Vom Essen und Trinken.

[10] Die Tischgeräte benutze in der Weise, daß sie ihrem Zweck entsprechen. Weißt Du als Tischgast in besserem Kreise nicht recht Bescheid, so achte vorerst unauffällig auf das Tun der anderen.

Die Gabel gehört in die linke, das Messer in die rechte Hand. Fasse beide so, daß der Daumen nach unten kommt. Du behältst beide während des Essens in der Hand. Die Speisen zuerst zu zerschneiden, hierauf das Messer wegzulegen und das Geschnittene allein mit der Gabel zu verspeisen, ist gegen den guten Ton. Jeder Bissen, den Du verzehren willst, wird einzeln abgeschnitten, dann nimmst Du ihn an die Gabel, häufst mit dem Messer etwas Gemüse oder Brühe darauf, und führst den Bissen, die gebogene Seite der Gabel nach unten gerichtet, zum Munde. Kann man die Brühe auf diese Weise nicht ganz unterbringen, so hilft es nichts, Du mußt den Rest auf dem Teller lassen. Die Brühe mit dem Messer aufzuscharren oder irgendwelche Speisen mit dem Messer zum Munde zu führen, ist im hohen Maße unstatthaft und gegen den guten Ton. Das, was auf dem Teller liegt, allzu rein aufzuessen, gilt auch nicht als fein.

Trockenes Brot darf nicht mit dem Messer geschnitten werden, sondern wird in kleine Stücke gebrochen zum Munde geführt. Es in die Suppe zu bröckeln oder zum Reinigen des Tellers von zurückgebliebener Tunke zu benutzen, ist unstatthaft. Nur bei Butterbrot darf man sich des Messers bedienen. Schneidet man Brot für andere ab, so darf man hierzu nicht das eigene Messer gebrauchen.

Der Löffel wird leicht zwischen die Finger genommen, so daß der Daumen oben, Zeige- und Mittelfinger unten sind. Du führst ihn mit der Spitze, nicht mit der breiten Seite zum Munde. Nimm den Löffel nicht zu voll, damit nichts wieder zurück auf den Teller fließt. Kratze und schabe nicht mit dem Löffel auf dem Teller herum. Ist die Suppe noch zu heiß, so blase nicht hinein (»puste nicht«), sondern rühre leicht mit dem Löffel in der Suppe herum, bis sie sich genügend abgekühlt hat. Leere den Löffel ohne jedes schlürfende Geräusch.

Vermeide es, in das Salz- oder Senfnäpfchen mit dem Messer zu fahren. Zu den erwähnten Gefäßen gehört stets ein besonderes Löffelchen. Fehlt dieses, so darfst Du ausnahmsweise Dein eigenes Messer benutzen, mußt aber z.B. den Senf am Rande des Tellers abstreichen.[11]

Zum Abschneiden von Käse oder Butter bediene man sich des hierzu bestimmten auf dem Käse- oder Butterteller liegenden Messers.

Das Mundtuch wird auseinandergebreitet und leicht über die Knie gelegt. Es um den Hals zu binden, hinter Krawatte oder Weste zu stecken, ist eins so wenig erlaubt wie das andere. Daß Du mit der Serviette nicht Teller und Besteck abwischen darfst, versteht sich von selbst. Mit der Serviette fährt man sich auch nicht über das Gesicht oder trocknet sich etwa die Hände oder in erhitztem Zustande den Schweiß ab. Im öffentlichen Wirtshaus darf man das Mundtuch zum Reinigen unsauberer, jedoch bisher nicht gebrauchter Tischgeräte benutzen.

Zum Abputzen der Knochen darf man die Finger nicht benutzen, nur bei Kleingeflügel ist dies teilweise gestattet. Beim Fischessen behilfst Du Dich ohne Messer. In die linke Hand nimmst Du ein Stück Brot, mit dem Du den Fisch festhältst, mit der rechten hältst Du die Gabel, löst mit ihr das Fleisch des Fisches ab, schiebst es mit dem Brotstück auf die Gabel und führst es so zum Munde. Gräten, Knochen, Kerne und sonstige Speisereste lege man auf ein dazu bereitstehendes Tellerchen, wo ein solches fehlt auf den Rand des Tellers.

Das Weinglas erfaßt man mit der rechten Hand immer dicht oberhalb des Fußes. Stelle das Glas nicht zu nahe an den Tellerrand oder hinter den Teller, so daß Du es nicht bei einer schnellen Bewegung umwirfst. Sprich nie in Dein Glas hinein. Redet Dich jemand an, während Du Dein Glas zum Mund erhoben hast, so stelle es wieder hin, bis Du geantwortet hast. Vor dem Trinken wische man sich mit dem Mundtuch den Mund ab. Trinken mit vollem Mund ist sehr ungehörig. Auch spricht man nicht mit vollem Munde.

Beim Kaffeetrinken gieße man nicht aus der Ober-in die Untertasse. Auch hier hüte man sich vor dem garstigen Schlürfen. Brötchen oder Gebäck in den Kaffee einzutauchen, ist unerlaubt.

Sei beim Zulangen der Speisen nicht unbescheiden. Mache keine zu große Bissen. Iß nicht zu hastig, aber auch nicht zu langsam.

Spiele nicht mit Messer und Gabel! Benutze die Gabel auch nicht zum Reinigen der Zähne. Benutze hierzu einen Zahnstocher, doch nur hinter der vorgehaltenen Hand. Drehe keine Kügelchen aus dem Brot. Wechsle während des Essens nicht mit Messer und Gabel aus einer Hand in die andere. Sei so lieb und ziehe Messer und Gabel nicht durch den Mund um sie zu reinigen.

Quelle:
Roeder, Fritz: Anstandslehre für den jungen Landwirt. Berlin 21930, S. 10-12.
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