Die Pflicht zur Individualität.

[12] Es gibt eine Mode, aber keine Tracht. In einem Pensionat ist die Kleidung vorgeschrieben, in der großen Welt wird die Kunst des Anziehens gepflegt. Eines schickt sich nicht für alle, aber jeder hat die Möglichkeit, zu spezialisieren.

Genau dasselbe gilt für die Persönlichkeit der Frau. Eine Dame ahmt nicht nach. Sie erbaut sich an der Originalität der Exotin, der Lebendigkeit der Künstlerin, der Verschlossenheit der Aristokratin, bewundert das unverwüstliche Temperament der Südländerin und die sachliche Gemütlosigkeit eines Sportgirls; aber sie kopiert nicht!


Die Pflicht zur Individualität

Sie bleibt: sie selbst. Sie kultiviert ihre eigene Note, ihre Stärken, ihre Talente. Sie kreiert ihren Typ, der in den Grenzen vorgeschriebener Gesetze bleiben muß, nicht ausarten, nicht auffallen darf. Sie outriert nichts – sie gibt sich! Es ist immer noch besser, von ihr zu sagen: »C'est un genremais c'est un mauvais genre« – als: »Sie ist gar kein genre« –

Persönlichkeiten setzen sich durch. Imitatoren verblassen. Die Dame weiß genau: Um Gottes willen keine Schablone!!!


Die Pflicht zur Individualität

Quelle:
Reznicek, Paula von: Auferstehung der Dame. Stuttgart 7[o.J.], S. 12-14.
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