Vom flüssigen Geist ...

[81] Irgendwie muß »Sie« Stellung dazu nehmen – es läßt sich nicht umgehen. »Sie« bewegt sich doch immerzu in der Gefahrzone des Alkohols. Überhaupt heute, wo »Sie« es ist, welche die Weine aussucht, zusammenstellt, die »drinks« mixt und die Bowlen bereitet.

Rezepte kennt »Sie« in Massen – so einfache, daß es kaum mehr der Rede wert ist, denn schließlich weiß jedes Kind: Drei viertel Sherryglas Wermut, ein viertel Gin, zwei Tropfen Angostura, eine Kirsche – fertig ist der »Feld-, Wald- und Wiesencocktail«, ähnlich die »Ever-ready-Bowle«: Eingezuckertes Obst mit Cointreau oder Brandy, eine Flasche Rheinwein, eine halbe Flasche Sekt, eine Flasche Selter, ein Kognak (drei bis vier Personen): sogar die Unschuld vom Lande serviert zum Fisch keinen Rotwein und keinen »Chateau d'Yquem« zum Braten, obwohl es viele gibt, die immer »weißen Bordeaux« trinken müssen!

Die Steigerung der Getränke ist wesentlich. Die Abwechslung der Weine, die Temperatur entscheidend. Der lau temperierte Rotwein ist ein Kunststück. Um so erheiternder wirkt es, wenn in einem Restaurant sich ein Paar beschwert, daß sie einen teureren Burgunder gewählt hätten, als der Nebentisch, der nur einen billigen Mosel in den Gläsern habe, aber dafür einen Eiskübel hingestellt bekam, und sie nicht ...

Das alles sind Präliminarien, in die »Sie« von Grund auf eingeweiht sein muß, Stufen, auf denen »Sie« von allein weiterklimmt – bis die Vollendung erreicht ist.

Zum Alkohol, einem »enfant terrible«, das aus sich herausgehen läßt und Explosionen verursacht, soll »Sie« Stellung nehmen, ihn wie einen treuen Hausangestellten betrachten, dessen Hilfe und Anregung sie mitunter bedarf! Wehe aber, wenn er zu ihrem Herrn wird und unterjocht, dann ist »Sie« indiskutabel, verabscheuungswürdig – unmöglich.

Kluge Frauen, flirtet mit dem Geist – gegebenenfalls mit dem »flüssigen« ...![81]


Vom flüssigen Geist..

Quelle:
Reznicek, Paula von: Auferstehung der Dame. Stuttgart 7[o.J.], S. 81-82.
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