Schritte und Gangarten.

[189] Gehschritt. a. vorwärts. Vorbereitung: 1. Position, dégager auf dem linken Fuß, rechtes Knie gebeugt. Während das rechte Knie und die Fußspitze sich allmählich strecken, wird der rechte Fuß, dessen Spitze nach auswärts gerichtet bleibt, eben über dem Boden in gerader Richtung vorgeführt in die 4. Schwebeposition, dann niedergestellt und ihm das dégager übertragen. Beim Niederstellen berührt weder die Fußspitze noch die Ferse, sondern der Ballen des Fußes zuerst den Boden und dann erst der ganze Fuß. Gleichzeitig mit dem Niederstellen des rechten Fußes wird der linke Fuß, bei der Ferse beginnend, vom Boden abgehoben bis zur Spitzenposition und das Knie gebeugt; so befindet sich dieser Fuß zur Ausführung des nächsten Schrittes in der 4. Spitzenposition. Der linke Fuß wird nun bei leicht gehobener und nach auswärts gerichteter Spitze vorgeführt, indem die Ferse sich dicht an der anderen, ohne diese zu berühren, vorbeibewegt. Nachdem das Knie leicht gestreckt ist, wird der Fuß niedergestellt und ihm des dégager übertragen. Gleichzeitig wird der rechte Fuß, mit der Ferse beginnend, vom Boden abgehoben und das Knie gebeugt. Dieser Fuß befindet sich nun in der 4. Schwebeposition zurück, der Vorbereitungsstellung zum nächsten Schritt. Das Gehen wird beendigt durch Heranziehen des zurückstehenden Fußes in die 1. Position und Strecken des Knies. Da erfahrungsgemäß die Art und Weise des Gehens sich nach den ersten Schritten richtet, ein Schritt zieht den andern nach sich, so achte man beim Beginn des Gehens auf genaue Ausführung des ersten Schrittes.

b. rückwärts. Vorbereitung: 1. Position, dégager auf dem rechten Fuß, linkes Knie gebeugt. Der linke Fuß, dessen[189] Spitze nach auswärts gewendet ist, wird in gerader Richtung nach hinten in die 4. Schwebeposition geführt. Beim Niederstellen des Fußes, wobei zuerst die große Zehe und zuletzt die Ferse den Boden berührt, wird das Knie gestreckt und dem Fuß das dégager übertragen. Gleichzeitig hebt sich der rechte Fuß, bei der Ferse beginnend, vom Boden ab, sodaß er mit der kleinen Zehe den Boden berührt, und der Fuß bei gestrecktem Knie in der 4. Position vor bleibt. Hierauf wird der rechte Fuß bei Kniebeuge und vorstehend angegebener Fußhaltung in gerader Richtung rückwärts Ferse an Ferse vorbeigeführt in die 4. Schwebeposition zurück. Das Niederstellen des Fußes und Heben des andern geschieht wie beim linken Fuß beschrieben.

Kunstgehschritt. a. vorwärs. Vorbereitung: 3. Position. Mit plier und Erheben des Körpers auf die linke Fußspitze wird der rechte Fuß bei vordrängender Ferse und mit der Spitze über den Boden schleifend, aus der 3. Position erst in die 5. Position, dann vorwärts und im Bogen rechts seitwärts nach außen bei allmählichem Strecken des rechten Knies und Fußspitze in die 4. Position vor ins dégager gebracht. Dann wird nach plie und Erheben des Körpers auf die rechte Fußspitze der linke Fuß aus der 4. Position zurück durch die 1. und die 5. Position geführt. Hierauf wird der Fuß vorwärts und im Bogen nach links seitwärts in die 4. Position vor ins dégager gebracht.

b. rückwärts. Vorbereitung: 3. Position. Bei Erheben auf die linke Fußspitze wird der rechte Fuß, mit der Spitze über den Boden schleifend, im Bogen durch die 2. Position zurück in die 4. Position geführt und ins dégager gebracht. Hierauf erfolgt Strecken beider Knie und Spitzenposition des in der 4. Position vorstehenden linken Fußes. Die Ausführung mit dem linken Fuß geschieht in derselben Weise.

Marschschritt. Unter Gehen im Marschschritt oder Marschieren verstehen wir ein taktgeregeltes, bestimmt markiertes Fortschreiten, verbunden mit einer nach Vorschrift eingenommenen strammen Körperhaltung, wie beim Soldaten und Turner. Der Marschschritt ist allgemein bekannt, weil[190] er schon in der Schule beim Turnunterricht gelehrt wird. Beim gewöhnlichen Gange muß im Gegensatze dazu die Bewegung der Glieder eine freie, leichte, ungezwungene sein. Die Haltung des Körpers soll dabei zwar gerade aufgerichtet, aber braucht nicht militärisch stramm zu sein.

Erheb-Schritt. Vorbereitung: 3. Position, der rechte Fuß wird vor in die 4. Position gestellt. Erheben auf diese Fußspitze und Abheben des linken Fußes, sodaß dieser leicht schwebt. Ebenso mit dem linken Fuß.

Anmerkung: Der zurückstehende Fuß kann auch schon während des Erhebens auf die Fußspitze vorgeführt werden.

Erheb-Senk-Schritt. Vorbereitung: Rechter Fuß vor in die 4. gestreckte Schwebeposition. Die Spitze des rechten Fußes wird niedergestellt, ihr das dégager übertragen und dann die Ferse niedergelassen, gleichzeitig wird der linke Fuß abgehoben.

Spitzenschritt. Vorbereitung: 1. oder 3. Spitzenposition. Das Vorwärts-, Rückwärts- oder Seitwärtsgehen in einer der vorgenannten Positionen oder die Ausführung des emboite bildet den Erhebspitzenschritt.

Erheb-Hüpfschritt. Vorbereitung: dégager auf dem linken Fuß, rechter Fuß in Schwebeposition vor. Bei leichter Kniebeuge wird die rechte Fußspitze niedergestellt und gleichzeitig der linke Fuß abgehoben. Nun erfolgt Aufschwung in Luftposition und Nieder fall auf dem rechten Fuß.

Erheb-Sprungschritt. Vorbereitung: Dégager auf dem linken Fuß mit plie. Der rechte Fuß befindet sich in der 4. Schwebeposition zurück.

a. Ausführung mit einem Fuß. Bei etwas vorgebeugtem Körper erfolgt Aufschwung in Luftposition, wobei der rechte Fuß in einem Bogen durch die 2. Position vorwärtsbewegt wird. Beim Niederfall auf der rechten Fußspitze schnellt der linke Fuß in die 4. hohe Schwebeposition zurück.

b. Ausführung mit beiden Füßen. Vorbereitung: 3. Position. Sprung mit beiden Füßen gleichzeitig vor-, rück- oder seitwärts und Niederfall.

Fersenschritt, Fersenlaufen. Vorbereitung: 1. oder 2. falsche oder 2 gute Fersenposition, wobei die Knie gestreckt,[191] die Fußspitzen aufwärts gezogen sind. In einer der angegebenen Stellungen wird der Körper auf den Fersen vor- oder rückwärts fortgerutscht.

Schleif-, Schlepp-Schritt. Vorbereitung: Linker Fuß dégager, rechter Fuß 4. gestreckte Schwebeposition vor.

a. Ausführung aus offener Position. Der rechte Fuß wird niedergestellt, worauf der linke, mit der Fußspitze über den Boden schleifend, in die 4. Schwebeposition vor nachgeführt wird.

b. Ausführung aus geschlossener Position. Vorbereitung: 1. Position. Der rechte Fuß wird in eine offene Position gebracht, niedergestellt, und der linke Fuß, mit der Fußspitze über den Boden schleifend, wieder in die 1. Position gebracht.

Schwebe-Schritt. Balancier. a. seitwärts. Vorbereitung: Linker Fuß dégager, rechter Fuß 4. Schwebeposition vor. Bei Tempo 1 wird der rechte Fuß im Bogen nach rechts herum hinter den linken geführt und ins dégager gebracht, wobei der linke Fuß in die vordere 3. Schwebeposition schnellt. Bei 2 erfolgt Aufschwung auf dem rechten Fuß, wobei linkes Knie und die Fußspitze gestreckt werden und der Körper eine Wendung nach rechts ausführt.

b. vorwärts. Vorbereitung: 1. Position. Der rechte Fuß wird bei 1 in die 4. Schwebeposition vorgeführt.

Bei 2 fällt der Fuß in der 1. Position ins dégager. Gleichzeitig wird der linke Fuß in die 1. Schwebeposition gezogen.

Emboite. Ein- und Ausfügeschritt. Emboite ist ein wiederholter Positionswechsel innerhalb der 3. Position mit Vorwärts- oder Rückwärtsbewegung. Vorbereitung: 3. Position. Der zurückstehende Fuß wird, die Ferse des andern Fußes umkreisend, in die 3. Position vorgeführt oder der vorstehende in derselben Weise in die 3. Position zurück. Siehe auch Erhebspitzenschritt.

Schluß-Schritt. Dieser Schritt kommt besonders bei ungarischen und polnischen Tänzen in Anwendung.

1. Vorbereitung: 1. Position. Nach dem Erheben auf die Fußspitzen wird durch Auseinanderziehen der Fersen die[192] 2. falsche Position gebildet. Durch Zusammenschlagen der Fersen beim Einnehmen der 1. Position wird der Schritt beendet. Das Zusammenschlagen der Fersen kann auch zwei- oder mehreremal erfolgen.

2. Vorbereitung: 1. Position. Mit dem Beugen der Knie werden die Füße in die 2. falsche Spitzenposition gespreizt. Durch einen Sprung in Verbindung mit Strecken der Knie und Zusammenschlagen der Fersen werden die Füße wieder in die 1. Position gebracht.

3. Vorbereitung: Rechter Fuß dégager, linker Fuß in der 2. gestreckten Schwebeposition. Bei 1 wird der linke Fuß niedergestellt, ihm das dégager übertragen, und der rechte Fuß vor dem linken in die 5. gebeugte Spitzenposition herangeführt. Bei 2 erfolgt mit Aufschwung in Luftposition, Auswerfen beider Füße in die 2. falsche Position und Niederfall in dieser Position (echappé). Bei 3 erfolgt Zusammenschlagen der Fersen in der 1. Position. Beim Zusammenschlagen der Fersen müssen die Knie gestreckt sein.

Pas fleuret, Fechtschritt. Vorbereitung: 3. Position.

a. vorwärts. Der rechte Fuß wird bei Kniebeuge in die 4. Position vor ins dégager gebracht, linkes Bein bleibt gestreckt. Nun wird das rechte Knie gestreckt und der linke Fuß in die 3. Position zurück herangezogen.

b. rückwärts und seitwärts. Ausführung ebenso.

Pas zephire, Pendelschritt 2. Schrittbewegungen erfolgen auf 1 Tempo. Vorbereitung: Linker Fuß dégager, rechter Fuß in der 4. gestreckten Schwebeposition vor. Bei 1 fällt der rechte Fuß in der 1. Position ins dégager, wobei der linke Fuß zurück in die 4. Schwebeposition schnellt. Bei 2 erfolgt Aufschwung auf dem rechten Fuß und Vorbringen des linken in die 4. gestreckte Schwebeposition, wobei die Fußspitze beim Passieren der 1. Position leicht den Boden berührt. Die Ausführung des pas zephires nach rück- und seitwärts geschieht in ähnlicher Weise. Die Verbindung dieses Schrittes mit dem glissé gibt den Gavotte-Schritt.

Pas balloté, Schaukelschritt 2. Bewegungen erfolgen auf 1 Tempo. Vorbereitung: Linker Fuß dégager, rechter Fuß in der 4. gestreckten Schwebeposition vor. Bei 1 fällt[193] der rechte Fuß vor dem linken in die 3. Position und übernimmt das dégager, wobei der linke Fuß in die hintere 4. gestreckte Schwebeposition schnellt. Bei 2 fällt der linke Fuß hinter dem rechten ins dégager, diesen wieder in die 4. gestreckte Schwebeposition vor treibend. Um abwechselnd mit dem rechten und linken Fuß beginnen zu können, bedarf es eines verbindenden, überleitenden Schrittes, wozu sich pas zephire und jeté besonders eignen.

Pas de basque. Dieser Schritt ist durch veränderliche Einteilung der Schrittbewegung, welche durch die Taktart bedingt wird, in der Ausführung sehr verschieden. Bei gleicher Zeiteinteilung lautet die Schrittbewegung 1, 2, 3. Vorbereitung: Dégager auf dem linken Fuß, rechter Fuß in der gestreckten Schwebeposition vor. Bei 1 wird mit Aufschwung in Luftposition der rechte Fuß im Bogen rechts seitwärts geführt und beim Niederstellen desselben, der linke Fuß in die 4. gestreckte Schwebeposition vor gebracht. Bei 2 wird der linke Fuß niedergestellt und ihm das dégager übertragen. Bei 3 erfolgt Anschließen des rechten Fußes in die hintere 5. Position und Vorschnellen des linken in die vordere Schwebeposition.

Pas polonaise. Die Polonaise wird heute meistens so ausgeführt, daß nach einer Marschmusik einfach marschiert wird. Gewiß ist diese Art leichter, als nach einer im 3/4 Takt stehenden Polonaisemusik den richtigen Polonaiseschritt auszuführen, aber sicherlich nicht so schön, nicht so kunstvoll. Man sollte wenigstens auch da, wo man den ursprünglichen Polonaiseschritt nicht mehr anwenden will, noch nach der Polonaisemusik gehen, sodaß abwechselnd der rechte und linke Fuß den guten Taktteil bekommt.

Der Polonaiseschritt ist folgender: Vorbereitung: 3. Position. Beim ersten Viertel des ersten Taktes wird der rechte Fuß vor in die 4. Position geführt, ihm bei Kniebeuge das dégager übertragen und gleich darauf der linke Fuß, mit der Fußspitze über den Boden schleifend, in die 1. Spitzenposition gebracht. Auf dem 2. und 3. Viertel wird je ein Gehschritt mit dem linken und mit dem rechten Fuße ausgeführt. Beim zweiten Takte wird bei dem ersten Viertel[194] der linke Fuß in die 4. Position vorgeführt, ihm bei Kniebeuge das dégager übertragen, und gleich darauf der rechte Fuß, die Spitze schleifend, in die 1. Spitzenposition herangezogen. Beim 2. und 3. Viertel erfolgen wieder 2 Gehschritte mit dem rechten und linken Fuß.

Quelle:
Samsreither, J. V. & Sohn: Der Wohlanstand. Altona-Hamburg 2[1900], S. 189-195.
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