Gruß und Benehmen auf der Straße.

[15] Der Gruß ist der äußere Ausdruck der Achtung und Ehrerbietung, die man anderen Personen entgegenbringt. Der übliche Gruß auf der Straße besteht im Abnehmen des Hutes oder der Mütze, dazu kommt eine leichte Verbeugung und ein entsprechendes Grußwort, das sich nach der jeweiligen Tageszeit und den Ortsverhältnissen richtet. Die Kopfbedeckung wird mit der rechten Hand sicher erfaßt und flott herabgezogen. Die Futterseite bleibt nach innen gekehrt. Der Hut bleibt so lange schwebend, bis die zu grüßende Person vorüber ist. Die zu grüßende Person ist freundlich anzusehen. Du ergreifst den Hut stets mit der Hand, die der zu grüßenden Person abgewandt ist, da Du nach Möglichkeit nach rechts ausweichst, wird dies meist mit der rechten Hand geschehen. Der Gruß muß schon drei Schritt vor dem Zusammentreffen ausgeführt werden. Hutgruß erfordert wieder Hutgruß. Einen freundlichen Hutgruß etwa durch Anlegen zweier Finger an die Kopfbedeckung zu erwidern, ist eine grobe Unhöflichkeit.

Kommen mehrere Personen oder Schüler zusammen auf der Straße, so haben sie möglichst zu gleicher Zeit zu grüßen. Kennt nur einer die zu grüßende Person, so hat er die anderen vorher aufmerksam zu machen, damit sie mitgrüßen. Während des Grüßens hat das Gespräch zu ruhen, auch das Rauchen hat zu unterbleiben.

Eine Dame grüßt nie zuerst, sondern wartet den Gruß des Herrn ab. Eine Dame hast Du so oft am Tage zu grüßen, wie Du ihr begegnest.

Redet Dein Begleiter Bekannte an, ohne Dich ihnen vorzustellen, so bleibst Du nach ausgeführtem Gruß etwas abseits stehen und verabschiedest Dich, wenn Dein Bekannter weitergeht, durch eine leichte Verneigung. Als junger Mann hast Du auf der Straße alle älteren Verwandten, Dir sonst bekannte Personen, auch Deine Lehrer, Deinen Geistlichen, hochgestellte Beamten stets zuerst zu grüßen. Auch steht es der Jugend wohl an, wenn sie alte Arbeitsleute zuerst grüßt. Das alte Sprichwort »Mit dem Hute in der Hand kommt man durch das[15] ganze Land« hat auch heute noch seine Gültigkeit. Besser zweimal zu viel, als einmal zu wenig grüßen! Wird Dein Gruß nicht erwidert, so nimm an, daß es aus Zerstreutheit oder Kurzsichtigkeit nicht geschehen ist. Grüße dieselbe Person nicht heute tief und morgen leicht. Trägst Du in beiden Händen etwas, so kann niemand erwarten, daß Du den Hut ziehst. Abends im Finstern, heim Vorübergehen außer Sprechweite und bei argem Regenwetter brauchst Du nicht zu grüßen.

Halte auf der Straße niemand an zugigen Ecken an, rede auch nie Personen auf der Straße an, von denen Du weißt, daß sie kränklich oder leidend sind.

Quelle:
Roeder, Fritz: Anstandslehre für den jungen Landwirt. Berlin 21930, S. 15-16.
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