Im Beruf.

[117] Noch haben sie nicht die Majorität – aber es wird nicht mehr lange dauern, und die Ärztinnen, Rechtsanwältinnen, Doktorinnen, Direktorinnen, Künstlerinnen überwiegen.

Die Ansichten über den Beruf einer Frau, eines Mädchens haben sich von Grund auf geändert. Dem wohlhabenden Vater imponiert es, wenn seine Tochter selbst in der Lage ist, Geld zu verdienen, um in der Not auf eigenen Füßen zu stehen. Der Mittelstand ging beispielgebend voran. Das unabwendbare »Muß« wurde zum Wegweiser. Die Mädchen setzten ihre Ehre hinein, etwas zu leisten, im Büro, in der Fabrik, im Laboratorium eine Rolle zu spielen, Aufmerksamkeit zu erregen, womöglich schwer ersetzbar zu sein. Dafür verlangten sie mehr Freiheit als bisher. Und das mit Recht. In Amerika nahmen sich die Dollarprinzessinnen ein Beispiel daran. Und wenn sie nicht im beruflichen Leben ihren Mann stellen konnten, setzten sie intensiven Überdurchschnittssport an dessen Stelle.

Der Männermangel nimmt zu. Ein Umstand, der das Interesse der Frau an einer Sphäre, in der sie aufgeht, und in der sie vorwärts kommt, stark unterstützt. Sehr viele wollen gar nicht mehr heiraten. Wenn dieses oft auch nur eine Resignation – entbehrt es auf alle Fälle nicht des logischen Hintergrundes.

Ob Bühne oder Leinwand, Bank oder Universität – sie alle haben ihre Jüngerinnen, die das Leben von zwei Seiten betrachten wollen und in anregender Beschäftigung manchmal mehr Befriedigung finden als bei den ewig heiteren, oberflächlichen Dingen des Daseins.

Nur vor Übertreibungen ist zu warnen! Der Beruf der Frau soll sie nicht vermännlichen, sie nicht zum ehrgeizigen Maskulinum werden lassen, das nur Karriere und Titel sucht. Es darf nicht soweit kommen, wie ein französischer Schwank die Berufssüchtige parodiert, die, ganz als Mann auftretend, nicht nur um die Hand des Sohnes des Hauses bei dessen Eltern anhält, sondern auch vom besorgten Vater schüchtern gebeten wird: »Mein Sohn ist noch sehr jung, bitte womöglich im ersten Jahr keine Kinder!«[117]

Quelle:
Reznicek, Paula von: Auferstehung der Dame. Stuttgart 7[o.J.], S. 117-118.
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