Im Museum, in der Galerie und in der Ausstellung.

[57] Wer gern exklusiv ist und das Gedränge scheut, besuche die Kunsthallen und Ausstellungen an den sogenannten »Honoratiorentagen«, d.h. an Tagen, welche ein erhöhtes oder doppeltes Eintrittsgeld bedingen. Freie Tage sind immer mißlich und nicht sehr zu empfehlen.

Schirme und Stöcke giebt man beim Portier ab; sie hinein zu nehmen ist unschicklich, selbst wenn es erlaubt wäre.[57]

Um einen rechten Genuß vom Beschauen zu haben, schaffe man sich einen Katalog an. Derselbe macht zugleich das für andere sehr lästige Fragen überflüssig, und seine Erläuterungen tragen nicht selten zur Belehrung und Bereicherung des allgemeinen Wissens bei.

Man hüte sich vor der Aufdringlichkeit, Fremde anzureden, sich in ihre Unterhaltung zu mischen, sie um ihre Meinung zu befragen, oder ihnen das eigene Urteil zu octroyieren. Solche Einmischungen finden die meisten Menschen sehr verdrießlich, und niemand kann sich wundern, wenn sie ihren unangenehmen Gefühlen in einer schroffen Abweisung Luft machen. Ernst und geräuschlos bewege man sich durch die Räume, und mit seinen Begleitern pflege man die Unterhaltung nur mezza voce. Niemals lasse man sich die Unart zu Schulden kommen, vor einem besonders sehenswerten Gegenstande in endloser Betrachtung zu verweilen, anderen die Aussicht versperrend.

Ist die Zeit eng bemessen, so ist es besser, weniges eingehend zu betrachten, als alle Säle im Sturmschritt zu durchlaufen.

Ein eingehendes Urteil über Kunstgegenstände überläßt man denjenigen, welche es sich zutrauen dürfen. Es klingt anmaßend und lächerlich, wenn Unfähige sich Kritiken erlauben, die, an sich unrichtig, mit einer Bestimmtheit vorgebracht werden, welche selbst den gewiegtesten Kenner verblüfft.

Quelle:
Schramm, Hermine: Das richtige Benehmen. Berlin 201919, S. 57-58.
Lizenz:
Kategorien: