Junggesellen.

[162] Meteorologische Prognosen sind wichtig, noch wertvoller aber für manchen »Youngster« das vorbedeutende Geheimzeichen: sturmfrei. Scholaren haben diese witzige Benennung aus dem Stegreif fabriziert, sie ist in den Wortschatz übergegangen und bildet bei der Wohnungssuche des Chambregarnisten ein beachtenswertes Imponderabilium. Erstens aus finanzpolitischen Gründen und zweitens wegen der Annehmlichkeiten in der Praxis.

Der heißgeliebte Budenzauber hat an und für sich an Reiz erheblich eingebüßt, seit freiheitliche Auffassung in eroticis dumpfbrütende Heimlichkeit hinwegfegte, wie ja auch das Tagewerk des Studenten sowie seine Mentalität sich bis in die äußeren Formen eines Kommerses hinein im Zeichen von Sport und Technik grundlegend gewandelt haben.

Ein Matrikelschein gilt noch nicht als Lizenz für schwarze Messen im Heim der Mietsherrin, die mit Fug und Recht Wahrung der Schicklichkeit verlangen darf. Ein Paar 37er und 43er Schuhe vor die Zimmertür zu stellen, ist ein flagranter Angriff auf die Langmut duldender Dritter.

Auch die Kommerzialisierung unseres Lebens hat den Studenten (wie ebenfalls den Offizier) in eine an dere Sphäre gerückt. Der Bakkalaureus sitzt unmittelbar an der Forschungsstätte der Erfolgsgüter, an ihm liegt es, sich geistige Waffen zu schärfen, die ihn trotz aller Selfmadepraktikanten auch heute noch schneller zum Ziel bringen können als andere. Das »carpe diem« sollte Schlagwort sein. Was nebenher geht, ist Geschmacksache – hie schlagende, hie nichtschlagende Verbindung, Unabhängiger oder Organisierter.

Wir haben Sehnsucht nach einer Art Jungens, wie sie Englands ».. varsities« und Colleges hervorbringen, mit klarem Blick für das Notwendige, frühzeitiger Selbständigkeit, einnehmenden Allüren, körperlicher Durcharbeitung. Das Geistig-Wissenschaftliche ist bei uns bestens aufgehoben. Ein Jünger der Alma Mater darf getrost Weltmann sein, es tut seiner Unnahbarkeit keinen Abbruch und macht ihn auch den Frauen liebenswerter, denen die Rolle einer filia hospitalis längst nicht mehr behagt ...


Junggesellen

Quelle:
Reznicek, Paula von / Reznicek, Burghard von: Der vollendete Adam. Stuttgart 1928, S. 162-163.
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