Was sagt die Nachbörse?

[111] To make moneygagner d'argent – Verdienen, das sind die großgeschriebenen Synonyma, Leitsterne über unserm Erdenwallen, die uns wie Irrlichter in mörderischen Morast führen können.

Rette dir und den Deinen wenigstens einen Bruchteil dessen, was wirklich »Leben« genannt zu werden verdient! Die schlimmste Geißel seiner Umgebung ist der »unentwegte« Verdiener, der Busineßman aus innerem Zwang. Er tyrannisiert seine Mitmenschen und Angehörigen, raubt Freude an immateriellen Dingen und versteht es, die letzten Reste eines Menschentums in sich und andern zu töten.

In hellen Scharen laufen solche ausmerzenswürdige Exemplare herum – in sämtlichen Etappen des sozialen Registers anzutreffen. Statt des Morgengrußes ertönt der Schrei nach dem Finanzblatt, zwischen Zwieback und Honigsemmel rast das Telephon wie besessen, Ziffern werden addiert, Vorfälle ekstatisch durchgehechelt. Und wehe der Gattin, die sich erdreistet, an einen gemeinsamen Nachmittagspaziergang oder die Dispositionen für die Kindererziehung zu erinnern. Schließlich kommen dann diese Ritter des Goldfuchses abgehetzt gegen Abend heim, nicht etwa, um den Wust des Unvermeidlichen, des Geldmachens, abzuschütteln, so wie man den Staub der Straße vor der eigenen Tür zurückläßt, sondern um das neckische Spiel mit Kursblatt oder Orderbuch von neuem zu beginnen.


Was sagt die Nachbörse

Ob im Theaterfoyer oder auf dem Korso, im Bahnabteil oder im Teesalon – der Geschäftemacher, oder wer sich dafür ausgeben will, wird auch im intimsten Kreise sein Opfer ausgesucht haben und mit Börsengesprächen oder Branchendiskussion anregende Konversation im Keim ersticken.

Folgt nicht den bösen Sitten, laßt euerm »Ich« ein kleines Plätzchen zum Aufblühen, sonst habt ihr plötzlich über Nacht gerade dann nichts mehr zu vergeben, wenn die Wünsche und Sehnsüchte der Frau seelische Werte begehren.[111]

Quelle:
Reznicek, Paula von / Reznicek, Burghard von: Der vollendete Adam. Stuttgart 1928, S. 111-112.
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