Überhaupt: die Bar!

[75] Es ist gar nicht so lange her, da flüsterten Onkels und Tanten stirnrunzelnd: »Sie saß auf einem Hocker an der Bar, shocking! Ein junges Mädchen an einem solchen Ort – selbst deine Frau, lieber Alfred, würde nie daran denken ...« und so fort. Dafür tuschelten heimlich, mit strahlenden Augen die Freundinnen untereinander: »Niemand darf es wissen, aber gestern abend nach der Oper waren Rolf und ich in einer Bar!« ...

Tempi passati – unsere junge Dame geht mit ebensolcher Selbstverständlichkeit zum Raseur oder Zigarettenhändler wie mm Drink in die Var. Erlaubtes nimmt den Reiz unpassender Ausnahmefälle. »Der Drink in der Bar« – eine internationale Gewohnheit, die Gesetze umwandelt.

Trotzdem – leugnen wir es nicht – der Scharm der Bar ist von Bedeutung. Das Gemisch von Stimmungen und Essenzen, das Ungestörte und doch: »Mitten-im-Leben-Sein« gibt einen guten Fond zu jeder Art Konversation. Ein anheimelnder Hauch liegt über den monotonen Bewegungen des Barkeepers, der Kommenden, Gehenden und Sitzenden.

Kurzum: Unsere junge Dame geht vor dem Frühstück, zum Mokka, nach dem Sport, vor dem Diner, nach dem Ball oder dem Theater – in die Bar: Onkels, Tanten und Mütter gehen aber auch ...


Überhaupt: die Bar!

Doch die junge Dame geht noch einen Schritt weiter, sie kultiviert die Hausbar. »Trautes Heim – Bar allein.« Nachahmungen anregender Beginn!

Ein mit irdischen Gütern reich gesegneter Finanzieller fragt seinen Darling, ob er ihm ein Pferd, eine Jacht oder ein Perlenhalsband dedizieren soll, worauf die Achtzehnjährige ohne Überlegung antwortet: Natürlich eine Bar – ich nenne sie »Wunderbar« und mache sie aus der Dunkelkammer von Bob.

Der Vater protestiert. Die Bar entsteht. Sechs Wochen später murmelt der Vater bei einer Debatte über die Zimmer der Villa: »Der beste Aufenthalt im ganzen Haus ist Renas ›Wunderbar‹!«[75]

Quelle:
Reznicek, Paula von: Auferstehung der Dame. Stuttgart 7[o.J.], S. 75-76.
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