Schmucklos?

[44] Im seelenvollen D-Zugs-Roman heißt es, wenn vom »Parvenü« die Rede ist: »... und da sah man an seiner fettigen Hand einen riesenhaften Diamant«, oder: »... als er die brillantbesetzte Platinuhr der Westentasche entnahm und nervös mit der langen Kette spielte, bemerkte man voller Erstaunen am kleinen Finger der linken Hand einen fast kugelförmigen Smaragd ...«


Schmucklos

Erlaubt ist zwar, was gefällt – aber, wem kann so was imponieren? Ist Reichtum nicht mit Kultur vereinbar, dann soll man sich lieber einen Blankoscheck in Gold fassen lassen – es wäre verständlicher und gesinnungstreuer ...

Auftrumpfen mit Schmuck – wie entsetzlich! Strengste Auffassung von Herrentum vertritt sogar Verbot jeglichen Bijouwerks. Wir wollen nicht so weit gehen, doch bleibt als Grundbedingung: unauffällige Zurückhaltung. Platin und Weißgold für Herrenringe, Nadeln, Ketten, sogar für Eheringe hält den Rekord, weil der matte Silberton feiner als der aufdringliche Goldglanz wirkt.

Was zählt nun tatsächlich zum Kriegsschmuck des »wilden Mannes« unserer Zeit?

Manschettenknöpfe – vom Schicksal zum Universalherrenpräsent vorbestimmt – dürfen nur zum Tagesanzug auf Schwarzweißton verzichten, in diesem Falle sind Halbedelsteine oder gebrannte, respektive Emailarbeit das Richtige – Fasson rund oder mandelförmig, aber immer mit beiderseitigem Vollrelief, das heißt mit vier Fassaden. Schwarzes Tuch, der Abendanzug, verlangt entweder die dunkle Garnitur, Onyx mit diskreter Aufhellung oder Platinknöpfe, respektive die Kombination Perlmutt mit Platin. Auch die preiswerte, einfache Ausführung findet sich mit etwas Mühe stets in geschmacklichen Mustern.

Und dann die gräßliche Unsitte ordinärer Brustknöpfchen im blütenweißen Oval der gestärkten Hemdbrust! Geht's wirklich nicht ohne das faustgroße Perlmutter mit dem ominösen kleinenStrichkreuzchen? Wer keine echten Perlen erschwingen kann, wähle die oft vorzügliche Imitation und achte auf den modernen Sicherheitsverschluß, der das peinliche Aufspringen verhütet. Zum Smoking kann allenfalls ein schwarzes Onyxvierkant als Knopf getragen wer den.


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Wenn schon Uhrkette – dann eine elegante schwarzseidene Verschnürung mit kleinen, brillantstaubbesetzten Schiebern. Auch die nie überlebte Chatelaine aus matter Ripsseide oder Metallgewirk ist häufig am Platze. Möglichst keine Krawattennadel! Nur die opalschimmernde Perle im dunklen Binder bleibt zugelassen.

Welche Ringe und Steine? Die kurze, breite Hand verträgt allerhöchstens einen einzigen Ring aus Edelmetall mit kleinem rundgeschliffenem Saphir, Chrysopas, Aquamarin und dergleichen, nur schmale, lange Finger dürfen in strenger Ausnahme neben dem unauffälligen, zwei Millimeter breiten Ehering (gepunztes Mattgold) einen zweiten Ring aufweisen – natürlich am vierten Finger.

Über unsichtbaren Schmuck des Herrn (Tabatière, Garnitur, Uhr ...) später mehr – hier soll noch die Doktrin stehen:

Keine Armbänder, Kettchen, Ringmassen, Uhrgehänge – jeder auffällige Schmuck wird abgelehnt, strikt, ohne Erbarmen, ohne Ausnahme!

Fragt selbst die Frauen von Welt – sie werden euch voll Überzeugung entgegnen: »Am reizvollsten ist die Männerhand – wie Gott sie schuf ...«


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Quelle:
Reznicek, Paula von / Reznicek, Burghard von: Der vollendete Adam. Stuttgart 1928, S. 44-47.
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