Sauberkeit?

[104] Ein paar Tage, bevor D. in einer anderen Abteilung arbeitete, holten wir zum Vesper unser Bier. Ein Aufseher, der die Gartenarbeiter in der Anstalt beaufsichtigte, übte die Bierkontrolle aus. Der Kalfaktor, ein junger, frecher, nicht beliebter Korrigend, schänkte das Bier mit einem Maß ein in unsere tönernen Kaffeetöpfe. Er senkte tief seine Hand in das Bier, so daß sein Arm dasselbe berührte. Dietrich rief ihm zu: »Schöpfe doch nicht so tief mit Deinem Arm, das ist Schweinerei!«

Der Aufseher, ein alter, brutaler Beamter, sagte barsch: »W–a–s? Schweinerei? Mit die Beine kann er doch nicht hineingehen! Uebrigens sind seine Hände gewaschen!« Der Arm des Kalfaktors sah aber nicht besonders einladend aus, möglich: die Naturfarbe seines Armes war nicht rein.

Mit dem Brot war es leider dasselbe, dies wurde per Wagen gebracht, die Anstalt hatte keine Bäckerei. Ein Plan[104] war bei regnerischer Witterung wohl über die Brote gedeckt, aber kein Tuch im Wagen ausgebreitet, auf das sie geschichtet wurden. Der Verwaltung lag nicht viel daran – das Brot wurde ja nicht von ihr gegessen, – ob der Wagen zum Schmutzfahren benutzt wurde, oder für Nahrungsmittel. Das ist die traurige Folge, wenn Menschen unter das sächliche Niveau gestellt werden.

Quelle:
Schuchardt, Ernst: Sechs Monate im Arbeitshaus. Erlebnisse eines wandernden Arbeiters, Berlin [1907], S. 104-105.
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