Als Dienstjunge in der Holsteinischen »Grafenecke«

[91] Noch am selben Vormittag fuhr ich auf dem Handelswagen des Vermieters meiner neuen Dienststelle zu. Es paßte sich gerade so, daß der Vermieter an diesem Tage eine seiner Touren nach Segeberg machte, und da er unterwegs noch in dem Dorfe L. vorfuhr, so bot er mir bis dahin einen Platz auf seinem Wagen an, den ich natürlich mit Dank annahm. Von dem Dorfe aus erreichte ich dann das Gut Bunsloh nach einem Fußmarsch von gut anderthalb Stunden. Hierher hatte ich mich also als »Lüttjung« vermietet für einen Jahreslohn von 25 Talern. Nach meinen Begriffen war dies ein hoher Lohn, denn auf unseren heimischen Gütern in Hinterpommern verdiente damals ein vollwertiger Knecht kaum mehr; Hilfsknechte oder Einlieger aber brachten es noch gar nicht einmal so hoch, ja die jüngeren von ihnen bekamen zum Teil an Barlohn nicht viel mehr, als ich im verflossenen Halbjahr als Kuhhirte erhalten hatte.

Bunsloh gehörte zu den Gütern der gräflich R.schen Familie, die sowohl im östlichen Holstein, wie auch in Lauenburg und Mecklenburg ausgedehnte Besitzungen hatte. Ich war damit in die sogenannte Grafenecke von Holstein hineingeraten, in jene Gegend, die sich von Stormarn über Oldesloe, Segeberg, Ploen durch Wagrien nach dem Schleswigschen hinzieht. In diesen Distrikten überwiegt der Großgrundbesitz fast in ähnlicher Weise, wie in meiner hinterpommerschen Heimat, nur daß er sich hier in den Namen von Ahlefeld, von Rantzau, von Reventlow, von der Schulenburg, von Schimmelmann, von Bülow usw. verkörpert.

Eine hübsche Allee alter breitästiger Linden, hin und wieder mit mächtigen knorrigen Eichen durchsetzt, führte vom Hauptwege seitwärts nach dem Gutshofe. Ich ging nach einem der Ställe, von wo mich der anwesende Oberschweizer nach der Gesindestube wies. Er wunderte sich darüber, daß ich schon am 1. November,[92] dem allgemeinen Abgangstage des Gesindes »zuging«, und dazu noch bei einem so weiten Wege. Der Zugangstag war für gewöhnlich erst der 2. November abends; da ich jedoch keinerlei Anhalt hatte, so war ich froh, gleich wieder unter Dach und Fach zu kommen. Bis zum nahen Feierabend wanderte ich nun in den Ställen und Scheunen umher und orientierte mich ein wenig auf dem Hofe. Am nächsten Morgen begann mein Dienst.

Zwei Jahre war ich auf Bunsloh. Zwei Jahre, die mir in der Erinnerung deswegen so interessant dünken, weil sich in ihnen einfach nichts, aber auch rein gar nichts zutrug, was ein gewöhnliches Menschen kind als außerordentliches Geschehnis auffassen könnte. Ich lebte dahin, lebte und arbeitete. Oder besser gesagt: ich vegetierte, wie auch die anderen Gutsarbeiter dahinvegetierten. Wir arbeiteten, wir aßen, wir schliefen und – arbeiteten wieder, ganz so wie die Ackerpferde: hüh, hott und prrr. In stiller Abgeschiedenheit, fern von Dorf und Stadt, verging hier ein Tag nach dem andern in ewiger gleichförmiger Tretmühlenarbeit. Frühmorgens um 4 Uhr begann die Fron, und endete im Winter um 6, im Sommer je nach Anordnung um 7, 8 oder 9 Uhr abends. So ging es tagaus, tagein – in gleichmütiger Stumpfsinnigkeit, ohne geistige Anregung, ohne jede andere Abwechselung als die, welche die Arbeit mit sich brachte.

Dabei kann ich nicht einmal sagen, daß ich es hier besonders schlecht gehabt hätte, wenigstens nicht in den ersten fünfviertel Jahren, während deren der alte Inspektor noch lebte. Eine Behandlung, wie sie auf pommerschen Gütern üblich war und wie ich sie selbst dort auf Friederikenhof kennen gelernt hatte, mit dem schroffen Kommandoton, der sklavischen Gutsdisziplin oder gar mit Prügeln, das gab es hier nicht. Der Gutsverwalter war ein alter jovialer Herr, der seine Anordnungen stets in ruhiger Gelassenheit traf und schroffe oder verletzende Worte fast gar nicht gebrauchte. Auch übermäßige Arbeitsleistungen wurden von uns nicht verlangt, es sei denn in der Ernte zeit, wo es mit Recht auf einige Schweißtropfen mehr nicht ankommen darf. Ebenfalls erhielten wir eine auskömmliche Kost.

Dennoch blieben die jungen Leute, Knechte und Deerns, hier in[93] der Regel nicht länger, wie ein Jahr. Es war ihnen allen hier zu abgelegen, zu langweilig, zu tot. »In disse Bucht versuert'n jo bi lebennigen Liw«, sagte ein Knecht, der sich auch ausnahmsweise für ein zweites Jahr auf Bunslöh vermietet hatte. Dagegen waren die meisten verheirateten Tagelöhner wie auch der ebenfalls verheiratete Großknecht mitsamt dem Oberschweizer und den Gutshandwerkern schon seit längeren Jahren hierselbst in Dienst. Sie hatten sich an die triste Einsamkeit völlig gewöhnt. Ihnen genügte das bißchen Umgang mit ihren Mitarbeitern. Ob es außerhalb des Gutes noch Menschen gab und was diese trieben, das wußten sie kaum, war ihnen auch herzlich gleichgültig. Sie lebten in einer Welt für sich, bedürfnislos, wortkarg, apathisch. Sechs Tage in der Woche arbeiteten sie für das Gut, wenn's befohlen wurde, auch sieben, mehr konnte ja niemand von ihnen verlangen. Im übrigen ließen sie den lieben Gott einen guten Mann sein und kümmerten sich »um keine Rüben«. Für alles andere sorgte der Verwalter. Sprach man mit ihnen und fragte sie etwas, so bekam man nach fünf Fragen regelmäßig eine halbe Antwort, und die auch erst nach längerem Besinnen und Überlegen, gewöhnlich nur in einem weitläufig gedehnten »jooo –« oder »neee –«. In ihnen hatte sich, unter dem Einfluß der monotonen Großgutwirtschaft, ein Typus ausgesprochen menschlicher »Kaltblüter« entwickelt, der in Haltung, Gang und Wesen eine wahrhaft verzweifelte Ähnlichkeit mit dem starkknochigkaltschlägiger Ackergäule aufwies, die dort auch gezüchtet wurden.

Oberflächliche Beobachter, die sich auf ihre psychologische Beurteilung von Volkseigentümlichkeiten häufig etwas zugute tun, lassen sich durch diese »Kaltblütigkeit« immer sehr imponieren. Jene dösige Maulfaulheit scheint ihnen als rühmenswerter Lakonismus, in hölzerner Unbeholfenheit erblicken sie den Ausfluß ruhigen Selbstvertrauens, und die gutmütige Beschränktheit schreiben sie als »nordisches Phlegma« den abkühlenden nervenstärkenden Einwirkungen der »Waterkant« aufs Konto. Nun sollen zwar die klimatischen Einflüsse auf das Volksnaturell durchaus nicht von mir in Abrede gestellt werden.[94] Wer aber die Dinge aus eigener Erfahrung heraus kennen gelernt hat, der schiebt nicht alles aufs Klima. Er findet bald einen ganz gewaltigen Unterschied in dem »nordischen Phlegma« der besitzenden und der nichtbesitzenden Klassen. Bei letzteren, besonders bei den kontraktlich verpflichteten Gutsarbeitern der »Grafenecke« handelte es sich in dieser Beziehung in der Hauptsache um nichts anderes, als um die natürlichen Folgen einer unablässigen schweren Arbeit und überlangen Arbeitszeit, verbunden mit der abstumpfenden Einförmigkeit des Gutsdienstes. Geistige Anregung, die den Menschen auf ein höheres intellektuelles Niveau hebt, fehlte in der Grafenecke völlig. Habe ich doch während des ganzen ersten Jahres meiner Diensttätigkeit auf Bunsloh nur ein einziges Mal ein Zeitungsblatt in die Hand bekommen, und das hatte der Inspektor auch nur zufällig aus seiner Rocktasche verloren! Von den Tagelöhnern hielt niemand eine Zeitung, höchstens daß von der Gutsverwaltung ab und zu der evangelische »Sonntagsbote« verteilt wurde, über den sich der Inspektor aber selbst lustig machte und der wegen seiner widerlichen Frömmelei meistens ungelesen liegen blieb. Die immerwährende grobe Knochenarbeit und der gänzliche Mangel an erfrischender geistiger Kost machen eben den Menschen seelisch und körperlich vor der Zeit stumpf und steif. So wird er seiner Menschenwürde nach und nach fast völlig entkleidet und schließlich nur noch zu einer Art Arbeitstier herabkultiviert. In seiner Abgeschiedenheit ist er froh, wenn er unter einer halbwegs humanen Herrschaft sein dürftiges und bescheidenes bißchen Dasein fristen kann, ohne mehr den Wechselfällen und Zufälligkeiten, mit denen »freie« Arbeiter nur zu häufig zu rechnen haben, preisgegeben zu sein. Er fühlt selbst sich mit der Zeit geradezu nur noch als menschliches Gutsinventar, dem die Außenwelt fremd und gleichgültig geworden ist. Der Begriff höheres Menschentum verkörpert sich ihm eben lediglich in seiner – »Herrschaft«.

Bunsloh war ein sogenanntes Feldgut von beträchtlicher Ausdehnung, mit einem Vorwerk. Es hatte nur etwa 60 Morgen Waldbestand, alles übrige war Acker- und Wiesenland mit einer kleinen Moorniederung, die an das Holz angrenzte. Brennerei[95] und Ziegelei fehlten. Kartoffeln wurden nur wenig gebaut; desto bedeutender war der Getreidebau und die Milchwirtschaft, verbunden mit einer beträchtlichen Rindvieh-und Schweinemast.

40 Gespanne Pferde, darunter 22 Mutterstuten, hierzu 160 Milchkühe nebst Jungvieh und der entsprechenden Anzahl zwei- und dreijähriger Ochsen, sowie etwa 200 Schweine bildeten den regelmäßigen Viehbestand. Die Milch wurde in der nach dänischem Muster eingerichteten Gutsmeierei verarbeitet; von der gewonnenen Butter kam der größte Teil nach Hamburg.

Stattliche Reihen von Ochsen oder Fehrkühen, die, soweit sie nicht eigener Zucht entstammten, im Herbste als Magervieh angekauft waren, standen zur Mast aufgestellt; sie wurden später je nach Schlachtreife auf den Fettviehmärkten in Hamburg, Berlin oder Köln durch Makler oder auf genossenschaftlichem Wege verkauft; ebenso die fetten Schweine.

Ställe und Wirtschaftsgebäude waren teils alt und mit Stroh gedeckt, teils neu mit fester Bedachung. Einen besonders vorteilhaften Eindruck machten die Schweineställe. Sie waren erst vor wenigen Jahren nach den Anforderungen rationeller Zucht und Mästerei aufgeführt worden, nachdem ein Brand eines der alten isoliert gelegenen Stallgebäude zerstört hatte. Die praktische Einrichtung der neuen Ställe ermöglichte nicht nur deren stetige Sauberhaltung, sondern auch eine außerordentlich schnelle Fütterung der Tiere.

In dieser Beziehung stand es mit den Rindviehställen weniger gut. Nur ein Teil von ihnen war mit Selbsttränkeapparaten versehen; den Kühen und dem Jungvieh mußte während des Winters das Wasser noch vorgepumpt oder gar in Eimern vorgetragen werden; im Sommer wurden die Tiere in zwei Herden frei geweidet. Die Einrichtung der Pferdeställe entsprach denen beim Militär.

Abseits belegen stand dann noch ein ziemlich verwahrloster Schafstall für eine verhältnismäßig kleine Herde von etwa 400 Stück. Selbstverständlich wurden auch die verschiedenartigsten landwirtschaftlichen Maschinen verwendet, wenn sie auch nicht alle gerade von modernster Konstruktion waren.[96]

Was den Betrieb im ganzen betrifft, konnte man ihn zwar nicht in allen Teilen als einen ganz modern-neuzeitlichen bezeichnen, dennoch machte er einen ungleich günstigeren Eindruck, wie das von mir bereits erwähnte von Damerowsche Gut in Hinterpommern. Nur das Herrenhaus hielt einen Vergleich mit dem pommerschen Adelssitz nicht aus. Das rührte wohl daher, daß die Herrschaft nur ganz ausnahmsweise und vorübergehend während des Sommers oder während der Jagdzeit im Herbst Aufenthalt in Bunsloh nahm; die übrige Zeit wohnte sie in irgendwelchen Residenzstädten oder auf einem ihrer landschaftlich schöner belegenen Güter. »Unseren« Herrn Grafen habe ich in den zwei Jahren, die ich auf Bunsloh diente, nur dreimal zu sehen bekommen.

An Gesinde wurden 14 Knechte und Jungen, sowie 6 Mägde beschäftigt. Die Tagelöhnerfrauen mußten zum Teil auch Mägdearbeiten mit verrichten, da »Deerns« in der eigentlich erforderlichen Zahl nur schwer nach dem Gut hinzubekommen waren. »Bullenwinkel« sei ihnen zu abgelegen, sagten sie. Unsere sechs Deerns hatte der Verwalter nur durch das Zugeständnis eines sehr viel höheren Lohnes für das Gut gewonnen. Sie erhielten einen Jahreslohn von 160 bis 225 Mark; das waren zum Teil Summen, wie sie mancher Knecht nicht erhielt; denn deren Löhne bewegten sich ja nach Alter und Leistungsfähigkeit zwischen 130 und 240 M., die der vier Dienstjungen folgten dann mit 66 bis 95 Mark. Mein eigener Lohn war, wie erwähnt, 75 Mark im ersten Jahr; im zweiten wurde er mir auf 90 Mark erhöht; auch erhielt ich dann den stolzen Titel »Grotjung«. Eine weitere Anzahl von Jungen und Kleinmädchen stellten außerdem noch die kontraktlich gebundenen Tagelöhnerfamilien in ihren halbwüchsigen Kindern für die Gutsarbeit. Diese aßen und schliefen bei ihren Eltern. Sie wurden, soweit sie noch schulpflichtig waren, nur im Bedarfsfalle zur Arbeit herangezogen, z.B. zum Distelstechen, zum Ausjäten des gelben »Kuk«krautes, zum Verpflanzen der Futterrüben, sowie zur Mithilfe in der Heu- und Kornernte. Was sie für ihre Leistungen eigentlich erhielten, wußte man nicht genau. Einige bekamen ein paar Groschen Bargeld, für die anderen[97] verrechnete der Verwalter den Verdienst mit den Eltern in einer kleinen außerkontraktlichen Deputatzulage.

Die Gutstagelöhner selbst wohnten in den Gutskaten; je zwei und drei »Part« in einem Häuschen. Es waren 16 solcher Tagelöhnerfamilien, die sich hier je auf ein Jahr »fest gemacht« hatten. Die Katen gewährten in ihrem Gesamtbilde nun zwar einen nicht ganz so verwahrlosten Anblick wie die pommerschen Jammerlöcher dieser Art, immerhin sahen auch sie armselig genug aus. Alt, baufällig, windschief, lagen die Hütten in kleinen Abständen nebeneinander; der Rauch spielte über den krummen Linien ihrer geflickten Strohdächer. Auch hier gab es in den undichten Fenstern der meisten Wohnungen Scheiben, die keine Scheiben mehr waren; vielmehr hatte man ebenfalls – wie in Pommern – zu Papier und Mehlkleister seine Zuflucht genommen und die überzähligen Öffnungen verklebt.

Diele und Flur bestanden aus hartgestampftem Lehm, fast ebenso holperig und löcherig wie in Pommern; auch die querteiligen Türen hinkten vor Altersschwäche in ihren rostigen Angeln. Ein einziges Tagelöhnerhaus, in dem drei Familien wohnten, konnte man als leidlich menschenwürdige Wohnstätte bezeichnen. Es war dies ein neues Häuschen mit Pappdach und Zementflur, das auch die ungewöhnliche Ausstattung einer Bretterdiele aufwies. Seine Entstehung verdankte es einem Stallbrande, bei dem das alte Hüttchen durch Flugfeuer mit vernichtet worden war. Nun beherbergte das neue dafür auch den Oberschweizer, den Gutsschmied und den Gutsstellmacher; gleichzeitig waren auch die Werkstätten der beiden letzteren mit in ihm untergebracht. Die übrigen Katen aber konnten sich samt und sonders in baulicher Beziehung tatsächlich auch nicht entfernt mit den gutsherrlichen Schweineställen messen.

Wie mir später der Tagelöhner Jan Hinrichs, dessen Frau für mich wusch und flickte, des öfteren erzählte, hatte der Verwalter zwar schon seit Jahren einen Umbau von zweien der allerbaufälligsten Katen in Aussicht gestellt, doch die Herrschaft konnte immer »noch nicht so weit kommen«. Mir schien es immer verwunderlich, daß die alten Kabachen noch die Herbststürme aushielten[98] und ihren Insassen nicht über dem Kopfe zusammenfielen.

Auch die innere Einrichtung der Tagelöhnerwohnungen entsprach im wesentlichen deren äußerer Beschaffenheit. Hier vielleicht ein Stück Stuhl oder Kasten mehr wie dort, ja wohl gar eine polierte Kommode oder ein gebrechliches Sofa unbestimmbarer Herkunft, sonst aber überall derselbe ärmliche Hausrat, das gleiche bißchen Armut wie in Pommern. Dabei herrschte jedoch allenthalben eine wohltuende Reinlichkeit. Es schien fast, als sei jede Tagelöhnerfrau bewußt bestrebt, die Dürftigkeit ihrer Stubeneinrichtung durch Ordnung und Akkuratesse möglichst zu verdecken. Selbst an dem vergilbtesten Fenster hing ein Fähnchen Gardine, und die wurmstichigste Kommode schmückte eine weiße Auflage mit kleinen billigen Porzellanzieraten darauf. Dagegen fand ich nirgends mehr, wie noch in meiner Heimat, einen Webstuhl.

Das Einkommen der Gutstagelöhner setzte sich auch hier zusammen aus Barlohn und Deputat. Doch war dieses Verhältnis gegenüber dem pommerschen wesentlich anders. Noch vor wenigen Jahren hatte es hier noch verschiedene Kategorien von Kontraktarbeitern gegeben, nämlich: Landinsten mit einigen Morgen Pachtland; Kuhinsten mit etwas Wiesen- und Gartenland, das ihnen die Haltung einer Kuh ermöglichte; Hausinsten, die zwar ein Häuschen in Pacht hatten, aber keine Kuh halten durften; und die Deputattagelöhner, eine Art Mittelding zwischen Gesinde und Instleuten, die entweder in einer kleinen Mietswohnung des Gutes untergebracht waren oder ihr Stübchen von einem Instmanne mieten mußten, falls dieser noch irgendeinen freien bewohnbaren Raum zur Verfügung hatte. Seitdem auf Bunsloh aber die Gutsmeierei errichtet worden war, bestanden diese Unterschiede nicht mehr. Die Bezeichnung »Instmann« war schon ganz in Fortfall gekommen; sämtliche verheiratete Kontraktarbeiter – mit alleiniger Ausnahme des Großknechts, der eine Aufsichtsstellung über das männliche Gesinde bekleidete – hießen jetzt kurzweg Tagelöhner. Sie hatten alle den gleichen kontraktlichen Lohn oder Akkord und das gleiche Deputat,[99] soweit nicht die durch die Zahl der Kinder und deren Arbeitsverdienst bedingte und infolgedessen verschiedenartig bemessene außerkontraktliche Deputatzulage hinzukam.

Infolge der eingeführten Neuerung gab es auch kein Pachtland mehr für die Tagelöhner, ebensowenig durfte oder konnte jemand eine Kuh halten. Kontraktlich waren jedem Tagelöhner nur einige Quadratruten Gartenland zugewiesen, die gerade ausreichten, um seinen Bedarf an Gemüse und Frühkartoffeln zu decken. Je nach der Größe der Familie und der von den Kindern zu erwartenden Arbeitsleistung konnte das Gartenland vom Inspektor auch um ein weniges vergrößert werden. Alle übrigen Naturalien erhielten die Tagelöhner, die früheren Insten, da sie infolge der Entziehung des Pachtlandes selbst keine Feldfrüchte mehr bauen konnten, als Deputat vom Gut geliefert. Diese Lieferung erstreckte sich auf ein Quantum Buchweizen, dem Hauptnahrungsmittel der dortigen Gegend, denn das Buchweizenmehl wird täglich in erheblicher Menge zur Herstellung der ostholsteinischen Nationalkost, der »bookweten Klüten und Pannkoken« benötigt. Dafür spielte die Kartoffel nur eine nebensächliche Rolle; das Quantum der Deputatkartoffeln war daher auch nur ein verhältnismäßig geringes. Ferner wurden verabfolgt: Roggen zum Brotbedarf, etwas Futterkorn für die ein bis zwei Schweine, deren Haltung den Tagelöhnern gestattet war; einige Bunde Bett- und Streustroh, mehrere Pfund Wolle, einige Liter Magermilch aus der Gutsmeierei nebst 11/2 Pfund Leutebutter die Woche. Den Namen Leutebutter führte die Butter deshalb, weil sie zur Hälfte mit Margarine durchsetzt war. Für den Sonntag wurden auch noch zwei Liter Vollmilch gewährt. Den Beschluß in dem Deputat machten dann noch ein paar Fuder Torf oder Brennholz und ein wenig Leichtkorn für Hühnerfutter.

Im allgemeinen konnte man sagen, daß die kontraktlich zu liefernden Naturalien für die durch keinen verfeinerten Geschmack verwöhnte Tagelöhnerfamilie ungefähr ausreichte. Was noch fehlte, mußte allerdings zugekauft werden; so zum Beispiele alle bessere Butter, oder mehr Vollmilch, oder Weizenmehl, falls welches für die Festtage gebraucht wurde.[100]

An Vieh durften die Tagelöhner halten: höchstens zwei Schweine, ein halbes Dutzend Hühner, eine Muttergans und nach Belieben auch einige Kaninchen. Die Haltung einer Kuh verbot sich wegen der erwähnten Landentziehung von selbst, und die Anschaffung von Ziegen und Schafen war kontraktlich nicht gestattet, wohl um von vornherein das etwaige »Pflücken« von herrschaftlichem Gras zu verhüten.

Als »Viehstall« diente den Tagelöhnern eine kleine schilfgedeckte Pfahlhütte, für deren Instandhaltung sie selbst Sorge zu tragen hatten, wie sie auch die meisten kleineren Reparaturen an ihren Katen selbst besorgen mußten.

Mit der Entziehung des früheren Pachtlandes hatten sich, wie mir immer wieder erzählt wurde, die meisten der Gutsarbeiter ganz gern einverstanden erklärt, denn einmal war ihr Barlohn dadurch um etwas gestiegen, dann aber auch brauchten sie nicht mehr den ganzen lieben langen Sonntag auf »ihrem« Acker zu liegen und den zu bearbeiten, da ihnen in der Woche hierzu ja doch keine Zeit gelassen gewesen war. Freilich konnten sie dafür jetzt auch um so häufiger zur Sonntagsarbeit im Gutsdienste herangezogen werden; doch betrachteten sie dies immer noch als das kleinere Übel, da sie für ihren Teil ja nun nicht mehr mit Mißwuchs oder gar mit dem Krepieren von Milchvieh zu rechnen brauchten. Sie fühlten sich daher etwas freier, sicherer und sorgloser in ihrer Existenz.

Der den Tagelöhnern gezahlte Barlohn belief sich während der Wintermonate je nach der Arbeit auf täglich 60 bis 80 Pfennige; im Sommer auf 90 Pfennige bis 1,20 Mark; in der Heuernte auf 1,50 Mark und in der Kornernte auf 1,80 bis 2 Mark; beim Mähen und Binden im Akkord aber konnten unter günstigen Witterungsverhältnissen bis zu 2,50 Mark verdient werden. Insgesamt bewerteten sich Barlohn und Deputat auf rund 500 Mark im Jahr. Mit solchem Verdienst ließ sich gewiß keine Seide spinnen, zumal wenn der Unterhalt für eine starke Familie damit bestritten werden mußte. Es ist dabei noch in Betracht zu ziehen, daß die Tagelöhner außer den Aufwendungen für Kleidung, Schuhzeug, Warenbedarf und Arbeitsgerät auch noch jährlich 30 bis 50[101] Mark für Wohnungsmiete an die Gutsverwaltung zu entrichten hatten; denn freie Wohnung in den Katen wurde nicht gewährt. Es war also alles so eingerichtet, daß die Arbeiter nie auf einen grünen Zweig kamen. Wollte es etwa gar noch das Unglück, daß dem Tagelöhner ein Schwein krepierte, so mußte er schon Schulden auf das nächste Jahr machen; denn noch lange nicht jeder gehörte schon der »Schweinegilde« an, in der die Tiere versichert werden konnten.

Trotz alledem ließ sich sagen, daß die Kontrakttagelöhner immer noch sorgenfreier lebten, wie die »freien« Tagelöhner, deren Daseinsbedingungen ich später in den Dörfern zur Genüge kennen lernte und selbst am eigenen Leibe durchgekostet habe. Verlief ihr Leben auch in ewig gleichförmiger Öde und Ärmlichkeit, so standen sie doch das ganze Jahr über in Brot und Lohn und brauchten sich nicht sonderlich den Kopf darüber zu zerbrechen, wo sie für den nächsten Tag etwas zu essen hernehmen sollten. Krank freilich durften auch sie so wenig werden wie ihre Schweine; ein kranker Arbeiter zählt auf dem Lande nicht mehr mit. Ist seine Arbeitskraft brach gelegt, so gilt er selbst einer humanen Herrschaft nur noch als lästiger und überflüssiger Esser, dessen Kontrakt meistens rücksichtslos gelöst wird, sobald die gesetzliche sechswöchentliche Unterhaltungsfrist abgelaufen ist; er mag dann sehen, wo er bleibt. Zwar muß die Herrschaft für Arzt und Arznei sorgen, doch geschieht dies in der Regel erst dann, wenn der Zustand des Erkrankten schon recht bedenklich zu werden anfängt; so lange wird mit Hausmitteln kuriert.

Wie weit die Gefühllosigkeit erkrankten Arbeitern gegenüber geht, das wurden wir auch auf diesem Gute gewahr. Unser alter Inspektor war ein Mann, dem man sonst wahrlich nichts Schlechtes nachsagen konnte; aber kranke Leute hatten es mit ihm verdorben. Handelte es sich um äußere Verletzungen, so mochte es noch gehen, denn die konnte er wenigstens sehen; innere Erkrankungen aber wollte er nicht gelten lassen. Wenn's nicht gerade ans Totbleiben ging, so gab's für ihn nur eine Diagnose: faulkrank.

Hatte sich da einmal der Tagelöhner Claus Jobst im Spätherbst[102] beim Gräbenaufwerfen, als es den ganzen Tag regnete, eine schwere Erkältung zugezogen, die ihn mit Gewalt ins Bett zwang. Da der Ärmste ohnehin schon seit längerer Zeit an hochgradigem Rheumatismus litt, so lag er jetzt fiebernd und stocksteif in seiner Behausung. Nun war auch Rheumatismus für den Inspektor keine Krankheit; er kannte sie nicht, da er selbst Rheumatismus noch nie gehabt hatte, mithin hatte Claus Jobst schon sowieso keinen Stein bei ihm mehr im Brette gehabt. Jetzt aber, wo der Bedauernswerte fest das Lager hüten mußte, bezeichnete ihn der Inspektor schlankweg als Faulpelz. »De Aas hätt woll to väl Klümp fräten«, polterte er; »dar öwerpanst sick son Kirl, un nasten liggt he vör Fulheet in de Puch.« Als sich der Zustand des Tagelöhners zusehends verschlechterte, gab er ihm schließlich einige Pillen aus seiner homöopathischen Hausapotheke, die für »allens« helfen sollten. Erst in der fünften Woche bequemte er sich dazu, einen Doktor aus Oldesloe holen zu lassen. Nach sieben Wochen wurde der Kranke ins Werkhaus nach dem Dorfe L. gefahren, mit dem das Gut zu einem Armenverbande zusammengehörte, und eine Woche später mußte ihm die Familie dahin folgen, denn der Doktor hatte erklärt, es sei fraglich, ob Jobst noch vor einigen Monaten wieder arbeitsfähig werde. So wurde also kurzer Prozeß gemacht und ohne Rücksicht der Kontrakt gelöst. Bei rechtzeitiger ärztlicher Hilfe aber wäre der Familie das trübe Schicksal der Armenhausüberweisung wahrscheinlich erspart geblieben.

Ein anderer Fall betraf ein Meiereimädchen, das sich eine Knieverletzung zugezogen hatte. Auch hier kurierte der Inspektor selbst mit Breiverbänden und Pillen aus seinem »Homopathenkasten«. Unter den Leuten ging dabei das Gerede, daß er sich der Kur dieses Mädchens mit ganz besonderem Eifer widme; das Knie übte eine gewisse Anziehungskraft auf ihn aus, und er nahm unter sanfter Ausnutzung seiner Vorgesetztenautorität gleich die Gelegenheit wahr, seine pseudo-chirurgischen Untersuchungen auch öfters auf die Partien über dem Knie auszudehnen. Die Patientin hatte es den übrigen Deerns mehrfach geklagt, daß dem alten Sünder beim Anlegen des Verbandes immer die Hand ausrutschte.[103] Glücklicherweise wurde das Mädchen von seinen im nächsten Dorfe wohnenden Eltern nach Hause geholt und in ein Krankenhaus gebracht, ehe unser Doktor Eisenbart das Knie noch vollends verpfuschen konnte.

In allen Krankheitsfällen erfolgte regelmäßig der Abzug des entsprechenden Lohnes; ebenso wurden meistenteils die Kosten für Arzt und Apotheker vom Lohne abgezogen. Auf diesbezügliche Einwendungen erwiderte der Inspektor höchst wurstig: Die Herrschaft sei wohl gesetzlich verpflichtet, nötigenfalls für die Beschaffung von Arzt und Medizin zu sorgen, doch daß sie diese auch bezahlen müsse, »dar hätt Petrus nix von schräwen«. Ausnahmen machte er nur dann, wenn jemand vom Gesinde innerhalb der sechs Pflichtwochen wieder gesund wurde und sich dann für ein weiteres Jahr auf das Gut vermieten wollte. Die Tagelöhner mußten aber ausnahmslos selbst zahlen. Da es hier keine Krankenkasse für die ländlichen Arbeiter gab, so kann man leicht ermessen, in welche Notlage eine Familie geraten konnte, wenn eins oder gar mehrere ihrer Mitglieder von Krankheit heimgesucht wurden.

Über den Gesindedienst ließ sich im übrigen sagen: er war der schlechteste noch nicht. Es herrschte noch ein im guten Sinne patriarchalisches Verhältnis zwischen dem Vertreter der Herrschaft und dem Hofpersonal, was allerdings in erster Linie auf die persönlichen Eigenschaften des Inspektors zurückzuführen war. Darum sprach man von seinen kleinen Schwächen auch meistens nur im Tone humoristisch gewürzter Schonung. Am liebsten hörte er sich »Herr Verwalter« nennen, der offizielle Titel »Inspektor« war ihm zu »mekelborgsch«; mit der mecklenburgischen Wirtschaft aber hatte er nichts im Sinn. Seine Erfahrung und Sachkenntnis gab ihm eine vollendete Sicherheit in allen seinen Anordnungen, deshalb ging bei der Arbeit auch alles seinen regelmäßigen Gang, ohne Überhastung, aber auch ohne Säumigkeit. Zudem hatte er eine tüchtige Stütze in dem verheirateten Großknecht, der mit dem ersten Tagelöhner – auch Vorlöhner genannt – gemeinsam die Tätigkeit eines Gutsvogtes ausübte.

Die Aufsicht über das Rindvieh führte der Oberschweizer. Wegen[104] dieses Titels wurde er vom Verwalter zwar oft genug verulkt. »Wat heet hier Oberschweizer«, spottete er, »wi sünd hier doch ni in de Schweiz; un eenen Unnerschweizer hätt he ok nie; he kunn sik jo man Ossenvogt schimpfen!« Doch das rührte unseren braven Oberschweizer nicht; sein Titel galt ihm beinahe mehr wie sein Lohn, auch wußte er, daß es mit der Fopperei ja nicht bös gemeint war.

Seine Frau herrschte in der Meierei als »Obermeiersch«. Sie führte dort ein gestrenges Regiment; vor allem hielt sie auf Sauberkeit, die in solchem Milchbetriebe auch durchaus notwendig ist. Leider hatte sie den Fehler, daß sie immer mehr Margarine in die Leute-Butter mischte, als wie sie eigentlich sollte. Und wer weiß, was sie uns da schließlich noch für Wagenschmiere zurecht gemantscht hätte, wenn Trina, die »Grotdeern« nicht gewesen wäre. Die sah ihr jedoch herzhaft auf die Finger, so daß die gute Obermeiersch von dem Öltalg nicht gar zu viel in die Butter »mangmengen« konnte. Hierbei sei bemerkt, daß die Margarine damals in Aussehen und Geschmack noch bedeutend widerlicher war, wie etwa heutzutage, wo diese Mängel durch verbesserte Fabrikationsmethoden mehr und mehr ausgeglichen sind. Damals aber sah ein Klacks Margarine ungefähr so glasig aus, wie ein Stück von einer gefrorenen Steckrübe, und schmecken tat das Zeugs derartig, daß es immer lieber zum Halse heraus als herein wollte. Die stämmige Trina sorgte nun aber nach Möglichkeit dafür, daß uns »Leuten« der Buttergeschmack von der Obermeiersch wenigstens nicht ganz und gar verekelt wurde. Hierbei kam es dann freilich oftmals zu Zwiesprachen und Berührungen zwischen beiden, die gerade keinen besonders zärtlichen Charakter anzunehmen pflegten.

Trina ließ sich nun einmal nicht an den Wagen fahren, und sie hatte das auch nicht nötig, denn sie war eine »Deern«, wie man sie lange suchen konnte. Das wußte auch der Verwalter, deshalb begnügte er sich stets damit, nur vermittelnd einzugreifen, wenn es Krieg in der Meierei gab. Übrigens bereitete es ihm ein ausgesprochenes Vergnügen, wenn es der »Obermeiersch« im Handgemenge mal wieder schlecht gegangen war. Im Stall griente er[105] dann über beide Backen, und meinte in seinem trockenen, verkniffenen Humor: »Ick glöw, morgen find't wi wedder Haar' in de Melk; Trina un de Meiersch hebbt sick äben mäten, wer den lingsten Zopp hett.«

Für die Knechte und Dienstjungen waren in dem sogenannten Backhause dicht am Pferdestall zwei Unterkunftsräume geschaffen: die Leute-Stuben. Beide Gelasse waren nur so hoch, daß ein großer Mann sich bücken mußte, um darin gehen zu können, er riskierte sonst, den Kopf an den Deckbalken zu stoßen. Unser zweiter Knecht, ein hochgewachsener Mensch von 24 Jahren, mußte sich stets in geduckter Haltung und äußerst vorsichtig durch den Raum schieben, denn mehr wie einmal hatte schon sein Schädel unfreiwillige Bekanntschaft mit den vorstehenden Astknorren der Balkenlage gemacht; nur zwischen den Balken durfte er sein Haupt etwas höher erheben; aber auch dort streifte er mit der Mütze noch regelmäßig die Bretterdecke. Kleine Fenster erhellten nur äußerst dürftig die niedrigen Räume, so daß stets ein feuchtes Halbdunkel drinnen herrschte.

Im rechten Winkel reihten sich an je zwei Wänden die landesüblichen Bettkasten aneinander; jedes dieser Wandbetten wurde von zwei Mann benutzt. Stroh war reichlich drin vorhanden, ebenso Mäuse. Die Federn mochten wohl noch jener guten alten Zeit entstammen, als »Steenbuck vor Tönning« lag; wenigstens ließ ihre klumpige Schwere auf ein ziemlich hohes Alter schließen, und die verschossenen sackgroben Bezüge deuteten gleichfalls auf jahrzehntelangen Gebrauch. Alle Betten zeigten außerdem noch eine gemeinsame Eigentümlichkeit: sie waren nämlich samt und sonders zu kurz. Schon kleinere Personen mußten darin im vollen Sinne des Wortes krumm liegen; größeren blieb vollends nichts anderes übrig, als sich während des Schlafes nach Art eines »Swinegels« zusammenzukugeln.

Fühlten meine Bettnachbarn zu Häupten des Morgens vor dem Aufstehen das gewiß entschuldbare Bedürfnis, ihren Körper erst noch einmal gehörig auszurecken, dann schoben sich ihre nicht allemal besonders sauberen Füße mit unfehlbarer Sicherheit über das Kopfende meines Bettes bis zu meinem Gesichte hin, eine[106] Annehmlichkeit, die schließlich selbst den unverwöhntesten Naturmenschen in Wallung bringen mußte; rauhborstige Beine und ein Paar vollwichtig ausgetretener Schweißfüße auf der Nase sind nie eine Annehmlichkeit.

Außer den Betten bestand das Mobiliar der Leutestuben nur noch aus je zwei langen einfachen Tischen und mehreren ebenso langen einfachen Holzbänken; auf irgendeine Art hatte sich dort auch ein alter wackeliger Stuhl hinverirrt. An den beiden freigebliebenen Wandseiten gegenüber den Betten standen die »Laden« der Knechte, die deren Habseligkeiten bargen: Zeug, Sonntagsstiefel und was sie sonst ihr Eigen nannten. Darüber hingen an zahlreich eingeschlagenen Wandnägeln Alltagskleider, Ackerstiefeln usw., und nicht zu vergessen die Tabakspfeifen der Knechte. Hierbei sei gleich noch erwähnt, daß wir »Lüttjungs« noch nicht rauchen durften; das Privilegium, »schmöken« zu dürfen, erhielt ich erst, als ich »Grotjung« wurde.

In der Zwischenwand eingelassen stand, so daß beide Räume gleichzeitig geheizt werden konnten, ein eiserner Plattenofen ältester Konstruktion. Dieser qualmige Vierfüßler war erst auf Betreiben des Verwalters in jenen Jahren angeschafft worden, als so außerordentlich viele Landarbeiter von Schleswig-Hol stein nach Amerika auswanderten. Die Gutsbesitzer hatten sich damals zu verschiedenen Zugeständnissen an die Wünsche »ihrer Leute« verstehen müssen, wenn sie die genügende Zahl von Knechten erhalten wollten, und dazu gehörte außer einer Erhöhung der Löhne auch die Heizbarmachung der Gesindestuben. Bis dahin konnten jene Räume überhaupt nicht geheizt werden; es war vielmehr von jeher üblich gewesen, daß sich die Knechte in ihrer freien Zeit – wenn sie nicht zu den Tagelöhnern auf Nachbarschaft gehen wollten – in den Stallungen aufhalten mußten. Dort sorgte ja das Vieh für die nötige Wärme, und wem es da nicht paßte, der konnte zu Bett gehen; dann hatte er am andern Morgen auch rechtzeitig ausgeschlafen, und die Herrschaft sparte Licht und Feuerung. Nach der Anschaffung des Ofens war der Aufenthalt in den Gesindestuben während der kalten Jahreszeit doch um etwas gemütlicher geworden; wenigstens hatten es die[107] Leute nicht mehr nötig, sich im Winter beim Essen Handschuhe anzuziehen, wie das früher bei strenger Kälte manchmal vorgekommen sein sollte.

Sonst aber bot die Ausstattung beider Räume nichts, was auch nur irgendwie auf die Bezeichnung »Behaglichkeit« Anspruch gehabt hätte. Öde und kahl starrten einem die verräucherten Wände entgegen, und ebenso kahl lag die niedrige Decke über uns. Von Wandschmuck war einfach nichts vorhanden, es sei denn, daß man eine Anzahl zweifelhafter Bilderbogen darunter rechnet, die sich die Knechte vom Oldesloer Jahrmarkt mitgebracht und wahllos zwischen den Kleiderhaken angenagelt hatten. Die einzige künstlerische Verzierung der Stubendecke bestand aus Spinngeweben.

So also sah die »Lüdstuw'« der Knechte aus. An Einfachheit ließ sie wirklich nichts zu wünschen übrig. Sie galt auch nur – wie fast allerorts auf dem Lande – als zu den Stallungen gehörig, als ein Anhängsel derselben, das eben nun einmal notwendig war. Diese primitive Einrichtung der Gesindestuben und ihre Lage dicht an den Stallungen kann ohne weiteres als ein getreues Abbild der sozialen Stellung dienen, die das Gesinde auf einem Gutshofe einnimmt. Das Gesinde wird eben nur als eine Art lebendiger Mittelstufe zwischen Vieh und Herrschaft angesehen und demgemäß auch »gehalten«. Diese Auffassung hat sich noch bis heute – wenn auch in etwas modernisierter Form – aus den Zeiten der Leibeigenschaft in die Gegenwart herübergeschleppt. Von einer auch nur annähernd menschlichen Gleichwertung des Gesindes mit der Herrschaft oder deren Stellvertretung ist auch heute noch nirgends die Rede. Selbst die humansten Grundbesitzer machen hiervon keine Ausnahme.

Einen etwas freundlicheren Anblick gewährte die Mädchenstube, die sogenannte »Deernskammer«. Sie lag in einem Abteil der Gutsmeierei und war, der Neuaufführung des Gebäudes entsprechend, auch einigermaßen wohnlich eingerichtet. Das mit einer geblümten Kattungardine drapierte Fenster ließ volles Licht herein; der Fußboden war gedielt und die Decke ziemlich hoch. Allerdings mußten die Deerns auch je zwei und zwei in einem[108] Bett zusammenschlafen, auch befand sich kein Ofen in dem Gelaß. Doch das gemeinsame Schlafen waren die Mägde von Jugend auf ebenso gewöhnt wie die Knechte, und der Mangel eines Ofens wurde ausgeglichen durch den nahen Heizraum der Meierei. Einige der Mägde hatten anstatt der altertümlichen Lade auch schon eine Kommode, so daß der Raum durch diese Möbelstücke im Verein mit halbwegs brauchbaren Stühlen immerhin ein leidlich gefälliges Aussehen bekam.

Die Kost war, wenn auch derb und grob, doch im allgemeinen auskömmlich, teilweise sogar gut. Des Morgens und Abends gab's regelmäßig Buchweizengrütze, die in Schleudermilch eingelegt wurde. In der kalten Jahreszeit war diese Milch aufgekocht, im Sommer wurde sie kalt genossen. Zu der Grütze konnte man nach Belieben Schwarzbrot essen, wozu jeder seinen »Stoß« Leutebutter, im Winter Schmalz erhielt. Es war dies ein rundlich geformter Klacks von bestimmter Größe, ausreichend, um zwei bis drei Brotschnitte damit zu beschmieren. Zu Mittag erhielten wir abwechselnd »Klüten« oder »Pannkoken«, auch Erbsen, Bohnen und Kohl in verschiedener Zubereitung, Sonntags auch wohl Weizenklöße. Speck gab's fast zu jeder Mittagsmahlzeit, hin und wieder sogar frisches Fleisch; jeder bekam sein auskömmlich Teil. Vesperbrot wurde nur im Sommer verabfolgt; zweites Frühstück nur im Moor und in der Erntezeit; beim Einfahren gab's wohl auch einen Schnaps, sonst aber nicht. Sämtliche Knechte bezeichneten diese Kost durchweg als befriedigend. Die meisten von ihnen hatten schon auf anderen Gehöften gedient und dort mit dem Essen teilweise recht trübe Erfahrungen gemacht. So war ihnen mitunter Grütze vorgesetzt worden, die schon ganz blauschwarz ausgesehen hatte und mit einer dicken Schicht langausgewachsener Schimmelpilze überzogen war, dazu angesengte Milch und ein »Stoß« Butter, so winzig wie ein Fingerhut. Sie sagten dann, solche Grütze hätte Haare gehabt. Wieder auf anderen Stellen seien die »Klüten« so hart gewesen, daß man jemanden damit ohne Anstrengung hätte ein Loch in den Kopf werfen können, und die »Pannkoken« waren so zähe wie Sohlleder. Daß diese Schilderungen gar nicht so sehr übertrieben[109] waren, habe auch ich später des öfteren persönlich erfahren müssen. Hier aber wollte sich eben unser Verwalter »nichts nachreden« lassen, deshalb hielt er »up eenigermaten wat to läwen«.

Wenn ich nun sage, die Kost sei auskömmlich, teilweise sogar gut gewesen, so dürfte doch vielleicht mancher die Nase gerümpft haben, als ich vorhin die verschiedenen Leibgerichte so der Reihe nach aufzählte. Gab es doch nicht weniger wie 14mal in der Woche Buchweizengrütze! Und dies das ganze Jahr hindurch! Dann die ständige Wiederholung von Buchweizenklößen und Buchweizenpfannkuchen zum Mittagstisch, wenn auch mit verschiedenen Zutaten! Denn Hülsenfrüchte, Gemüse und Kartoffelspeisen bildeten sozusagen nur die Ausnahmen von der Regel. Dazu der ewige Speck, kalt oder warm, gebraten oder gekocht, meistens aber geil und galstrig. Was würde wohl der honette Bürgersmann sagen, wenn er 14mal in der Woche Grütze, und immer wieder Klüten und Pannkoken hinunterwürgen sollte! Von der Creme der Gesellschaft, der ja auch unser Herr Graf angehörte, ganz zu schweigen. Erst wenn man diesen Vergleich zieht, kann man sich einen richtigen Begriff machen von der ungeheuern Genügsamkeit und Anspruchslosigkeit der Landarbeiter; dann mag man sich aber auch vorstellen, wie die Kost wohl aussieht, die von den Leuten überhaupt als schlecht bezeichnet wird.

Reichlich ein Jahr war ich nun auf Bunsloh. Ich hatte mich schon im Sommer auf ein weiteres Jahr vermietet und diente jetzt als »Grotjung«. Es gefiel mir noch immer »ganz gut«. Der Verwalter und der Großknecht waren beide mit mir zufrieden, und außer ein paar – auch meiner Ansicht nach sehr berechtigten Scheltworten hatte man mir nie etwas Verletzendes angetan. Wir wurden von unserem »Alten« durchweg gut behandelt.

Die erwähnten Scheltworte aber hatte ich mir auf eine Art zugezogen, die des Erzählens wert sein dürfte. An einem warmen Junitage war ich einigen Knechten und Tagelöhnern zum Torfaufsetzen im Moor zugeteilt worden. Dicht am Moor jenseits des Feldweges hütete der alte Claus Petersen die stattliche Kuhherde,[110] bei der sich ein mächtiger dreijähriger Bulle befand. Das Tier war bis dahin ziemlich gutartig gewesen, in letzter Zeit aber zeigte es sich hin und wieder »unnarrsch«. Während der Frühstückspause, als wir alle beisammen saßen und »Düntjers« erzählt wurden, animierte mich ein Knecht, den Bullen mal ein bißchen zu narren. Ein älterer Tagelöhner riet zwar von solchem »Jungenskram« ab, denn »Muschü Urian« sei nicht mehr sicher. Ich jedoch nicht faul, gehe etwas weiter nach vorn hinter einen Torfhaufen und ahme zunächst das tiefe bsss-bsss der Bremsen nach. Der Bulle wird aufmerksam und schüttelt mißmutig den Kopf. Nun fange ich an, in langgezogenen Brummtönen das muh-u-uu-uh auszustoßen, ähnlich so wie es der Bulle hervorbringt, wenn er mal böse wird, ohne daß es direkt zum Wutanfall kommt. Einige Augenblicke hört sich das Tier meine Faxen an und sieht, wenn auch gereizt, so doch ziemlich gleichmütig nach dem Torfhaufen, hinter dem ich sitze. Doch dann peitscht es die Flanken mit dem Schwanz, geht auf einen Maulwurfshaufen los und wirft die Erde mit den Hufen auf, zuerst langsam, abgemessen, dann energischer. Jetzt senkt es den Kopf, so daß der glänzende Nacken sich in seiner ganzen kraftvollen Breite zeigt. Hei, wie der schwarze Boden von den gedrungenen Hörnern emporgewirbelt wird! Ein kurzer Stillstand! Zorniges Schnauben; dumpfes verhaltenes Brüllen; dann läßt sich das Tier in die Knie nieder, um mit vergrößerter Wut den Boden aufzuwühlen. Ein prächtiger Anblick zwar, doch der Moment scheint mir auch geeignet, mich jetzt behende zu drücken.

Da, was ist das! Auf dem Feldwege dicht an der Weidekoppel kommt ein wandernder slowakischer Mausfallenmacher daher. Er will nach dem Gut, um seine Ware zu verhandeln. Wie sie blitzen in der Sonne, diese dutzenderlei Blechgeschirre, Töpfe, Kannen und Kasserollen; wie sie klappern bei jedem Schritt, diese Mause- und Rattenfallen! Das war etwas für unseren Bullen. Und ich Unglücksbengel hatte durch meine dumme Neckerei das Vieh noch extra in die richtige Laune gebracht. Ehe wir es uns versahen, wurde der nichtsahnende Mausfallenhändler denn auch von dem Bullen attackiert. Wir riefen dem Manne zu,[111] schnell zu uns herüber zu kommen. Doch es war schon zu spät. Glücklicherweise zeigte der Arme Geistesgegenwart. Als er der Gefahr nicht mehr ausweichen kann, faßt er rasch entschlossen seinen Schultergurt und wirft das ganze Bündel Blechwaren von sich auf den Feldweg, dann springt er flink wie ein Wiesel abseits ins Moor, wo er bis an die Knie im Sumpf stecken blieb. Er war gerettet.

Doch seinen Mausefallen ging es schlecht. Im Nu hatte sie der Bulle auf die Hörner genommen und spielte Fangball damit. Wie das aussah! Trotz des Ernstes der Situation mußten wir unwillkürlich lachen. Auch nicht ein Stück von dem Blech- und Drahtgeschirr blieb heil; alles ward bis zur Unkenntlichkeit zertrampelt und verbogen, eine klappernde formlose Masse. Das wütende Tier war von dem rasselnden Warenklumpen schließlich gar nicht wieder abzubringen. Es achtete nicht einmal der Bisse des kläffenden Viehhundes. Brüllend und schäumend mit blutunterlaufenen Augen stürzte es sich immer von neuem auf die blanken Gegenstände, bis schließlich der Riemen riß, der den Kram zusammenhielt, und nun die ganze Bescherung stückweise auseinandergesät wurde.

Doch mit der Vernichtung der Mausefallen war die Wut des Bullen noch keineswegs gestillt. Er sah jetzt den jammernden Slowaken vor sich im Moor, und blindlings stürmte er auf diesen los. Doch kam er kaum ein paar Sprünge weit, dann versank er bis an den Leib in dem Sumpf. Nur fünf Schritte vor ihm hockte der zitternde Handelsmann. Ein gütiges Geschick hatte ihn zu meiner unaussprechlichen Freude vor dem Schlimmsten bewahrt.

Jetzt kamen auch wir hinter unseren Torfhaufen hervor. Denn bis dahin hatten wir uns wohl oder übel passiv verhalten, nur in stummem Erstaunen Mund und Nase aufgesperrt. Was hätten wir auch machen sollen? Gegen die Kraft eines wildgewordenen Bullen richten ein halbes Dutzend Leute nicht mehr aus, wie ein halbes Dutzend Fliegen.

Zwei von uns gingen nun nach dem Gut und holten Pferde, um den Bullen wieder aus dem Moor herauszuschleppen. Dem Verwalter wurde natürlich auch Meldung gemacht. Als er von meinem[112] Dummenjungensstreich hörte, der gar zu leicht eine schlimmere Wendung hätte nehmen können, war er dann allerdings recht ungehalten. Die Hauptschelte bekam jedoch der Knecht, der mich dazu angeleitet hatte. Der anfängliche große Zorn des Verwalters aber verrauchte sehr bald, als er alle die zertretenen Blechtöpfe und Mausefallen auf dem Wege umherliegen sah; und als sich ihm gleich darauf der geängstigte Mausfallenmacher selbst schweißtriefend und gestikulierend vorstellte, da konnte er sich sogar eines herzhaften Lachens nicht erwehren. Er ersetzte dem Manne den Schaden. Nach einer guten Stunde hatten wir auch den Bullen aus seiner Lage befreit; der war infolge der eigenen Anstrengung im Sumpfboden sowie beim Herausschleppen durch die Pferde endlich vollständig abgemattet und ließ sich mit einem Blendtuch vor den Augen ruhig nach Hause führen. Nach einigen Wochen Stallpflege wurde er dann verkauft. Das war eigentlich das einzige Mal, wo ich ernsthaft von unserem »Alten« gescholten wurde.

Ich muß gestehen: allmählich hatte ich mich an das Leben, die Arbeit und die Abgeschiedenheit auf unserem Gute bereits so gewöhnt, daß ich in meinem bißchen gegenwärtigen Dasein überhaupt nichts vermißte. Ich hatte satt zu essen, wurde gut behandelt, verdiente einen Lohn, der mir die ausreichende Beschaffung von Zeug ermöglichte; ja es blieben mir noch einige Taler am Jahresschluß übrig, und »schmöken« tat ich jetzt schon wie ein Alter; mein »Maul« hatte sich schon ganz nach der Tabakspfeife gezogen, selbst spucken konnte ich bald besser wie unser Großknecht. Noch hatte ich es keinen Augenblick bereut, daß ich aus meiner pommerschen Heimat fortgemacht war. Es ging mir hier in allen Stücken besser wie daheim. So etwas wie Heimweh habe ich denn auch nie kennen gelernt.

Zudem begann sich unser Verwalter für mich zu interessieren. Einst übergab ich ihm einen Brief an meine Mutter mit der Bitte, eine Marke drauf zu kleben und ihn dem Landbriefträger auszuhändigen. Der Verwalter sah erst die Aufschrift an, dann mich, und fragte: »Jung, hest du dat alleen schräwen?« Als ich bejahte, äußerte er den Wunsch, den Inhalt des Briefes kennen zu lernen,[113] nicht aus Neugierde, sondern »von wegen dat Richtigschriewen«. Flugs riß ich das Kuvert auf und langte das Schreiben heraus. Nun will ich verraten, daß ich mein Wohlbefinden in dem Briefe etwas rosig geschildert hatte, wie ich auch das Verhalten des Herrn Inspektors uns und speziell mir gegenüber als sehr lobenswert herausgestrichen hatte. Ich tat dies, um meine Mutter daheim über mein Schicksal in der Fremde möglichst zu beruhigen, da sie sich, wie aus ihren Briefen hervorging, hierüber mehr Kopfschmerzen machte, wie ich selbst. Sowohl der Inhalt, wie auch die Handschrift und besonders die Schreibweise schienen dem Verwalter besser zu gefallen, wie ich erwartete. Er tat aufrichtig erfreut darüber, fragte hin und her und meinte schließlich: aus mir könne noch mal etwas werden. Unter diesen Umständen faßte ich mir ein Herz und trug ihm bescheiden meinen Wunsch nach Lesestoff vor, der mir bis dahin, abgesehen von einigen Räubergeschichten und Schundromanen, die mir ein Hausierer gelegentlich mitbrachte, gänzlich gefehlt hatte. »Dat schalst du hebben, min Jung«, sagte er mit bedächtigem Wohlwollen im Ton und gab mir nun von seinem Privatvorrat, was ihm gut schien. Vor allem waren es ganze Jahrgänge illustrierter Zeitschriften, wie »Daheim«, »Über Land und Meer«, »Gartenlaube« und »Buch für Alle«, sowie mehrere landwirtschaftliche Lehrbücher über Agrarchemie, Viehzucht und praktische Verwendung landwirtschaftlicher Maschinen, in denen ich nun mit wahrer Wut umherstöberte.

Während der langen Winterabende hatte ich die schönste Zeit zum Lesen. Unseren anderen Knechten war es allerdings ganz was Neues, daß jemand, und noch dazu erst ein Junge in meinem Alter, überhaupt Lust dazu haben konnte, »so in de Böker 'rümtoschnüffeln«. Einige versuchten es mitunter auch, doch wenn sie so eine Viertelstunde lang mühsam Wort für Wort zusammenbuchstabiert hatten, dann wurde ihnen die Geschichte langweilig. Mit einem bedeutsamen: »Nee, dat is nix vör mi«, legten sie das Buch wieder weg. Dagegen hörten sie es zuweilen ganz gern, wenn ich ihnen einzelne Abschnitte, wie Texte zu den Illustrationen und anderes vorlas. Sie meinten dann mitunter, ja[114] wenn sie so lesen könnten, dann würde ihnen der Bücherkram vielleicht auch mehr Spaß machen. Einer aber, der in komischem Zorn am meisten über die verdammten Bücher schimpfte (weil's bei ihm mit dem Lesen gar nicht gehen wollte), saß dennoch recht oft des Sonntags oder des Abends dabei und buchstabierte, daß ihm die Lippen wehtaten. Dieses Verhalten fasse ich als einen Beweis dafür auf, daß auch bei dem Ungebildetsten ein natürlicher Lese- und Lerneifer vorhanden ist; er sollte nur geweckt werden. Und hier weckte ihn mein einfaches Jungenbeispiel.

Der Verwalter behielt mich währenddessen vermehrt im Auge. Er unterhielt sich öfters mit mir, fragte nach dem, was ich gelesen hatte und gab mir sogar einige seiner Wirtschaftstabellen, die er zu seiner Rechnungsablage zusammengestellt, zum Abschreiben.

Bei solcher Gelegenheit hörte ich unseren Alten auch zum ersten Male hochdeutsch reden, sonst sprach er mit uns allen grundsätzlich nur platt. Im schönsten Wasserkanten-Dialekt kam es heraus, als er zu mir sagte: »Ja min Jung, das ist auch schon jümmers meine Meinung gewesen: son büschen Lesen schad't nix, und hier auf'n Land schadt's erst recht nix, denn hier hat man sonst ja weiter keinen Mensch wie 'n gutes Buch, womit 'n sich mal 'n büschen gebildet unterhalten kann.«

Bald darauf erzählte mir der Großknecht im Vertrauen, der Alte habe ihm mitgeteilt, daß er mich dem nächst zu sich ins Gutsbureau nehmen wolle. »De Oll hett'n Oog up di«, fügte er hinzu, »un dar hest du 'n guden Bontje.«

Freilich hätte ich dort eine gute Stellung gehabt. Meine Tätigkeit wäre dann gewesen, einen Teil der Gutsschreibereien zu besorgen, bei der Butterexpedition zu helfen, Bestellungen auszurichten, kurz lauter leichte Arbeiten auszuführen, die einmal bedeutend angenehmer waren wie die groben Feld- und Stallarbeiten, dann aber auch mehr Abwechselung mit sich brachten, weil ich öfter zur Stadt gekommen wäre. Bislang war ich nur erst dreimal vom Hofe heruntergekommen: das einemal beim Transport von Mastochsen nach dem Oldesloer Bahnhof, das zweitemal als Zuschauer[115] beim »Ringreiten« der Knechte in dem Dorfe L. und das drittemal zum Oldesloer Jahrmarkt.

Ich freute mich also im Stillen nicht wenig über mein Glück. Doch leider, es hat nicht sollen sein! Eines guten Morgens, kurz vor der Frühjahrssaatzeit, wurde uns die überraschende Mitteilung, daß der Verwalter beim Kaffeetrinken plötzlich verstorben sei. Ein Herzschlag hatte seinem Leben ein Ende gemacht.

Schon einige Tage nach dem Ableben des Alten erhielten wir einen neuen Verwalter. Er kam aus Mecklenburg von einem der dortigen Güter unserer Herrschaft, woselbst er bis dahin als Unterinspektor gewesen war. Mit dem neuen Herrn zog auch ein neuer Geist auf Bunsloh ein, freilich kein besserer.

Ihm erschien in der Wirtschaft vieles zu behäbig, oder wie er sich ausdrückte, zu loddrig. Es ging ihm nicht forsch genug zu; ihm war nicht Zug genug in der Kolonne. Das langweilige und maulfaule »jooo und neee« der Tagelöhner und Knechte als Antwort auf seine Anordnungen paßte ihm nicht. Er verlangte, daß auf seine »Befehle« mit lautem »Jawohl, Herr Inspektor« geantwortet werden sollte, und zwar »etwas plötzlich«, »nicht so kuhscheißig«, wie es in dem Sprachlexikon des schneidigen Mannes hieß. Aus solchem Gute könne ganz was anderes herausgewirtschaftet werden, hatte er zu dem Oberschweizer gemeint; deswegen werde er hier wohl verschiedenes ändern müssen.

Und so änderte er denn drauf los, bald hier, bald dort; einmal so, das anderemal so. Daß damit jedoch etwas verbessert worden wäre, ließ sich gerade nicht sagen; wenigstens war mit den verschiedentlichen Neuerungen in der Wirtschaft gleichzeitig eine sehr merkliche Verschlechterung in der Behandlung der Leute einhergegangen. Der neue Herr Inspektor schnauzte wie ein Feldwebel und trieb an wie ein Schachtmeister; genug konnte ihm in der Arbeit überhaupt nicht getan werden.

Eine Zeitlang ließen sich die Leute das schneidige Bramabarsieren widerspruchslos gefallen; es war als wenn sie ob des ungewohnten Auftretens des neuen Herrn schier ganz verdutzt waren; dann aber griff der Mißmut um sich, der sich bald in offener Unzufriedenheit äußerte. Die Leute waren eben keine Mecklenburger,[116] sondern Holsteiner. Besonders die Knechte wurden aufgebracht; die Tagelöhner mußten ja noch mehr an sich halten, weil direkter Widerspruch die Schädigung einer ganzen Familie nach sich ziehen konnte.

Jeden Abend wußten einige Knechte etwas über besondere Schneidigkeiten des Inspektors zu erzählen, und sie machten ihrem Ärger darüber in ebenso ehrlichen wie drastischen Worten Luft. »De Kirl gröhlt hier jo rum, as son Botterlicker, dat is jo de reine Hampelmann«, hieß es. »Töw man, dat möt wi em awwennen; de glöwt woll, he is noch mang sine Meckelbörgers. Dat beste is, wenn he mal gehörig wat upt' Fell kriegt.« So und ähnlich gingen die Ausdrücke des Unwillens von Mund zu Mund.

Mehrere Knechte sprachen davon, einfach auszukneifen; Arbeit gäbe es jetzt ja genug, und den im Stich gelassenen Lohn könne man während des Sommers wieder einbringen. Andere, und auch verschiedene Tagelöhner hielten es dagegen für das richtigste, sich bei dem Grafen zu beschweren, der seine Ankunft auf einige Tage angekündigt hatte.

Da trat ein kleines Ereignis ein, durch welches der Inspektor schwer blamiert wurde, und diese Blamage besorgten ihm – die Deerns. Er hatte es nämlich auf die dralle Trina abgesehen, die jedoch bereits mit dem zweiten Knecht versprochen war. Nun achtete der Inspektor zwar sehr darauf, daß niemand von den Knechten etwa nächtlichen Verkehr mit den Mägden pflegte; er selbst war hingegen offenbar der Meinung, daß er sich ohne weiteres das erlauben durfte, was er den Knechten verbot. Anders dachte darüber aber die resolute Trina.

Sie hatte bereits Unrat gemerkt und sich dementsprechend gerüstet. Der Ärger darüber, daß ihr Wilhelm ebenfalls unter der schlechten Behandlung des Inspektors leiden mußte, tat das übrige. Als ihr daher der Inspektor eines Abends in liebenswürdiger Weise eröffnete, daß er ihr in der Nacht einen Besuch abstatten werde, da hatte sie ihm kühl und deutlich den guten Rat gegeben, »sonen Narrenkram« lieber zu unterlassen. Er jedoch, im Vertrauen darauf, daß die Deernskammer nicht verriegelt werden konnte, und im stolzen Bewußtsein seiner Vorgesetzten-Autorität,[117] schleicht ungeachtet der anderen Mädchen vor Trinas Bett. Weiter ist er allerdings auch nicht gekommen, denn kaum hat er die Bettkante berührt, da gibt's einen scharfen Knacks, dem gleich darauf ein unartikulierter Wutschrei folgt. Der edle Don Juan war in ein Iltiseisen getreten, das Trina zum Schutze ihrer weiblichen Ehre vor ihr Bett gelegt hatte.

Vor Scham und Grimm über sein Pech fängt er nun an zu schimpfen, während er sich zunächst vergeblich bemüht, seinen verletzten Fuß aus den Zähnen des Eisens zu befreien. Währenddes foppt ihn Trina gehörig, und die anderen Mädchen kichern. Das macht ihn noch wütender; in blindem Zorn will er sich auf Trina stürzen und sie schlagen. Doch nun gibt's Alarm. Wie der Wind sind sämtliche Mädchen aus den Betten und gehen einmütig auf den ungebetenen Eindringling los, wobei ihm Trina einen handlichen Eimer voll Dünnmilch über den Kopf stülpt. Jetzt flüchtet er. Draußen wartet seiner jedoch neues Unheil. Wilhelm mit zwei anderen Knechten stehen dort schon auf der Lauer, jeder mit einem guten Börneimer voll Wasser bei der Hand, und nun gab's stillschweigend einen Guß nach dem andern. Zähneknirschend soll der blamierte Nachtwandler darauf im Herrenhause verschwunden sein, wie wenn der Hund von der Hochzeit kommt.

Am nächsten Tage wußte schon jedes Kind auf dem Gute, wie angenehm es dem schneidigen Herrn Inspektor in der Nacht ergangen war, und einige Tage später stand die Geschichte hübsch ausgeschmückt in der Hamburger »Reform«. Der Hausierer Clems zeigte uns das Blatt, und ich habe den Abschnitt des Abends in der Gesindestube unter allgemeiner Heiterkeit vorgelesen. Wegen dieses Zeitungsberichts hatte der Inspektor noch monatelang den Gutsschreiber im Verdacht.

Einige Wochen ging's nun; die Abkühlung hatte etwas geholfen. Der Gestrenge wußte ja auch, daß ihm jedermann die erhaltene Lektion eigentlich von Herzen gönnte. Da er überdies auch gegen die Mitwirkenden jener Nacht rechtlich nicht vorgehen konnte, so zog er es vor, ebenfalls gute Miene zum bösen Spiel zu machen und zwang der fatalen Geschichte mit süßsaurer Geste[118] die humoristische Seite ab. Seine Autorität hatte jedoch einen argen Stoß erlitten.

Um sich nun wieder einigermaßen in Respekt zu setzen und dabei gleichzeitig den Anschein zu erwecken, als meine er es dennoch gut mit den Leuten, verfuhr er nach dem bekannten Rezept: Teile und herrsche. Mit den Mädchen verkehrte er von da an immer nur in spaßhaftem Ton, und auch den Knechten sah er manches durch die Finger, was er bis dahin schroff gerügt hatte. Gegen die Tagelöhner benahm er sich jedoch von Tag zu Tag herrischer und abstoßender. Bei einigen Knechten und Mägden hatte er mit dieser Taktik auch den gewünschten Erfolg; sie meinten, er sei doch wohl nicht so schlecht, wie es anfangs geschienen wäre. Andere waren indes der Ansicht, er wolle, da der Kündigungstag nahte, den jungen Leuten vorerst nur Honig um den Bart schmieren, damit sie sich auf ein weiteres Jahr vermieten sollten.

In dieser Zeit kam der Herr Graf zur Inspizierung des Gutes. Er brachte noch zwei seiner »gnädigen Fräulein« Töchter mit, die eine von 18, die andere von 12 Jahren. Zu Ehren der beiden »Cuntessen«, die das erste Mal auf Bunsloh weilten, mußte sich das gesamte Gutspersonal, die Kinder der Tagelöhner eingerechnet, in Sonntagskleidern an der einen Wegseite vor dem Herrenhause aufstellen. Als der Wagen vorfuhr, riefen wir Hurra, und die Kinder schwenkten Sträuße von Feldblumen. Der Inspektor »meldete«, der Graf dankte und grüßte flüchtig, das große Fräulein verneigte sich leicht gegen uns, und das kleine »Cunteßchen« lachte wie ein Kobold. Damit war die Begrüßung zu Ende, wir konnten wieder an unsere Arbeit gehen. Zuerst hatte der Inspektor gewünscht, daß von den Tagelöhnerkindern ein Lied gesungen und ein Gedicht vorgetragen werde, weil das »in Mecklenburg überall so Mode« sei. Aber die Kinder wußten nichts Gescheites, und der Lehrer im Dorfe L., wo sie zur Schule gingen oder auch hingefahren wurden, hielt es vernünftigerweise für überflüssig, ihnen hierzu erst extra noch etwas einzubläuen. Es ging auch so.

Als der Herr Graf nun die Besichtigung der Stallungen vornahm,[119] sprach er auch gelegentlich mit dem Großknecht. Da es sich gerade so paßte, brachte dieser das Gespräch auf den verstorbenen Verwalter und zog nun eine freimütige Parallele zwischen der Behandlung der Leute einst und jetzt. Ein Weilchen hörte der Graf schweigend zu, dann aber winkte er ungeduldig mit der Hand und entgegnete: Er verfahre überall nach dem Grundsatz, daß die Leute streng aber gerecht behandelt würden. Verschiedene Änderungen habe er nach Rücksprache mit dem Herrn Inspektor selbst angeordnet, denn auch seiner Ansicht nach lasse sich aus dem Gute mehr herauswirtschaften.

Was der Graf und sein Inspektor alles besprochen hatten, erfuhr nun freilich niemand. Nach der Abreise des »Herrn« aber erhielt der Großknecht vom Inspektor seine Kündigung mit dem Bemerken, er könne es auch gleich den übrigen sagen: Wem es nicht paßt, der könne gehen. Schon in diesem Sommer würden Schnitterfamilien aus Brandenburg nach dem Gute kommen, und Gesinde erhalte er auf Bestellung aus Posen und Ostpreußen mehr, wie er haben wolle, und dann noch obendrein zu bedeutend billigerem Lohn wie hier. So, nun wußten wir vorläufig Bescheid.

Es dauerte denn auch gar nicht so lange, da kamen eines Tages die Schnitterfamilien an. Mehrere Knechte mußten sie mit Wagen vom Segeberger Bahnhof abholen und nach dem Vorwerk des Gutes fahren, woselbst sie in einem Schafstall kampieren sollten.

Das Vorwerk bestand zur Hauptsache nur aus ein paar rechtwinklig aneinander liegenden Scheunen, weiter aus einer »offenen Scheune«, einem abgedeckten Balkengestell ohne Wände, in welchem die frisch eingefahrenen Garben so lange lagerten, bis sie gedroschen werden konnten, und das dann voller Stroh gepackt wurde, ferner aus einem Schafstall sowie dem Wohnhaus für den Holzvogt, den Schäfer und ein altes Tagelöhnerehepaar. Das Ganze lag etwa eine Stunde weit vom Haupthofe und wurde auch von dort aus bearbeitet. Einen praktischen Wert hatte das Vorwerk eigentlich nur während der Erntezeit, dann allerdings auch einen recht bedeutenden, denn beim Einfahren macht es einen[120] gewaltigen Unterschied, ob die Fuhren eine halbe oder ganze Stunde weiter gefahren werden müssen oder nicht. Dort wurde später auch die Dreschmaschine hingefahren, das Stroh blieb dann zurück und wurde im Winter nach Bedarf nach dem Haupthofe geholt, während das Korn gleich auf den Gutsspeicher kam.

Während der Erntezeit diente das Vorwerk auch zur Unterkunft der Wanderarbeiter, die alljährlich aus den Städten und der Industrie aufs Land gehen, um sich auf mehrere Wochen zu den Erntearbeiten zu verdingen. Hierbei kam es nun vor, daß die Löhne zeitweilig, besonders wenn es an solchen Wanderarbeitern mangelte, eine über das gewohnte Maß hinausgehende Höhe erreichten. Auch die Witterung spielte eine große Rolle. Reiften die verschiedenen Kornarten von gutem Wetter begünstigt hübsch nacheinander heran, so waren weniger Arbeiter nötig, als wenn alles auf einmal reif wurde und nun auch mit Beschleunigung geborgen werden mußte.

Um nun einmal an Arbeitslohn zu sparen, zweitens sich aber auch genügend Arbeitskräfte zu sichern, sollte auf unserem Gute in diesem Jahre zum ersten Male der Versuch mit fremden Schnittern gemacht werden. Hierbei trug sich der Inspektor auch wohl mit dem Gedanken, einige der Schnitterfamilien ganz und gar zum Dableiben zu bewegen, damit er mehrere der älteren einheimischen Gutstagelöhner, die im Gutsdienste nun schon alt und grau und minder leistungsfähig geworden waren, auf manierliche Art entlassen könne, ohne in Verlegenheit zu kommen. So wollten es mehrere Tagelöhner wenigstens gehört haben. Die Fremden waren williger, unterwürfiger wie die eingeborenen Holsteiner, und vielleicht konnte ihnen auch an Lohn und Deputat noch etwas gekürzt werden, denn im Brandenburgischen gab's niedrigere Löhne wie in Holstein. Durch die Heranziehung solcher Fremden wurde daneben auch ein Druck auf die Einheimischen ausgeübt, um diese gefügiger zu machen.

Uns war es nun äußerst interessant, mitunter zu beobachten, wie die Schnitterfamilien auf dem Vorwerk eigentlich hausten. Der Schäfer sagte immer: »De liggt dar as im Biwack.«[121]

Es waren wohl alles in allem gute 30 Mann unter der Leitung eines Vorschnitters, die der Schafstall beherbergte. Der Stall war alleine schon eine Sehenswürdigkeit. An der Nordseite hatte er eine massive Feldsteinmauer, zu West und Ost defekte Lehmwände in Fachwerk, die vierte Wand an der Südseite fehlte. An deren Stelle befanden sich verschiebbare Hängetüren, die auf Schienen liefen und ehemals heil gewesen sein mochten, jetzt aber beträchtliche Löcher aufwiesen. Eine dieser Türen war sogar vollständig zertrümmert, es hingen von ihr nur noch einige der oberen Bretterzacken in den Rollen.

Man konnte sagen: Für Schafe mochte diese Baracke ja ein ganz praktischer Unterschlupf sein, denn luftig genug war es dort, und Schafe können es bekanntlich nicht zu warm vertragen. Wie man aber Menschen, leibhaftige Menschen, von denen man Arbeit verlangt, in solcher elenden Kasematte unterbringen konnte, wie man ihnen solche Dreckbucht überhaupt zum Aufenthalt anbieten mochte, das blieb mir schon damals unerfindlich. Wahrhaftig, unsere Leutestuben und die Tagelöhnerkaten auf dem Gut waren gewiß alles andere nur keine idealen Wohnstätten für gesittete Menschen der Gegenwart; aber im Verhältnis zu dem Unterkunftsraum der Schnitter aus »Brandenburg« erschienen sie uns noch als die wahren Paläste.

Der Stall hatte ein »Untervierkant«, in dem die Schafe des Nachts lagen, und einen Boden, der nur teilweise weitläufig mit Latten ausgelegt war. In dem unteren Raum war den Schnittern eine Ecke angewiesen worden, in der sie kochen konnten. Hier hatte man einen alten Kochherd hingeschafft, von dem ein eisernes Rohr durch ein »natürliches« Loch der Lehmwand ins Freie führte, um den Rauch abzuleiten. Neben dem Kochherd lagen allerhand Bedarfsartikel umher: Holz, Torf, Kartoffeln, Mohrrüben, Kochgeschirre und ähnliches; auf einem Brett am Erdboden stand ein halber Sack Mehl, obendrauf ein Beutel mit Buchweizengrütze. Diese Lebensmittel wurden in rohem Zustande vom Gut geliefert; zurecht schmoren konnten sie sich die Leute selber. Damit die Schafe nicht direkt in diese »Küche« kamen, war die Ecke durch zwei nebeneinander gestellte Flakenstücken[122] abgeteilt, wie sie der Schäfer draußen auf dem Felde zu einer Hürde gebrauchte.

Über dem Kochraum auf dem Boden befand sich die gemeinsame Schlafstelle der Schnitter. Sie war eigens dazu eingerichtet worden, d.h. man hatte die vorhandenen Latten etwas dichter zusammengerückt und Stroh darüber gelegt, worauf dann allerhand Lumpen und das bißchen lose Bettzeug der Leute ausgebreitet war. Damit die Leute im Schlaf nicht ins Vierkant fallen sollten, hatte der Gutsstellmacher an der offenen Seite längs des Querbalkens ein paar Bretter entlang genagelt. Zu diesem »Schlafsaal« führte eine Leiter hinauf. Wollten die Familien nun des Abends ihr Strohlager aufsuchen, so sah es aus, als wenn die Hühner zu Reck gehen wollten. Einer nach dem andern turnte dann die Leiter in die Höhe wie auf einer Hühnerstiege.

Dort oben lag nun alles in trautem Durcheinander: Mann und Frau, Sohn und Tochter. Zu den »Familien« gehörten jedoch außer den erwachsenen und unerwachsenen Kindern auch noch mehrere ledige junge Männer und Mädchen, die sich dem Trupp auf Anwerben des Vorschnitters angeschlossen hatten. Was sich unter solchen Verhältnissen auf dem Boden für ein rühriges »Familienleben« entwickelte, kann sich jeder denken; auf dem Gute erzählte man sich wahre Kaninchengeschichten davon. Ein Familienvater, dem es in dieser Hecke doch gar zu bunt geworden war, hatte dem Holzvogt einst geklagt, er wisse gar nicht, wie er seine beiden Töchter von 12 und 14 Jahren davor bewahren solle, daß sie in den hellen Sommernächten die intimsten Vorgänge wenigstens nicht unmittelbar mit anzusehen brauchten; hören und merken täten sie ohnehin schon mehr wie genug. Er wisse sich nicht anders zu helfen, als die beiden Kinder rechts und links in seinen Arm zu nehmen und sie möglichst fest an sich zu ziehen; doch auch das helfe nicht allemal, denn es käme vor, daß ihnen im Schlaf öfters unverhofft auf Kopf und Leib getreten würde, wenn ein gängiger Hans seine Gret' aufsuchen wolle, und dann merkten die Kinder doch, was sich im Nebenlager abspiele.

Der Holzvogt, dem diese empörenden Zustände nahe gingen,[123] hatte über das Unerhörte und Menschenunwürdige einer solchen Zucht dem Inspektor ernsthafte Vorstellungen gemacht. Doch dieser setzte sich leicht darüber hinweg mit dem Bemerken: Jene Leute seien das gar nicht anders gewöhnt, und in Mecklenburg denke sich kein Mensch etwas dabei; übrigens sei dies ja auch nur ein Provisorium, denn bewähre sich die Sache mit den Schnittern, so werde der Schafstall zum nächsten Jahre zu einem Schnitterhause umrenoviert! Bis dahin mochten die braven Märker also sehen, wie sie fertig wurden; es waren ja »nur« drei Monate, während welcher sie dies Zigeunerleben führen mußten.

Eigentlich war es schon schlimmer wie Zigeunerleben. Denn wenn es regnete, tropfte oder floß ihnen das Wasser durch eine Anzahl kleinerer und größerer Dachlöcher ungehindert aufs Lager. An Regentagen, wenn sie ohnehin schon auf dem Felde bei der Arbeit naß geworden waren, bemühten sie sich zwar, ihre Kleider an dem Feuerherd zu trocknen. War ihnen dies mit Müh' und Not gelungen, dann mußten sie des Abends wieder in das halbdurchnäßte Stroh kriechen, und als Zugabe fuhr der Wind noch durch die Ritzen und Fugen des Stalles, daß die Leute sozusagen ihre Haare auf dem Kopfe festhalten mußten, damit sie ihnen nicht davonflogen. Was Wunder, daß die ganze Gesellschaft in ein paar Wochen total verlaust war.

Um nun dieser Läuseplage abzuhelfen, wurden mehrfach Radikalmittel angewandt; es gab dann regelrechte Generalreinigungen im Stall, zu denen außer mehreren Knechten auch ich kommandiert wurde. In der Abwesenheit der Schnitter warfen wir zunächst das ganze Lagerstroh vom Stallboden durch eine Luke ins Freie. Bei diesem Geschäft bedienten wir uns möglichst langer Forken, damit wir uns das Stroh so weit wie nur angängig vom Leibe halten konnten. Mit ebenso langen Besen wurden dann die Latten abgefegt. Hierauf bekamen wir Auftrag, die Bude auszuräuchern. Im Vierkant und in der »Küche« setzten wir zunächst trocknes Holz in Brand und legten dann feuchten Torf, nasses Tannenreisig, grünes Buschwerk oder auch Gras darauf, damit vor allen Dingen ein starker Qualm erzeugt wurde, der nun das ganze obere Revier durchzog. Daß bei dieser Prozedur[124] nicht der ganze Schafstall in Rauch aufging, war stets mehr wie ein glücklicher Zufall. Nach der Ausräucherung schafften wir schließlich wieder reichlich frisches Stroh auf den Boden.

Dann aber kam das Interessanteste: die Reinigung der Leute selbst. Die haben wir uns anstandshalber allerdings nur von weitem angesehen. Wenige hundert Meter hinter dem Vorwerk lagen mehrere Torfkuhlen, in denen auch wir uns hin und wieder badeten. Hierher begaben sich die Schnitter mit Schmierseife, Lappen und selbstgebundenen Schrubbern. Erst wurden die Kinder ihrer Kleider entledigt und gründlich geseift, gewaschen und gekämmt, dann nahmen die Männer dieselbe Reinigung mit sich vor, und zuletzt die Frauen und erwachsenen Mädchen. Unweit der Torfkuhlen, aber schon auf Sandboden, hatten die Männer lange Löcher in die Erde gegraben, in die die Kleider jeder Gruppe lose nebeneinander gelegt und mit Erde fest bedeckt wurden. In diesen Löchern blieben die Kleider liegen bis zum anderen Morgen. Wie der Vorschnitter sagte, können die Läuse eine Absperrung in feuchter Erde verbunden mit dem gänzlichen Abschluß der Luft nicht vertragen und gehen in wenigen Stunden zugrunde. Da nun inzwischen alles im Adams- und Evaskostüm umherlaufen mußte, hatten wir schon vorher alte Pferdedecken, Kafflaken und Getreidesäcke nach den Torfkuhlen gebracht, die sich die Leute nach dem Bade umhingen, von wo sie dann gruppenweise nach dem Stall pilgerten und sich in diesen eigenartigen Nachtgewändern in ihr Strohlager einnestelten. Am andern Morgen früh sind dann die Männer zuerst aufgestanden und haben die Kleider aus den Erdlöchern wieder hervorgeholt. Die Frauen und Kinder sind darauf ebenfalls, entweder im Stall oder auch draußen im Freien in ihr ausgelaustes Zeug wieder hineingeschlüpft.

Welche Empfindungen ein derartig kulturwidriges Zusammenleben und dessen demoralisierende Folgen bei den Beteiligten selbst auslösten, davon haften mir ebenfalls noch einige Momente im Gedächtnis. Die Männer schienen alles mit einem gewissen Fatalismus hinzunehmen, als eine Art Verhängnis, das zwar entwürdigend wirke, aber leider nicht geändert werden[125] könne. Ihr Sprüchlein war: »Was sollen wir machen; wenn wir bei uns zu Hause 'n bißchen mehr verdienten, dann würden wir nicht in die Fremde gehen.« Diese Worte trafen auch mich; ich wußte ja aus eigener Erfahrung, daß die Leute damit recht hatten.

Fast ausschließlich von der leichten und lustigen Seite betrachtete das Jungvolk sein Wanderdasein, freilich erschien mir der Humor manchmal auch bei ihnen etwas erzwungen. Ich fühlte doch, wie es innerlich an allen nagte, solch ein Leben führen zu müssen und als so minderwertige Geschöpfe behandelt zu werden. Am meisten bedrückte das Elend sicher die verheirateten Frauen. Oftmals erzählte der Schäfer und auch der alte Tagelöhner des Vorwerks, wie die Schnitterfrauen sich satt weinten, wenn sie mit ihnen hin und wieder über ihre traurige Lage sprachen. Mir aber drängte sich schon damals immer wieder die Frage auf: Wer trägt in Wirklichkeit die Schuld an jenen unwürdigen Zuständen?

Übrigens war es mit dieser einen Lausegeschichte keineswegs abgetan. Nach einigen Wochen saßen die Schnitter abermals klettevoll von Ungeziefer. Diesmal wurden ihre Kleider in einen Backofen gesteckt und dort gründlich ausgehitzt. Die Umkleideszene ging dabei wieder in ähnlicher Weise vor sich wie das erste Mal, nur daß sich das Verfahren jetzt etwas abkürzen ließ. Die hierbei benutzten Säcke und Pferdedecken legten wir dann ebenso wie früher vorsichtig auf eine Rasenbleiche, wo sie wohl eine ganze Woche lang liegen blieben.

Was die Schnitter eigentlich verdienten, erfuhren wir niemals genau. Der Inspektor teilte nichts darüber mit, und sie selbst schwiegen sich auch am liebsten darüber aus. Nur so viel galt als sicher: Es war etwas mehr, als wie sie in ihrer Heimat bekamen, und etwas weniger, als wie es für gewöhnlich in Holstein gab.

Fast alle Arbeiten verrichteten sie im Großakkord. Ein Kontrakt hierüber war einzig und allein mit dem Vorschnitter abgeschlossen, der seinerseits wieder mit den Familienhäuptern oder den einzelnen ledigen Personen bestimmte Abmachungen getroffen hatte. Die Hauptleistung konzentrierte sich natürlich auf die[126] Erntearbeiten. Mähen, Binden und das Aufhocken der Garben war ihnen morgenweise übertragen worden. Soweit Mähmaschinen in Anwendung kamen, griffen natürlich Sonderbestimmungen Platz. Das Einfahren wurde nach je 20 Fuhren bezahlt, ohne Rücksicht auf die Entfernung der Koppeln. Das Dreschen mit der Maschine geschah in Halbakkord. Für gewissenhaftes Antreiben seiner Leute erhielt der Vorschnitter noch eine Extragratifikation.

Es bedurfte jedoch einer besonderen Antreiberei gar nicht, wenigstens nicht bei den zusammengehörigen Familien, denn diese trieben sich bei der Akkordarbeit schon ganz von selbst an. Sie arbeiteten tatsächlich überfleißig. Vom frühen Morgen bis zur sinkenden Nacht waren sie auf dem Felde tätig, nur um ihren Anteil am Akkordverdienst möglichst zu vergrößern. Wo in dieser Weise Vater und Sohn mähten, Frau und Kinder banden und hockten, da konnte es die Familie wohl zu ein paar hundert Mark Verdienst in kürzerer Zeit bringen; wenigstens hörte ich später sagen, daß einige mit einem verhältnismäßig ähnlichen Verdienst nach Hause gefahren seien. Allerdings, die Leute hatten auch darnach gelebt.

Für unseren Inspektor schienen die Schnitter die reinsten Mustermenschen zu sein. Wiederholt hielt er sie den übrigen Tagelöhnern als Beispiel vor, indem er sie als zufrieden, genügsam, bescheiden und fleißig lobte. Darauf meinte der Großknecht einmal in meiner Gegenwart so recht gemütlich und trocken: Das könne wohl wahr sein, doch ihm scheine, als hätten die »Brandenborgers« von jeder dieser Tugenden ein bißchen zu viel geerbt. Da solche Tonart den Inspektor verdroß, so polterte er los: Das sei dummer Schnack; wenn die »hiesigen« Leute auch so wären wie die »da drüben«, dann könnten sie auch zu etwas kommen; sie brauchten nicht bei jeder Gelegenheit zu »querquatschen«, das störe nur das gesunde Verhältnis zwischen den Leuten und Herrschaft. Gleichmütig entgegnete ihm der Großknecht: Dann sei es doch merkwürdig, daß die »Schnitters« da unten in ihrer Heimat zu nichts kommen könnten, sondern sich hierher schleppen ließen, wo die hiesigen Arbeiter, weil sie gelegentlich[127] mal um sich bissen, etwas bessere Verhältnisse geschaffen hätten. Wenn sie hier auch alle so sein wollten, wie die »da drüben«, dann würde es hier bald eben so zugehen wie im Osten oder – wie jetzt auf dem Vorwerk.

Unwirsch brauste da der Inspektor auf: Solche Anzüglichkeiten verbitte er sich; die Schnitter hätten von ihm alles reell erhalten, was ausbedungen worden sei. »Ok de Lüs'?« warf ich naseweis dazwischen. Kaum daß ich noch das prustende Lachen des Großknechts hörte, da hatte ich auch schon eine Maulschelle weg, daß ich glaubte, Ostern und Pfingsten käme auf einen Tag. Mit den Worten: »Dösiger Bingel, wat versteihst du darvon«, hob er seinen Feldstock und wollte mir wohl grade noch ein paar von seiner besten Sorte überziehen, doch eine weitere Mißhandlung verhinderte der Großknecht, indem er energisch vortrat und mit nachdrücklichem Ernste sagte: »Herr Inspekter, nu is 't awerst naug!« Mit sichtlich verhaltenem Zorn wandte sich der Inspektor darauf ab. Ich aber hatte nichts Eiligeres zu tun, als noch am selben Tage zum Herbste »aufzusagen«, d.h. Mitteilung zu machen, daß ich zum 1. November den Dienst verlassen werde.

In steter stumpfer Arbeit gingen nun auch die letzten Monate dahin. Wenn ich auch selbst vor weiteren Handgreiflichkeiten des Inspektors und des Vorlöhners, der jetzt in aller Form zum Hofvogt ernannt worden war, verschont blieb, so kam es doch noch verschiedentlich zu heftigen Auftritten zwischen den übrigen Leuten und jenen beiden. Anlaß hierzu gab fast durchweg die schlechte Behandlung der Leute, die dem Inspektor sozusagen zur zweiten Natur geworden war.

Je näher der Abgangstag kam, desto froher war ich, daß ich der Gutsfron Valet sagen konnte. Mir schien, als würde der holsteinische Hof mit jedem Tage »pommerscher«.

Um eine neue Stelle in der Umgegend hatte ich mich noch gar nicht bekümmert. Einer unserer Knechte lobte mir schon seit langem immer so außerordentlich die holsteinischen Marschen, und ich beschloß daher, aus der »Grafenecke« fortzumachen und mir auf gut Glück in der Marsch einen neuen Dienst zu suchen.[128]

Am 1. November erhielt ich kurz und kühl gleich den anderen meinen Lohn und mein Dienstbuch nebst Abgangsattest, und mit einem herzlichen »Adjüs« an die Zurückbleibenden wanderte ich wohlgemut nach Segeberg. Zwei Jahre Gutsdienst waren herum.

Quelle:
Rehbein, Franz: Das Leben eines Landarbeiters. Hamburg 1985, S. 91-129.
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