Vom Gruß im geschlossenen Raum und im Schulhaus.

[16] Betrittst Du einen geschlossenen Raum, so hast Du die Kopfbedeckung sofort abzunehmen und die Anwesenden durch eine Verbeugung des Oberkörpers mit entsprechendem Grußwort zu begrüßen. Die Verbeugung soll weder in einer steifen Neigung nach vorn, mit angelegten oder schlaff herabhängenden Armen, noch in einem kurzen Nicken des Kopfes bestehen. Sie ist vielmehr eine leichte, anmutige, ungezwungene Bewegung, die oft gezeigt und fleißig geübt sein will. Diese Verbeugung gilt im Stehen sowohl wie im Gehen.

Im Schulhaus sind alle Lehrer durch eine derartige Verbeugung zu begrüßen. Grüßen mehrere Schüler auf der Treppe, so haben sie sich hintereinander zu stellen. Beim Eintritt des Lehrers in ein Klassenzimmer erheben sich die Schüler straff und geräuschlos und blicken den Lehrer an. Dem Lehrer ein besonderes Grußwort entgegenzurufen, ist nicht unbedingt nötig. Die Schüler setzen sich erst dann wieder, wenn der Lehrer hierzu aufgefordert hat. Wenn der Lehrer das Zimmer verläßt, wird auf dieselbe Art gegrüßt.

Verwandte und Bekannte begrüßt man gern durch Händedruck. Du schüttelst dem Freunde kräftig die Hand oder streckst ihm in der Freude des Wiedersehens auch wohl beide Hände entgegen. Ein kaltes, totes Hineinlegen Deiner Rechten in die seine wäre verletzend. Doch darfst Du die Hand nicht zu lange und heftig schütteln. Einer Dame darfst Du die Hand überhaupt nicht schütteln. Du darfst sie nur zart umfassen, auch darf ihre Hand nicht zu lange in der Deinen behalten werden, Vorgesetzten, Lehrern und Damen darfst Du als junger Mann[16] nie zuerst die Hand bieten. Einen dargebotenen Händedruck zurückzuweisen ist eine schwere Beleidigung. Das herablassende Hinstrecken von ein oder zwei Fingern ist ein Zeichen von frostiger Selbstüberhebung, die der wahrhaft vornehm Gesinnte sich nie erlauben wird.

Gelegentlich hast Du auch Fremde zu grüßen. So z.B. beim Einsteigen in ein volles Eisenbahnabteil; im Hotel oder Kaffeehaus, wenn Du Dich an einen schon besetzten Tisch setzest oder von einem solchen erhebst. Auch im Konzert oder Theater begrüßt man seine Nachbarn durch einen leichten Gruß.

Empfängst oder erweist Du irgendeinen Dienst, so grüßt Du dabei. Bedenke immer, daß Höflichkeit eine Münze ist, die jeder selbst prägt, und die doch bei allen gilt. Einen unfreundlichen, unhöflichen jungen Mann wird man nie gern sehen und besonders schätzen.

Quelle:
Roeder, Fritz: Anstandslehre für den jungen Landwirt. Berlin 21930, S. 16-17.
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