Von der Haltung.

[5] Von Deiner Körperhaltung läßt sich mit Sicherheit auf Dein Wesen schließen! Als junger Landwirt gehe mit erhobenem Haupte, frischem, freiem Blick, kräftiger Haltung, ruhig, fest und gleichmäßig. Vermeide alles Steife, Gezierte, Hochmütige. Komme nicht tänzelnd oder schleichend daher, vermeide es zu stark aufzutreten. Beim Gehen setze Deine Füße nach auswärts, drücke die Knie durch, nimm die Brust heraus, den Kopf richte gerade aus. Sei natürlich und vermeide alle Gezwungenheit. Die Schritte mache nicht zu groß. Gehe niemals einwärts, sonst[5] kommst Du in Gefahr, über Deine eigenen Füße zu fallen. Tritt zuerst mit dem vorderen Teil des Fußes auf, möglichst nicht mit dem Absatz, nie aber platt mit der Sohle. Ein etwas flotter, lebhafter Gang, der der Jugendfrische Deiner Jünglingsjahre entspricht, ist einem langsamen vorzuziehen. Ein Durcheilen der Straßen im Laufschritt ist für Erwachsene unschicklich; es ist nur in Fällen dringender Not statthaft. Beim Gehen beide Arme in die Seite zu stemmen, ist verwerflich. Ebenso unschicklich ist es, während des Gehens beide oder eine Hand in die Hosentaschen zu vergraben. Die Bewegungen der Arme und Hände seien immer unwillkürlich, frei und natürlich, sie werden dann immer wohlgefällig wirken.

Stehe gerade, frei, nicht steif, den einen Fuß leicht vorgesetzt, so daß das Gewicht des Körpers auf dem anderen Fuße ruht. Lehne Dich beim Stehen niemals an. Stelle Dich ferner nicht mit gespreizten Beinen hin, drehe auch den Körper nicht hin und her. Zupfe nicht an einem Teil des Körpers oder an der Kleidung herum. Stütze Dich nicht auf den Stuhl eines anderen; lehne Dich auch nicht zum Fenster hinaus, wenn andere Leute im Zimmer sind, so daß Du ihnen Deine wenig schöne Kehrseite zeigst. Bleibe von der Person, mit der Du sprechen willst, immer einen Schritt entfernt.

Sitze mit freier Haltung des Körpers, ohne Dich an die Lehne des Stuhles oder Sofas anzulehnen. Dies gemütliche Zurücklegen üherlasse alten Leuten. Schlage die Beine beim Sitzen nicht übereinander oder baumle nicht mit ihnen. Beim Sitzen auf dem Stuhle schlinge man nie die Füße um die Stuhlbeine, auch schaukle oder wippe man nicht mit dem Stuhl, sonst kann es passieren, daß Du das Gleichgewicht verlierst und mit dem Stuhle hintenüberschlägst, was böse Folgen haben kann.

In der Schulbank sitzt der Schüler aufrecht, Brust frei. Sich mit den Ellenbogen aufzustemmen und Kopf oder Kinn auf die hohle Hand zu stützen ist recht ungehörig. Beuge Dich beim Schreiben nicht zu tief über Deine Arbeit, desgl. beim Essen nicht zu weit über Deinen Teller. Hüte Dich vor dem lästigen Scharren auf dem Fußboden und vor sonstigem Geräusch verursachenden Hin- und Herbewegen der Füße.

Die Bewegungen Deiner Arme seien ruhig und abgerundet, nicht ungestüm, eckig, unbeholfen. Schwinge mit Deinen Armen nicht wie ein Uhrpendel hin und her. Laß einen Arm ruhig und natürlich herabhängen, den anderen trage etwa in leichten Winkel gebogen. Lege die Arme beim Sitzen nicht über den Tisch. Vermeide auffallende Bewegungen[6] mit den Armen und fuchtle mit ihnen nicht in der Luft herum.

Sind die Hände nicht irgendwie nützlich beschäftigt, so tu so wenig wie möglich mit ihnen. Gewöhne Dich nicht daran, immer etwas in der Hand haben zu müssen, um damit zu spielen. Drehe die Daumen nicht in der bekannten geistreichen Weise umeinander. Übe Deine Hände in der schweren Kunst »mit Anstand nichts zu tun«.

Im ganzen: Sei und bleibe natürlich und ungezwungen, lasse Dich nie gehen, im Gegenteil, habe immer Acht auf Dich selbst, vergiß Dich und Deine Umgebung nicht!« –

Quelle:
Roeder, Fritz: Anstandslehre für den jungen Landwirt. Berlin 21930, S. 5-7.
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