befanden sich der Dechant und Domprobst von Greifenklau, der Domdechant Kuttenberg, der Kammerpräsident Sicking, der Domdechant von Augsburg, Herr von Reischach, der Graf und die Gräfin von Kastell, der junge Herr von Würzburg und seine Frau, der Herr von Gnering und sein Sohn von Ellwang; alles war durcheinander lustig und aufgeräumt; wir logierten im Schloß, hatten zu essen und zu trinken im Überfluß und ins Zimmer noch einen extra Vespertrunk.

Zu meiner nicht geringen Bestürzung wurde aber mein lieber Hofmeister gähling krank; ich ließ die zween Doktoren des Dechant von Schwäbischhall holen; diese erkannten alsbald, daß die Krankheit sehr gefährlich wäre und er das Scharlachfieber hätte. Er starb auch wirklich am vierten Tage, aller angewandten Mitteln ungeachtet. Er war nur einundzwanzig Jahre alt, schön[270] gewachsen, aufrichtig und treu wie Gold, manierlich und bescheiden, so daß ihn jedermann, der ihn gekannt hatte, herzlich bedauerte und der Dechant selbst seinen Tod beweinte. Er wurde so schön begraben, daß in Steinbach bei Mannes Gedenken keine schönere Leiche gesehen worden; die Unkösten für die Apotheke, Begräbnis und den Gottesdienst bezahlte der Herr Dechant Fränzl von Greifenklau.

Das Peremptorium ging zu Ende, und ich reisete mit dem Herrn Dechant, meinem Gevattermann, nach Würzburg; er tat mir viel Gutes in meinen betrübten Umständen, denn ich habe meinen Hofmeister hart verloren und werde auch keinen so vernünftig- und getreuen mehr bekommen; er beschenkte mich noch überdas so reichlich, daß ich wohl zufrieden war.

Mein Bub ist unterdessen zu Würzburg ins Findelhaus gekommen; ich begehrte ihn vom Goldmayr zurück, der ihn mir gab; mit diesem ging ich nach Mergenthal, Grallzheim, Dünkelsbihl und Wallerstein, wo ich mich etwelche Tage aufhielt, weil mich der Fürst und der Graf Franz Louis wohl kannten. Der Fürst spielte öfters mit mir auf dem Billard; mir ging es zwar ganz wohl, aber wegen dem Tode meines Hofmeisters konnte ich nicht, wie sonst, vom Herzen lustig sein. Ich bedankte mich beim Fürsten für alle empfangene Gnaden, reisete über Nördling, Donauwörth und München ins Tyrol und kam zu Hause glücklich an.

Unter dieser Zeit hat mein Haushalter, Kellner und ehemalige Hofmeister, Anton Ram oder Mäusl Tunig, mit meiner Tochter eine vertrauliche Bekanntschaft gemacht und zeigte eine Lust, sie zu heuraten; als Kellner und Haushalter wollte er nicht länger bei mir bleiben,[271] weil er und mein Weib nicht recht gut zusammensahen; dabei litt aber niemand mehr als ich, so daß mein Hauswesen in diesen zweien Jahren ein schlechtes Aussehen gewann und ich mich nicht mehr erschwingen konnte. Wollte ich auch selbst zu Haus bei der Wirtschaft bleiben, konnte ich nichts Bessers hoffen; denn, wenn ich meine Pensionen nicht selbst alle Jahre abholen wollte, würde man mir solche gewiß nicht überschicken, zudem könnte ich meinem Handel und Wandel, durch welchen ich doch immer was gewann, nicht mehr nachgehen.

Ich ließ sie also im Gottes Namen zusammen heuraten; er war ein bildschöner Mensch, konnte gut lesen, schreiben und rechnen, war auch schon fünf Jahre bei mir, sowohl auf dem Land als zu Hause, und führte sich allzeit gut und brav auf, so daß ich mir dachte, er wird so bleiben und immer noch besser und gescheiter werden. Er hatte auch ein weniges Vermögen; ich hoffte also, daß meine Tochter einen vernünftigen, schönen und braven Mann und ich in meinen alten Tagen einen guten Freund, schönen Schwiegersohn und Gehülfen haben würde. Aber –

Wir wurden durcheinander einig und die Hochzeit ging mit beiderseitigem Vergnügen vorbei; sie war die erste die in unserm Hause gehalten wurde. Ich übergab ihnen um einen gewissen Preis mein Gut und die Wirtschaft zu Jochler, doch blieb ich Grundherr und war der einzige Kreditor; ich gab ihnen Vieh und was sonst zur Bauernschaft gehört, und schenkte ihnen noch darzu auf die Hochzeit das Schuldenbuch. Sie fingen an zu hausen und es ging anfangs ganz gut; denn sie hatten einander lieb.[272]

Ich aber zog mit meinem Weib und Kindern in das Zapflhaus ins Taxach hinauf und lebte mit meinen Geistlichen und der Oberkeit in Friede und Ruhe.

Nur auf dem großen Wirtshaus wollte man mich nicht gedulden. Mein Schwiegersohn gab also meinem Rat zufolge bei dem Gubernium wieder ein Memorial ein um die Erlaubnis, Hochzeiten und Spielleute zu halten; ich hatte zwar schon deswegen ein Dekret erhalten, man hat mir es aber wegen einer fälschlich vorgegebenen lüderlichen Aufführung wieder abgenommen.

Wir brachten es endlich auf der Landschaft so weit, daß der Herr Mayr als Kommissär, um die Sache doch endlich im Grunde und der Wahrheit gemäß zu untersuchen, geschickt wurde; er erkundigte sich im Pfarrhofe bei den Geistlichen, warum sie so sehr darwider wären, da es doch augenscheinlich höchst unbequem ist, daß die Leute bei einer Hochzeit zur Morgensuppe eine halbe Stund weit in das Wirtshaus nach Uderns, von da aus wieder so weit in die Kirche und zur Kopulation, nach dem Gottesdienst abermal eine halbe Stund ins Wirtshaus und endlich auf die Nacht ebensoweit nach Hause gehen müssen, da doch ein Wirtshaus und die beste Gelegenheit im Orte selbsten bei der Kirche sei.

Er kam nachgehends wieder in unser Haus, ließ den Ausschuß holen, um zu hören, wie die Sache beschaffen und es der Nachbarschaft zum bequemsten sei: da zeigte es sich, daß die ganze Sache sich so befände, wie ich schon vor mehrern Jahren sie vorgeschrieben, aber wegen den Verleumdungen kein Gehör gefunden habe.

Er verwunderte sich auch, daß, da ohnehin zween Geistlichen sich bei uns befänden und die Kirchengemeinde so groß wäre, daß die Toten von uns aus dem Salzburgischen[273] dritthalb Stunde bis in die Pfarr Fügen zum Grabe müßten getragen werden, zu Ried nicht ein eigener Kirchhof sei, welches doch von der Oberkeit selbst als notwendig erkannt und von Sr. Majestät dem Kaiser erlaubet wäre. Aber, lieber Gott! da es niemand aus der Nachbarschaft betriebe und es dem Kreisamt recht deutlich vorstellte, mußten wir halt in dem aufgeklärten Säkulo Esel bleiben und wie unsre Vorfahren die Toten so weit zum Grabe samen.

Der Herr Kommissär tröstete uns, packte seinen Schreibzeug zusammen und stellte zu Innspruck der Landschaft alles deutlich vor, wie er es befunden hat. Über eine kurze Zeit erhielt mein Schwiegersohn, wie er es verlangte, die ganze Wirtstafern, und jedermann sieht es nun klar ein, daß es der ganzen Nachbarschaft recht getan ist.

Quelle:
Prosch, Peter: Leben und Ereignisse des Peter Prosch, eines Tyrolers von Ried im Zillerthal, oder Das wunderbare Schicksal, Geschrieben in den Zeiten der Aufklärung, München 1964, S. 236-274.
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