Blumensprache ...

[76] Wie kitschig klingt der Titel, aber, wir haben alle nun mal den ernsten Willen zum Kitsch! Ohne ihn wären wir verloren, der gemütlosen Sachlichkeit unserer Tage ausgeliefert. Aber so existiert ein »Mäntelchen«, das wir »Kitsch« nennen, in das wir uns, wenn es not tut, hüllen können. Und es tut oft not!

Blume und Frau gehören zueinander. Frauen, die keine Blumen lieben, sind geschlechtslos, das Perfideste, was man von einer Frau sagen kann. Selbst der männlichste Mann hat irgendwie ein zärtliches Gefühl für Blütenpracht und Duft. Deshalb überträgt er so gern beides auf die Frau.

In den Händen einer klugen Frau werden Blumen zu Dolmetschern. Sie passen sich an – wandeln sich und wirken so, wie sie sollen. Ein Leben ohne Blumen erscheint wie ein Wetter ohne Sonne. Das tägliche Blümchen ist ebenso wesentlich wie das tägliche Brot.

Gibt es eine anmutigere Beschäftigung als Vasen füllen, Schalen mit bunten kleinen Gartenblumen ordnen – ganze Bündel voll Blütenzweige in Gläser reihen, eine Knospe vom Strauch abschneiden und zum Kleid aussuchen, eine frische Blüte dem ankommenden Gast überreichen? Ich kenne eine kleine Dollarprinzessin, die Autos und Golfklubs liegen ließ und fünf Monate in ein Blumengeschäft in die Lehre gegangen ist!


Blumensprache ...

Die Phantasie in der Blumensprache ist grenzenlos, Gedanken und Wünsche werden in zarten Arrangements zur Triebkraft, ein Kristall mit bunten Wicken, ein Rubinglas mit weißen Nelken, eine Sèvresvase mit Maréchal Niel, eine Serviette mit einer weißen Orchidee, ein Jagdfrühstück mit Veilchenteppich als Läufer, eine Orangenblüte an der Schulter, ein Feldblumenstrauß im Schlafzimmer – was können sie nicht alles verschweigen, was erzählen ...

Blumen schenken lassen – nicht kaufen! – Nicht wie Frau Finanzrat X in einen Laden gehen und »für zwanzig Mark Tischblumen bestellen« – nicht auf Blüten treten und fortwerfen, keine Grausamkeiten, keine Geschmacklosigkeiten ...

Eine große Reihe Frauen wird das nicht verstehen wollen oder können, ich weiß es nicht – dann hat es auch keinen Zweck, darüber zu reden, denn: »Wer's nicht fühlt, Ihr werdet's nie begreifen!«


Blumensprache ...

Quelle:
Reznicek, Paula von: Auferstehung der Dame. Stuttgart 7[o.J.], S. 76-78.
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