Vor und hinter den Kulissen der Wohltätigkeit.

[112] Adele: Morgen ist der große Blindenbasar, ich bin hinter dem Sektzelt, sämtliche Leutchen sind zusammengetrommelt, wir haben uns alle neue Kleider anfertigen lassen, verkaufen wird man sowieso nicht viel, außerdem ist es viel zu langweilig, einen ganzen Abend am Büfett rumzustehen, aber ich denke, Erich wird erscheinen, und dann – adieu Basar ...

Lili: Man muß ja mitmachen, ob man will oder nicht. Aber das soll ein Vergnügen sein, na, gute Nacht, Herr Meyer. Bei so einem musikalischen Tee kauft doch kein Mensch Lose. Im Gegenteil, die Herren weichen mit Bocksprüngen aus, und die Damen flöten: »Mein Mann hat schon, liebes Kind.« Ich denke, wenn Mama der Frau Präsident Blumen überreicht, kann ich ausrücken.

Astrid: Mal eine nette Idee, ein Wohltätigkeitsbridge, außerdem sehr elegante Frauen und gut aussehende Männer, sehr anständige Sandwiches und Rosenblattzigaretten. Bloß daß man Geld geben soll, ist langweilig. Sonst verkaufe ich bei solchen Gelegenheiten, da kostet es nichts. Heute muß man anstandshalber – ich habe mir auf alle Fälle zwanzig Mark mitgenommen, da kann nicht viel geschehen.

Irma: Ich hasse diese offiziellen Wohltätigkeitsveranstaltungen, wo die Armen das wenigste bekommen. Wenn man wirklich Gutes tun will, braucht man nur die Augen aufzumachen und nicht wegzusehen, wie die meisten. Wer Zuschauer zu Almosen braucht, gibt sich ein schlimmes Armutszeugnis, aber wer viel, gern und heimlich schenkt, weiß selbst, wie befriedigend das ist![112]

Quelle:
Reznicek, Paula von: Auferstehung der Dame. Stuttgart 7[o.J.], S. 112-113.
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