Reise nach Sachsen

[115] Die erste Tagreise machten wir bis nach Braunschweig, wo wir im »Blauen Engel« herbergten. Hier kaufte mein Herr noch ein junges Pferd und hatte den sonderbaren Einfall, dasselbe bei unsrer Abreise mit jungen Bäumchen bepacken zu lassen, die er auf sein Gut verpflanzen wollte. Eben war es Paradezeit, als wir uns aufsetzten;[115] sowie die Tambours die Trommeln rührten, wurde das Pferd scheu, tat einen Luftsprung, riß sich von mir los, mich selbst von meinem Pferde herab und galoppierte zwischen den in der Straße von beiden Seiten stehenden Blech- und Drechslerbuden hindurch, an welchen es mancherlei Schaden anrichtete, da sich der bepackte Sattel ihm zwischen die Beine gedreht hatte. Als es endlich aufgefangen war, kamen eine Menge Menschen, die von mir ihre Bezahlung forderten, da mein Herr, über diesen Vorfall empfindlich, nach dem Wirtshause zurückgeritten war. Man drohte mir, mich arretieren zu lassen, wenn ich nicht bezahlte, daher gab ich in der Angst meine ganze Barschaft her und fing an zu weinen wie ein Kind, als die noch Unbefriedigten auf der Arretierung bestanden. In dieser Angst vertrat mich einer von den Herren Offizieren, und ich erfuhr, daß es der Herzog von Braunschweig gewesen war, welcher mir zurief, auf seine Gefahr nur fortzureiten.

Als ich in den Gasthof zurückkam, befahl mir der Herr, das Pferd wieder zu satteln, die Bäume aber im Wirtshause beim Wirte zurückzulassen. Unsere Reise ging diesen Tag nur bis Wolfenbüttel. Wie der Stallmeister Don Quichotes ritt ich hinter meinem Herrn her, welcher den ganzen Weg über kein Wort mit mir sprach, sondern mir Zeit ließ, über den Verlust meiner an die Kaufleute verteilten Barschaft nachzudenken. Eine gewisse Ahnung sagte mir, daß mein Herr mir die Schuld beimessen und ich den Schaden würde tragen müssen. Die Folge wies es aus, daß meine Ahnung mich nicht getäuscht hatte.

Von Wolfenbüttel aus ließ mein Herr durch einen Expressen die in Braunschweig zurückgelassenen Bäumchen abholen; da ich mich aber weigerte, sie wieder auf das Handpferd zu packen, so schickte er sie durch einen Schubkärrner nach Stedten, während wir unsern Weg nach Aschersleben nahmen. Hier ließ mein Herr, seines gedrückten Pferdes wegen und zur Untersuchung des[116] Budenzerstörers, einen bekannten Roßarzt holen, welcher in betreff des letztern äußerte, daß der Herr Rittmeister damit sehr schlecht angekommen wäre, ob er gleich zugab, daß es sehr schön gebaut wäre. Die Wahrheit dieser Behauptung ergab sich nur zu bald, denn als ich ihm zu Mansfeld, wo wir bei dem Herrn Oberforstmeister von Trebra abgestiegen waren, Futter gegeben hatte und, um gleichfalls zu speisen, in die Bedientenstube gegangen war, wurde ich plötzlich in den Stall gerufen, wo der Budenstürmer unbändig an der Krippe wütete. Jetzt sah mein Herr die Richtigkeit der Bemerkung des Roßarztes ein, welcher gesagt hatte, daß bei warmer Witterung nichts mit ihm anzufangen sein würde.

Während unsers Aufenthalts in Mansfeld hatten mir die Bedienten den außerordentlich tiefen Schloßbrunnen und einen merkwürdigen unterirdischen Gang gezeigt, welcher, nach ihrer Versicherung, sich bis Eisleben erstrecken sollte.

Quelle:
Sachse, Johann Christoph: Der deutsche Gil Blas oder Leben, Wanderungen und Schicksale Johann Christoph Sachses, eines Thüringers. Von ihm selbst verfasst, Berlin 1977, S. 115-117.
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Der deutsche Gil Blas oder Leben, Wanderungen und Schicksale Johann Christoph Sachses, eines Thüringers
Der deutsche Gil Blas. Eingeführt von Goethe. Oder Leben, Wanderungen und Schicksale Johann Christoph Sachses, eines Thüringers