Die Trauer und das Schwarz ...

Die Trauer und das Schwarz ...

[29] Achselzucken. Man weiß nicht recht. Darf man schon, oder noch nicht? Muß man ein Jahr? Man kennt sich nicht mehr aus!

Wie in allen Dingen des Lebens hat auf die ehemals strengen Trauergesetze auch das Tempo unserer Zeit verändernd gewirkt. Man lebt schneller, leichter, gefahrvoller – was früher ein Jahr bedeutete, sind jetzt Wochen, kaum Monate.

Dennoch hat die alte Tradition – das äußere Zeichen der Trauer um einen nahestehenden Menschen – etwas Ehrfurchtsvolles, mit der man nicht ohne weiteres brechen darf.

In Polen war von jeher »Weiß« die Farbe des Schmerzes. Das unsaubere, unhygienische Schwarz hat aber durch seine Düsterkeit – die Symbolik des Grams – sich überall durchgesetzt. Im Laufe der Zeit werden wohl die Verbindungen von weißem Krepp und schwarzer Seide als Trauerkombination mehr getragen werden.

Die Witwen pflegen heute in tiefem Schwarz mit langem Schleier, weißem Kreppkragen und weißem Kreppstreifen an der Haube, wenigstens ein halbes Jahr zu gehen. Nach einem halben Jahr fällt der lange Schleier fort, und es tritt der schwarze Hut, einfache schwarze Kleidung an deren Stelle. Gegen Ende des Jahres kann man nach Belieben, ohne gegen die äußeren Vorschriften zu verstoßen – dunkle Kostüme und dunkle Kleider mit weißen Seidenkrägelchen tragen. Ähnlich ist es bei der Trauer der Kinder um ihre Eltern. Nach einem halben Jahr ist die tiefe Trauerzeit zu Ende, und eine im großen und ganzen dunkel gehaltene Kleidung entspricht den neuen Trauergesetzen. Bei aller andern verwandtschaftlichen Trauer sind Schleier unnötig und die schwarze Kleidung eine Frage von Wochen. Allzu strenge äußerliche Konvention ist daher unangebracht. Die innerliche Depression um den Verlust eines Menschen ist entscheidend und oft so nachhaltend, daß sie durch keine Kleidungsfrage der Welt irgendwie gelöst werden könnte.[29]


Die Trauer und das Schwarz ...

Quelle:
Reznicek, Paula von: Auferstehung der Dame. Stuttgart 7[o.J.], S. 29-30.
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